Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.
Da ich nichts zu thun hatte, und meine geschäftige Seele nicht lange müßig seyn konnte, so verfiel ich aufs Lesen. Romane und Robinsonaden -- je wunderbarer, je schlüpfriger, je besser. Dadurch wurde meine Einbildungskraft mit wunderbaren und wollüstigen Bildern angefüllt. Bald suchte ich wirkliche Gegenstände, und -- die Gelegenheit hatte ich im Hause. -- Die Schwester des N** war ein junges koquettes Ding von siebzehn Jahren. Sie war eigennützig und -- spröde. Jch wurde bald heftig verliebt. Und da N** seinen Vortheil dabei hatte, und mir mein Geheimniß bald abgemerkt hatte, so wurde er mein Vertrauter. Jch fühlte durch das häufige Lesen in mir Triebe erwachen, die ich vorher nicht gekannt hatte, und selbst da, wo die Beziehung nur entfernt war, zauberte sich meine schöpfrische Phantasie Wirklichkeiten hin. Da ich wirklich wollüstige Absichten auf N** Schwester hatte, so suchte ich zu meinem Zweck zu gelangen. Aber wie sollte ichs machen? Jch hätte ihr gerne was geschenkt, und hatte doch nichts, und auf andere Art wuste ich nicht
Da ich nichts zu thun hatte, und meine geschaͤftige Seele nicht lange muͤßig seyn konnte, so verfiel ich aufs Lesen. Romane und Robinsonaden ― je wunderbarer, je schluͤpfriger, je besser. Dadurch wurde meine Einbildungskraft mit wunderbaren und wolluͤstigen Bildern angefuͤllt. Bald suchte ich wirkliche Gegenstaͤnde, und ― die Gelegenheit hatte ich im Hause. ― Die Schwester des N** war ein junges koquettes Ding von siebzehn Jahren. Sie war eigennuͤtzig und ― sproͤde. Jch wurde bald heftig verliebt. Und da N** seinen Vortheil dabei hatte, und mir mein Geheimniß bald abgemerkt hatte, so wurde er mein Vertrauter. Jch fuͤhlte durch das haͤufige Lesen in mir Triebe erwachen, die ich vorher nicht gekannt hatte, und selbst da, wo die Beziehung nur entfernt war, zauberte sich meine schoͤpfrische Phantasie Wirklichkeiten hin. Da ich wirklich wolluͤstige Absichten auf N** Schwester hatte, so suchte ich zu meinem Zweck zu gelangen. Aber wie sollte ichs machen? Jch haͤtte ihr gerne was geschenkt, und hatte doch nichts, und auf andere Art wuste ich nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0050" n="50"/><lb/> moͤchte. Mein Vater weigerte sich aus gegruͤndeten Ursachen lange ― allein das Koͤnigl. Gebot: solche Personen einzunehmen, und sein Mitleid, stimmten ihn bald um. Sie zog ein, und nun waren ich und N** vollends unzertrennlich. ― Die Zukunft zeigte, wie schaͤdlich dieses fuͤr mich war. ― </p> <p>Da ich nichts zu thun hatte, und meine geschaͤftige Seele nicht lange muͤßig seyn konnte, so verfiel ich aufs Lesen. Romane und Robinsonaden ― je wunderbarer, je schluͤpfriger, je besser. Dadurch wurde meine Einbildungskraft mit wunderbaren und wolluͤstigen Bildern angefuͤllt. Bald suchte ich wirkliche Gegenstaͤnde, und ― die Gelegenheit hatte ich im Hause. ― Die Schwester des N** war ein junges koquettes Ding von siebzehn Jahren. Sie war eigennuͤtzig und ― sproͤde. Jch wurde bald heftig verliebt. Und da N** seinen Vortheil dabei hatte, und mir mein Geheimniß bald abgemerkt hatte, so wurde er mein Vertrauter. Jch fuͤhlte durch das haͤufige Lesen in mir Triebe erwachen, die ich vorher nicht gekannt hatte, und selbst da, wo die Beziehung nur entfernt war, zauberte sich meine schoͤpfrische Phantasie Wirklichkeiten hin. Da ich wirklich wolluͤstige Absichten auf N** Schwester hatte, so suchte ich zu meinem Zweck zu gelangen. Aber wie sollte ichs machen? Jch haͤtte ihr gerne was geschenkt, und hatte doch nichts, und auf andere Art wuste ich nicht<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [50/0050]
moͤchte. Mein Vater weigerte sich aus gegruͤndeten Ursachen lange ― allein das Koͤnigl. Gebot: solche Personen einzunehmen, und sein Mitleid, stimmten ihn bald um. Sie zog ein, und nun waren ich und N** vollends unzertrennlich. ― Die Zukunft zeigte, wie schaͤdlich dieses fuͤr mich war. ―
Da ich nichts zu thun hatte, und meine geschaͤftige Seele nicht lange muͤßig seyn konnte, so verfiel ich aufs Lesen. Romane und Robinsonaden ― je wunderbarer, je schluͤpfriger, je besser. Dadurch wurde meine Einbildungskraft mit wunderbaren und wolluͤstigen Bildern angefuͤllt. Bald suchte ich wirkliche Gegenstaͤnde, und ― die Gelegenheit hatte ich im Hause. ― Die Schwester des N** war ein junges koquettes Ding von siebzehn Jahren. Sie war eigennuͤtzig und ― sproͤde. Jch wurde bald heftig verliebt. Und da N** seinen Vortheil dabei hatte, und mir mein Geheimniß bald abgemerkt hatte, so wurde er mein Vertrauter. Jch fuͤhlte durch das haͤufige Lesen in mir Triebe erwachen, die ich vorher nicht gekannt hatte, und selbst da, wo die Beziehung nur entfernt war, zauberte sich meine schoͤpfrische Phantasie Wirklichkeiten hin. Da ich wirklich wolluͤstige Absichten auf N** Schwester hatte, so suchte ich zu meinem Zweck zu gelangen. Aber wie sollte ichs machen? Jch haͤtte ihr gerne was geschenkt, und hatte doch nichts, und auf andere Art wuste ich nicht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/50 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/50>, abgerufen am 16.02.2025. |