Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite


lich erholte sich meine gute Natur doch wieder, und ich wurde, nachdem meine Krankheit volle dreiviertel Jahr gedauert hatte, wieder gesund.

Durch die Veränderung unsrer Wohnung und unsrer übrigen Verhältnisse erfolgte auch eine in Ansehung unsrer Erziehung. Hatten wir vorher viel Willen und Freiheit gehabt, so hatten wir jetzt noch mehr, da unser Vater jetzt wegen seiner neuen Einrichtung selten um uns seyn konnte, und meine Mutter -- eine außerordentlich nachgebende gütige Frau -- die ihr größtes Vergnügen darin findet, allen Menschen zu Willen zu leben, und etwas zu ihrem Vergnügen beizutragen, versagte auch hier uns keine unsrer Bitten. -- Da wir ziemlich entfernt wohnten, so waren uns die öffentlichen Schulen ziemlich weit -- doch besuchten wir sie zuweilen -- und in dieser machten wir allerlei Bekanntschaften. Unser Obst, das wir immer mitnahmen, machte uns viel Tischfreunde. -- Einer darunter zeichnete sich vorzüglich aus, indem er unsre Freundschaft mehr als andre suchte. Er hat vielen Einfluß in mein folgendes Schicksal gehabt; deswegen muß ich ihn mit in meine Geschichte, ohne seinen Nahmen zu nennen, einführen. Jch thue dieß aus Ehrfurcht für das Amt, das er bald willens ist zu bekleiden; eigentlich verdiente er es eben nicht: denn er hat viel zu meiner Verschlimmerung beigetragen, und das aus wirklich bösem Herzen: denn er war schadenfroh, diebisch, neidisch, verläumderisch und


lich erholte sich meine gute Natur doch wieder, und ich wurde, nachdem meine Krankheit volle dreiviertel Jahr gedauert hatte, wieder gesund.

Durch die Veraͤnderung unsrer Wohnung und unsrer uͤbrigen Verhaͤltnisse erfolgte auch eine in Ansehung unsrer Erziehung. Hatten wir vorher viel Willen und Freiheit gehabt, so hatten wir jetzt noch mehr, da unser Vater jetzt wegen seiner neuen Einrichtung selten um uns seyn konnte, und meine Mutter ― eine außerordentlich nachgebende guͤtige Frau ― die ihr groͤßtes Vergnuͤgen darin findet, allen Menschen zu Willen zu leben, und etwas zu ihrem Vergnuͤgen beizutragen, versagte auch hier uns keine unsrer Bitten. ― Da wir ziemlich entfernt wohnten, so waren uns die oͤffentlichen Schulen ziemlich weit ― doch besuchten wir sie zuweilen ― und in dieser machten wir allerlei Bekanntschaften. Unser Obst, das wir immer mitnahmen, machte uns viel Tischfreunde. ― Einer darunter zeichnete sich vorzuͤglich aus, indem er unsre Freundschaft mehr als andre suchte. Er hat vielen Einfluß in mein folgendes Schicksal gehabt; deswegen muß ich ihn mit in meine Geschichte, ohne seinen Nahmen zu nennen, einfuͤhren. Jch thue dieß aus Ehrfurcht fuͤr das Amt, das er bald willens ist zu bekleiden; eigentlich verdiente er es eben nicht: denn er hat viel zu meiner Verschlimmerung beigetragen, und das aus wirklich boͤsem Herzen: denn er war schadenfroh, diebisch, neidisch, verlaͤumderisch und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0042" n="42"/><lb/>
lich erholte sich meine gute                         Natur doch wieder, und ich wurde, nachdem meine Krankheit volle dreiviertel                         Jahr gedauert hatte, wieder gesund. </p>
            <p>Durch die Vera&#x0364;nderung unsrer Wohnung und unsrer u&#x0364;brigen Verha&#x0364;ltnisse erfolgte                         auch eine in Ansehung unsrer Erziehung. Hatten wir vorher viel Willen und                         Freiheit gehabt, so hatten wir jetzt noch mehr, da unser Vater jetzt wegen                         seiner neuen Einrichtung selten um uns seyn konnte, und meine Mutter &#x2015; eine                         außerordentlich nachgebende gu&#x0364;tige Frau &#x2015; die ihr gro&#x0364;ßtes Vergnu&#x0364;gen darin                         findet, allen Menschen zu Willen zu leben, und etwas zu ihrem Vergnu&#x0364;gen                         beizutragen, versagte auch hier uns keine unsrer Bitten. &#x2015; Da wir ziemlich                         entfernt wohnten, so waren uns die o&#x0364;ffentlichen Schulen ziemlich weit &#x2015; doch                         besuchten wir sie zuweilen &#x2015; und in dieser machten wir allerlei                         Bekanntschaften. Unser Obst, das wir immer mitnahmen, machte uns viel                         Tischfreunde. &#x2015; Einer darunter zeichnete sich vorzu&#x0364;glich aus, indem er unsre                         Freundschaft mehr als andre suchte. Er hat vielen Einfluß in mein folgendes                         Schicksal gehabt; deswegen muß ich ihn mit in meine Geschichte, ohne seinen                         Nahmen zu nennen, einfu&#x0364;hren. Jch thue dieß aus Ehrfurcht fu&#x0364;r das Amt, das er                         bald willens ist zu bekleiden; eigentlich verdiente er es eben nicht: denn                         er hat viel zu meiner Verschlimmerung beigetragen, und das aus wirklich                         bo&#x0364;sem Herzen: denn er war schadenfroh, diebisch, neidisch, verla&#x0364;umderisch                         und<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0042] lich erholte sich meine gute Natur doch wieder, und ich wurde, nachdem meine Krankheit volle dreiviertel Jahr gedauert hatte, wieder gesund. Durch die Veraͤnderung unsrer Wohnung und unsrer uͤbrigen Verhaͤltnisse erfolgte auch eine in Ansehung unsrer Erziehung. Hatten wir vorher viel Willen und Freiheit gehabt, so hatten wir jetzt noch mehr, da unser Vater jetzt wegen seiner neuen Einrichtung selten um uns seyn konnte, und meine Mutter ― eine außerordentlich nachgebende guͤtige Frau ― die ihr groͤßtes Vergnuͤgen darin findet, allen Menschen zu Willen zu leben, und etwas zu ihrem Vergnuͤgen beizutragen, versagte auch hier uns keine unsrer Bitten. ― Da wir ziemlich entfernt wohnten, so waren uns die oͤffentlichen Schulen ziemlich weit ― doch besuchten wir sie zuweilen ― und in dieser machten wir allerlei Bekanntschaften. Unser Obst, das wir immer mitnahmen, machte uns viel Tischfreunde. ― Einer darunter zeichnete sich vorzuͤglich aus, indem er unsre Freundschaft mehr als andre suchte. Er hat vielen Einfluß in mein folgendes Schicksal gehabt; deswegen muß ich ihn mit in meine Geschichte, ohne seinen Nahmen zu nennen, einfuͤhren. Jch thue dieß aus Ehrfurcht fuͤr das Amt, das er bald willens ist zu bekleiden; eigentlich verdiente er es eben nicht: denn er hat viel zu meiner Verschlimmerung beigetragen, und das aus wirklich boͤsem Herzen: denn er war schadenfroh, diebisch, neidisch, verlaͤumderisch und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/42
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/42>, abgerufen am 21.11.2024.