Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite


mittels, für die nächste Nacht ein heftiges Delirium prognostizirte.

Gegen eilf Uhr war der zu meiner Wartung bestellte Feldscheer abwesend, es näherte sich meinem Bette eine Frau, deren ruhige, schläfrige Miene mir gleich anzeigte, daß ich nicht der erste Kranke war, bei dem sie wachen sollte.

Kurz, die Frau mißfiel mir, daher befahl ich ihr auf das dringendste, ja sorgfältig auf mich Acht zu haben, weil ich sonst gewiß davon laufen würde.

Das Bewußtseyn verging mir gänzlich, bis ich endlich, wie es in dergleichen Krankheiten gewöhnlich ist, gegen Morgen etwas ruhiger wurde. Jetzt schuf meine Einbildungskraft, nach einer gewissen Ordnung, folgende Geschichte:

Die Frau schlief bald nach meiner Ermahnung ein; sogleich nahm ich den Zeitpunkt wahr, um zu entwischen; ich ging im Schlafrock in ein öffentliches Haus, wo ich eine zahlreiche Gesellschaft antraf, die ich zum Theil kannte.

Einige verwiesen mir meine Unanständigkeit, andere lachten; für die ersten hatte ich Entschuldigungen genug, die andern wieß ich durch Lachen und Scherz ab; ich war nicht lange da gewesen, als mein Vater (er war damals über hundert Meilen von mir entfernt) in Reisekleidern in die Stube trat.



mittels, fuͤr die naͤchste Nacht ein heftiges Delirium prognostizirte.

Gegen eilf Uhr war der zu meiner Wartung bestellte Feldscheer abwesend, es naͤherte sich meinem Bette eine Frau, deren ruhige, schlaͤfrige Miene mir gleich anzeigte, daß ich nicht der erste Kranke war, bei dem sie wachen sollte.

Kurz, die Frau mißfiel mir, daher befahl ich ihr auf das dringendste, ja sorgfaͤltig auf mich Acht zu haben, weil ich sonst gewiß davon laufen wuͤrde.

Das Bewußtseyn verging mir gaͤnzlich, bis ich endlich, wie es in dergleichen Krankheiten gewoͤhnlich ist, gegen Morgen etwas ruhiger wurde. Jetzt schuf meine Einbildungskraft, nach einer gewissen Ordnung, folgende Geschichte:

Die Frau schlief bald nach meiner Ermahnung ein; sogleich nahm ich den Zeitpunkt wahr, um zu entwischen; ich ging im Schlafrock in ein oͤffentliches Haus, wo ich eine zahlreiche Gesellschaft antraf, die ich zum Theil kannte.

Einige verwiesen mir meine Unanstaͤndigkeit, andere lachten; fuͤr die ersten hatte ich Entschuldigungen genug, die andern wieß ich durch Lachen und Scherz ab; ich war nicht lange da gewesen, als mein Vater (er war damals uͤber hundert Meilen von mir entfernt) in Reisekleidern in die Stube trat.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0003" n="3"/><lb/>
mittels, fu&#x0364;r die na&#x0364;chste Nacht ein heftiges Delirium prognostizirte. </p>
            <p>Gegen eilf Uhr war der zu meiner Wartung bestellte Feldscheer abwesend, es                         na&#x0364;herte sich meinem Bette eine Frau, deren ruhige, schla&#x0364;frige Miene mir                         gleich anzeigte, daß ich nicht der erste Kranke war, bei dem sie wachen                         sollte. </p>
            <p>Kurz, die Frau mißfiel mir, daher befahl ich ihr auf das dringendste, ja                         sorgfa&#x0364;ltig auf mich Acht zu haben, weil ich sonst gewiß davon laufen wu&#x0364;rde. </p>
            <p>Das Bewußtseyn verging mir ga&#x0364;nzlich, bis ich endlich, wie es in dergleichen                         Krankheiten gewo&#x0364;hnlich ist, gegen Morgen etwas ruhiger wurde. Jetzt schuf                         meine Einbildungskraft, nach einer gewissen Ordnung, folgende Geschichte: </p>
            <p>Die Frau schlief bald nach meiner Ermahnung ein; sogleich nahm ich den                         Zeitpunkt wahr, um zu entwischen; ich ging im Schlafrock in ein o&#x0364;ffentliches                         Haus, wo ich eine zahlreiche Gesellschaft antraf, die ich zum Theil kannte. </p>
            <p>Einige verwiesen mir meine Unansta&#x0364;ndigkeit, andere lachten; fu&#x0364;r die ersten                         hatte ich Entschuldigungen genug, die andern wieß ich durch Lachen und                         Scherz ab; ich war nicht lange da gewesen, als mein Vater (er war damals                         u&#x0364;ber hundert Meilen von mir entfernt) in Reisekleidern in die Stube trat. </p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[3/0003] mittels, fuͤr die naͤchste Nacht ein heftiges Delirium prognostizirte. Gegen eilf Uhr war der zu meiner Wartung bestellte Feldscheer abwesend, es naͤherte sich meinem Bette eine Frau, deren ruhige, schlaͤfrige Miene mir gleich anzeigte, daß ich nicht der erste Kranke war, bei dem sie wachen sollte. Kurz, die Frau mißfiel mir, daher befahl ich ihr auf das dringendste, ja sorgfaͤltig auf mich Acht zu haben, weil ich sonst gewiß davon laufen wuͤrde. Das Bewußtseyn verging mir gaͤnzlich, bis ich endlich, wie es in dergleichen Krankheiten gewoͤhnlich ist, gegen Morgen etwas ruhiger wurde. Jetzt schuf meine Einbildungskraft, nach einer gewissen Ordnung, folgende Geschichte: Die Frau schlief bald nach meiner Ermahnung ein; sogleich nahm ich den Zeitpunkt wahr, um zu entwischen; ich ging im Schlafrock in ein oͤffentliches Haus, wo ich eine zahlreiche Gesellschaft antraf, die ich zum Theil kannte. Einige verwiesen mir meine Unanstaͤndigkeit, andere lachten; fuͤr die ersten hatte ich Entschuldigungen genug, die andern wieß ich durch Lachen und Scherz ab; ich war nicht lange da gewesen, als mein Vater (er war damals uͤber hundert Meilen von mir entfernt) in Reisekleidern in die Stube trat.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/3
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/3>, abgerufen am 24.11.2024.