Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.
So währte es wieder ungefähr vierzehn Tage, bis er endlich durch eine starke Disenterie völlig von seinem Uebel befreit wurde. -- Nun war nach der Versicherung der Aerzte nicht so leicht wieder ein Rückfall zu besorgen. -- Und von dieser Zeit an genießt nun der ehemalige Patient wieder der blühendsten Gesundheit, seine Leibes- und Seelenkräfte sind wieder in der vollkommensten Ordnung, nur scheint die Lebhaftigkeit seines Temperaments in etwas gewachsen, und überhaupt heftiger geworden zu seyn. Was aber bei seinem gegenwärtigen Zustand am meisten zu verwundern ist, ist das, daß er von seiner ganzen Krankheit, selbst von den Vorfällen in denen Stunden, wo er von den Anfällen frei war, keine Erinnerung mehr hat. Er weiß, nach seinem eigenen Geständnisse, sogar das nicht mehr, daß ihn Personen, an die er am meisten attachirt war, und an deren Gegenwart er in seiner Krankheit so viel Vergnügen hatte, besuchten. -- Was die Kur der Krankheit betrift, so arbeiteten die Aerzte immer auch darauf, dem Kranken seine ohnehin heitern Zwischenstunden soviel als möglich zu erhalten, ihn vor allen Vorfällen, die ihn
So waͤhrte es wieder ungefaͤhr vierzehn Tage, bis er endlich durch eine starke Disenterie voͤllig von seinem Uebel befreit wurde. ― Nun war nach der Versicherung der Aerzte nicht so leicht wieder ein Ruͤckfall zu besorgen. ― Und von dieser Zeit an genießt nun der ehemalige Patient wieder der bluͤhendsten Gesundheit, seine Leibes- und Seelenkraͤfte sind wieder in der vollkommensten Ordnung, nur scheint die Lebhaftigkeit seines Temperaments in etwas gewachsen, und uͤberhaupt heftiger geworden zu seyn. Was aber bei seinem gegenwaͤrtigen Zustand am meisten zu verwundern ist, ist das, daß er von seiner ganzen Krankheit, selbst von den Vorfaͤllen in denen Stunden, wo er von den Anfaͤllen frei war, keine Erinnerung mehr hat. Er weiß, nach seinem eigenen Gestaͤndnisse, sogar das nicht mehr, daß ihn Personen, an die er am meisten attachirt war, und an deren Gegenwart er in seiner Krankheit so viel Vergnuͤgen hatte, besuchten. ― Was die Kur der Krankheit betrift, so arbeiteten die Aerzte immer auch darauf, dem Kranken seine ohnehin heitern Zwischenstunden soviel als moͤglich zu erhalten, ihn vor allen Vorfaͤllen, die ihn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0019" n="19"/><lb/> einen Zufall ploͤtzlich erschreckt wurde, zeigten sich auch wieder Konvulsionen, doch nur in sehr geringem Grade. </p> <p>So waͤhrte es wieder ungefaͤhr vierzehn Tage, bis er endlich durch eine starke Disenterie voͤllig von seinem Uebel befreit wurde. ― Nun war nach der Versicherung der Aerzte nicht so leicht wieder ein Ruͤckfall zu besorgen. ― Und von dieser Zeit an genießt nun der ehemalige Patient wieder der bluͤhendsten Gesundheit, seine Leibes- und Seelenkraͤfte sind wieder in der vollkommensten Ordnung, nur scheint die Lebhaftigkeit seines Temperaments in etwas gewachsen, und uͤberhaupt heftiger geworden zu seyn. </p> <p>Was aber bei seinem gegenwaͤrtigen Zustand am meisten zu verwundern ist, ist das, daß er von seiner ganzen Krankheit, selbst von den Vorfaͤllen in denen Stunden, wo er von den Anfaͤllen frei war, keine Erinnerung mehr hat. </p> <p>Er weiß, nach seinem eigenen Gestaͤndnisse, sogar das nicht mehr, daß ihn Personen, an die er am meisten attachirt war, und an deren Gegenwart er in seiner Krankheit so viel Vergnuͤgen hatte, besuchten. ― </p> <p>Was die Kur der Krankheit betrift, so arbeiteten die Aerzte immer auch darauf, dem Kranken seine ohnehin heitern Zwischenstunden soviel als moͤglich zu erhalten, ihn vor allen Vorfaͤllen, die ihn<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [19/0019]
einen Zufall ploͤtzlich erschreckt wurde, zeigten sich auch wieder Konvulsionen, doch nur in sehr geringem Grade.
So waͤhrte es wieder ungefaͤhr vierzehn Tage, bis er endlich durch eine starke Disenterie voͤllig von seinem Uebel befreit wurde. ― Nun war nach der Versicherung der Aerzte nicht so leicht wieder ein Ruͤckfall zu besorgen. ― Und von dieser Zeit an genießt nun der ehemalige Patient wieder der bluͤhendsten Gesundheit, seine Leibes- und Seelenkraͤfte sind wieder in der vollkommensten Ordnung, nur scheint die Lebhaftigkeit seines Temperaments in etwas gewachsen, und uͤberhaupt heftiger geworden zu seyn.
Was aber bei seinem gegenwaͤrtigen Zustand am meisten zu verwundern ist, ist das, daß er von seiner ganzen Krankheit, selbst von den Vorfaͤllen in denen Stunden, wo er von den Anfaͤllen frei war, keine Erinnerung mehr hat.
Er weiß, nach seinem eigenen Gestaͤndnisse, sogar das nicht mehr, daß ihn Personen, an die er am meisten attachirt war, und an deren Gegenwart er in seiner Krankheit so viel Vergnuͤgen hatte, besuchten. ―
Was die Kur der Krankheit betrift, so arbeiteten die Aerzte immer auch darauf, dem Kranken seine ohnehin heitern Zwischenstunden soviel als moͤglich zu erhalten, ihn vor allen Vorfaͤllen, die ihn
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/19>, abgerufen am 05.07.2024. |