Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.Dieser und seine Geschäfte, -- er arbeitete auf einem Handlungscomtoir -- waren nun der Gegenstand seiner Phantasien. Es war in der That kaum zu begreifen, mit welcher Ordnung dabei Gedanken auf Gedanken folgten, mit welcher Ordnung er sogar seine Worte zu setzen wußte. Er betete, nahm von seinen Freunden Abschied, ohne daß man in dem allem irgend einen Mangel an Zusammenhang, oder irgend ein unschickliches Wort, irgend einen Absprung von einem Gedanken auf einen andern fremden, nicht hieher gehörigen, bemerken konnte. Diese Phantasie währte jedesmal so lang, bis er durch einen Anfall von Brustkrampf davon aufgeweckt wurde. So stellte sich der Paroxismus immer des Tags drei- bis sechsmal ein, und was am meisten dabei zu verwundern war, so war der Kranke, nachdem der ganze Paroxismus, Konvulsionen, Phantasie, und Brustkrampf vorbei waren, so ausserordentlich heiter, und wirklich widernatürlich lustig, daß, wer ihn in diesem Zustande sah, ihn für den gesundesten Menschen müßte gehalten haben, wenn er von seiner Krankheit nichts gewußt hätte. Die Aerzte aber sagten immer, daß, wenn er auch seine heitersten, vergnügtesten Stunden hätte, wenn er auch allem äusserlichen Ansehen nach so vernünftig als möglich redete, so sei es doch immer nicht natürlich, seine Seele befinde sich dessen un- Dieser und seine Geschaͤfte, ― er arbeitete auf einem Handlungscomtoir ― waren nun der Gegenstand seiner Phantasien. Es war in der That kaum zu begreifen, mit welcher Ordnung dabei Gedanken auf Gedanken folgten, mit welcher Ordnung er sogar seine Worte zu setzen wußte. Er betete, nahm von seinen Freunden Abschied, ohne daß man in dem allem irgend einen Mangel an Zusammenhang, oder irgend ein unschickliches Wort, irgend einen Absprung von einem Gedanken auf einen andern fremden, nicht hieher gehoͤrigen, bemerken konnte. Diese Phantasie waͤhrte jedesmal so lang, bis er durch einen Anfall von Brustkrampf davon aufgeweckt wurde. So stellte sich der Paroxismus immer des Tags drei- bis sechsmal ein, und was am meisten dabei zu verwundern war, so war der Kranke, nachdem der ganze Paroxismus, Konvulsionen, Phantasie, und Brustkrampf vorbei waren, so ausserordentlich heiter, und wirklich widernatuͤrlich lustig, daß, wer ihn in diesem Zustande sah, ihn fuͤr den gesundesten Menschen muͤßte gehalten haben, wenn er von seiner Krankheit nichts gewußt haͤtte. Die Aerzte aber sagten immer, daß, wenn er auch seine heitersten, vergnuͤgtesten Stunden haͤtte, wenn er auch allem aͤusserlichen Ansehen nach so vernuͤnftig als moͤglich redete, so sei es doch immer nicht natuͤrlich, seine Seele befinde sich dessen un- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0014" n="14"/><lb/> <p>Dieser und seine Geschaͤfte, ― er arbeitete auf einem Handlungscomtoir ― waren nun der Gegenstand seiner Phantasien. </p> <p>Es war in der That kaum zu begreifen, mit welcher Ordnung dabei Gedanken auf Gedanken folgten, mit welcher Ordnung er sogar seine Worte zu setzen wußte. </p> <p>Er betete, nahm von seinen Freunden Abschied, ohne daß man in dem allem irgend einen Mangel an Zusammenhang, oder irgend ein unschickliches Wort, irgend einen Absprung von einem Gedanken auf einen andern fremden, nicht hieher gehoͤrigen, bemerken konnte. Diese Phantasie waͤhrte jedesmal so lang, bis er durch einen Anfall von Brustkrampf davon aufgeweckt wurde. </p> <p>So stellte sich der Paroxismus immer des Tags drei- bis sechsmal ein, und was am meisten dabei zu verwundern war, so war der Kranke, nachdem der ganze Paroxismus, Konvulsionen, Phantasie, und Brustkrampf vorbei waren, so ausserordentlich heiter, und wirklich widernatuͤrlich lustig, daß, wer ihn in diesem Zustande sah, ihn fuͤr den gesundesten Menschen muͤßte gehalten haben, wenn er von seiner Krankheit nichts gewußt haͤtte. </p> <p>Die Aerzte aber sagten immer, daß, wenn er auch seine heitersten, vergnuͤgtesten Stunden haͤtte, wenn er auch allem aͤusserlichen Ansehen nach so vernuͤnftig als moͤglich redete, so sei es doch immer nicht natuͤrlich, seine Seele befinde sich dessen un-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [14/0014]
Dieser und seine Geschaͤfte, ― er arbeitete auf einem Handlungscomtoir ― waren nun der Gegenstand seiner Phantasien.
Es war in der That kaum zu begreifen, mit welcher Ordnung dabei Gedanken auf Gedanken folgten, mit welcher Ordnung er sogar seine Worte zu setzen wußte.
Er betete, nahm von seinen Freunden Abschied, ohne daß man in dem allem irgend einen Mangel an Zusammenhang, oder irgend ein unschickliches Wort, irgend einen Absprung von einem Gedanken auf einen andern fremden, nicht hieher gehoͤrigen, bemerken konnte. Diese Phantasie waͤhrte jedesmal so lang, bis er durch einen Anfall von Brustkrampf davon aufgeweckt wurde.
So stellte sich der Paroxismus immer des Tags drei- bis sechsmal ein, und was am meisten dabei zu verwundern war, so war der Kranke, nachdem der ganze Paroxismus, Konvulsionen, Phantasie, und Brustkrampf vorbei waren, so ausserordentlich heiter, und wirklich widernatuͤrlich lustig, daß, wer ihn in diesem Zustande sah, ihn fuͤr den gesundesten Menschen muͤßte gehalten haben, wenn er von seiner Krankheit nichts gewußt haͤtte.
Die Aerzte aber sagten immer, daß, wenn er auch seine heitersten, vergnuͤgtesten Stunden haͤtte, wenn er auch allem aͤusserlichen Ansehen nach so vernuͤnftig als moͤglich redete, so sei es doch immer nicht natuͤrlich, seine Seele befinde sich dessen un-
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