Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.
So wurden denn auch die schlechten Beispiele und gefährlichen Bekanntschaften von jenen abgehalten, welche man noch ziehen zu können glaubte. Jch vergaß zu fragen, ob eine entschiedene Besserung jenen für bösartiger gehaltenen zu mehrerer Freiheit verhelfen könnte. Das erzählte mir Jndessen mag doch der Zustand der Eingeschränkten leidlich genug seyn, um ihnen nicht lebhafte Wünsche nach Freiheit zu erwecken. Denn Gefangnenwärter, selbst einen Pförtner, hat das Haus nicht. Nur ein Ehepaar von mittlerem Alter, und eine Spinnemeisterin sind es, unter welchen alle Aufsicht und Vorsorge für die ganze Gesellschaft steht. Und diese mögten einem jeden Versuche kühner über ihre Einsperrung unwilliger Züchtlinge schlecht widerstehen können. Die Arbeiten, zu welchen ich sie angehalten sah, waren mannigfaltig, aber insonderheit in der Ab-
So wurden denn auch die schlechten Beispiele und gefaͤhrlichen Bekanntschaften von jenen abgehalten, welche man noch ziehen zu koͤnnen glaubte. Jch vergaß zu fragen, ob eine entschiedene Besserung jenen fuͤr boͤsartiger gehaltenen zu mehrerer Freiheit verhelfen koͤnnte. Das erzaͤhlte mir Jndessen mag doch der Zustand der Eingeschraͤnkten leidlich genug seyn, um ihnen nicht lebhafte Wuͤnsche nach Freiheit zu erwecken. Denn Gefangnenwaͤrter, selbst einen Pfoͤrtner, hat das Haus nicht. Nur ein Ehepaar von mittlerem Alter, und eine Spinnemeisterin sind es, unter welchen alle Aufsicht und Vorsorge fuͤr die ganze Gesellschaft steht. Und diese moͤgten einem jeden Versuche kuͤhner uͤber ihre Einsperrung unwilliger Zuͤchtlinge schlecht widerstehen koͤnnen. Die Arbeiten, zu welchen ich sie angehalten sah, waren mannigfaltig, aber insonderheit in der Ab- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0114" n="114"/><lb/> ten nicht wuͤnschte, waren einige unter den Folgen ihrer Ausschweifungen leidende Weibsbilder versperrt; und in einem andern waͤlzte sich ein an der Seele ganz unheilbarer alter Bettler auf seiner Britsche. </p> <p>So wurden denn auch die schlechten Beispiele und gefaͤhrlichen Bekanntschaften von jenen abgehalten, welche man noch ziehen zu koͤnnen glaubte. Jch vergaß zu fragen, ob eine entschiedene Besserung jenen fuͤr boͤsartiger gehaltenen zu mehrerer Freiheit verhelfen koͤnnte. </p> <p>Das erzaͤhlte mir <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0140"><note type="editorial">Alemann, Wilhelm August</note>Alemann</persName></hi> selbst, daß es ihm auch wohl gelinge, aͤltere zu bessern, insonderheit an dem Beispiele einer dem Trunk ergebenen Frau, die ihr Mann, ein Handwerker, in dieß Haus gethan; nun aber wieder bei sich haͤtte, ohne einige Klage uͤber sie fuͤhren zu duͤrfen. </p> <p>Jndessen mag doch der Zustand der Eingeschraͤnkten leidlich genug seyn, um ihnen nicht lebhafte Wuͤnsche nach Freiheit zu erwecken. Denn <choice><corr>Gefangnenwaͤrter</corr><sic>Gefangenwaͤrter</sic></choice>, selbst einen Pfoͤrtner, hat das Haus nicht. Nur ein Ehepaar von mittlerem Alter, und eine Spinnemeisterin sind es, unter welchen alle Aufsicht und Vorsorge fuͤr die ganze Gesellschaft steht. Und diese moͤgten einem jeden Versuche kuͤhner uͤber ihre Einsperrung unwilliger Zuͤchtlinge schlecht widerstehen koͤnnen. </p> <p>Die Arbeiten, zu welchen ich sie angehalten sah, waren mannigfaltig, aber insonderheit in der Ab-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [114/0114]
ten nicht wuͤnschte, waren einige unter den Folgen ihrer Ausschweifungen leidende Weibsbilder versperrt; und in einem andern waͤlzte sich ein an der Seele ganz unheilbarer alter Bettler auf seiner Britsche.
So wurden denn auch die schlechten Beispiele und gefaͤhrlichen Bekanntschaften von jenen abgehalten, welche man noch ziehen zu koͤnnen glaubte. Jch vergaß zu fragen, ob eine entschiedene Besserung jenen fuͤr boͤsartiger gehaltenen zu mehrerer Freiheit verhelfen koͤnnte.
Das erzaͤhlte mir Alemann selbst, daß es ihm auch wohl gelinge, aͤltere zu bessern, insonderheit an dem Beispiele einer dem Trunk ergebenen Frau, die ihr Mann, ein Handwerker, in dieß Haus gethan; nun aber wieder bei sich haͤtte, ohne einige Klage uͤber sie fuͤhren zu duͤrfen.
Jndessen mag doch der Zustand der Eingeschraͤnkten leidlich genug seyn, um ihnen nicht lebhafte Wuͤnsche nach Freiheit zu erwecken. Denn Gefangnenwaͤrter, selbst einen Pfoͤrtner, hat das Haus nicht. Nur ein Ehepaar von mittlerem Alter, und eine Spinnemeisterin sind es, unter welchen alle Aufsicht und Vorsorge fuͤr die ganze Gesellschaft steht. Und diese moͤgten einem jeden Versuche kuͤhner uͤber ihre Einsperrung unwilliger Zuͤchtlinge schlecht widerstehen koͤnnen.
Die Arbeiten, zu welchen ich sie angehalten sah, waren mannigfaltig, aber insonderheit in der Ab-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/114 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/114>, abgerufen am 05.07.2024. |