Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.
Auch diese beiden verhielten sich so gut, wie der Bruder, ihr Vorsprecher. Jch wollte sie, oder wenigstens einen davon, gerne sehen; aber sie waren schon alle, geschwinder als alle, weil sie so gutartig und bei ihrem Eintritt keine Kinder mehr waren, zu guten Handwerken befördert. Jch muß selbst bezeugen, daß der erste Anblick der jüngern Hausgenossen beiderlei Geschlechts (ich darf sie nicht Züchtlinge nennen) als ich sie sowohl verstreut bei ihren Arbeiten, als nachher auf Einige Neulinge ausgenommen, auf welche die gute Zucht noch nicht gewürkt haben mogte, standen sie da alle Funfzig mit offenem, auf eine gutmüthige Fröhlichkeit deutenden Blick. Diese Zöglinge sind zwar ans Haus gebunden. Aber niemand hütet sie oder sperrt sie ein. Jndessen hat das Haus andere Gäste, die mindere Freiheit genießen. Dieß sind die erwachsenen ältern Bettler beiderlei Geschlechts, insonderheit unzüchtige Weibsleute. Diese arbeiten nach dem Geschlecht abgesondert in Sälen miteinander unter mehrerem Zwange. Jn einem Gemach, welches
Auch diese beiden verhielten sich so gut, wie der Bruder, ihr Vorsprecher. Jch wollte sie, oder wenigstens einen davon, gerne sehen; aber sie waren schon alle, geschwinder als alle, weil sie so gutartig und bei ihrem Eintritt keine Kinder mehr waren, zu guten Handwerken befoͤrdert. Jch muß selbst bezeugen, daß der erste Anblick der juͤngern Hausgenossen beiderlei Geschlechts (ich darf sie nicht Zuͤchtlinge nennen) als ich sie sowohl verstreut bei ihren Arbeiten, als nachher auf Einige Neulinge ausgenommen, auf welche die gute Zucht noch nicht gewuͤrkt haben mogte, standen sie da alle Funfzig mit offenem, auf eine gutmuͤthige Froͤhlichkeit deutenden Blick. Diese Zoͤglinge sind zwar ans Haus gebunden. Aber niemand huͤtet sie oder sperrt sie ein. Jndessen hat das Haus andere Gaͤste, die mindere Freiheit genießen. Dieß sind die erwachsenen aͤltern Bettler beiderlei Geschlechts, insonderheit unzuͤchtige Weibsleute. Diese arbeiten nach dem Geschlecht abgesondert in Saͤlen miteinander unter mehrerem Zwange. Jn einem Gemach, welches <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0113" n="113"/><lb/> habe ich die lauterste Freude so auf dem Gesichte eines Menschen gemahlt gesehen, als in dem Gesichte dieses Burschen. </p> <p>Auch diese beiden verhielten sich so gut, wie der Bruder, ihr Vorsprecher. Jch wollte sie, oder wenigstens einen davon, gerne sehen; aber sie waren schon alle, geschwinder als alle, weil sie so gutartig und bei ihrem Eintritt keine Kinder mehr waren, zu guten Handwerken befoͤrdert. </p> <p>Jch muß selbst bezeugen, daß der erste Anblick der juͤngern Hausgenossen beiderlei Geschlechts (ich darf sie nicht Zuͤchtlinge nennen) als ich sie sowohl verstreut bei ihren Arbeiten, als nachher auf <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0140"><note type="editorial">Alemann, Wilhelm August</note>Alemanns</persName></hi> Befehl alle versammlet sah, etwas Auffallendes fuͤr mich hatte. </p> <p>Einige Neulinge ausgenommen, auf welche die gute Zucht noch nicht gewuͤrkt haben mogte, standen sie da alle Funfzig mit offenem, auf eine gutmuͤthige Froͤhlichkeit deutenden Blick. </p> <p>Diese Zoͤglinge sind zwar ans Haus gebunden. Aber niemand huͤtet sie oder sperrt sie ein. Jndessen hat das Haus andere Gaͤste, die mindere Freiheit genießen. Dieß sind die erwachsenen aͤltern Bettler beiderlei Geschlechts, insonderheit unzuͤchtige Weibsleute. Diese arbeiten nach dem Geschlecht abgesondert in Saͤlen miteinander unter mehrerem Zwange. </p> <p>Jn einem Gemach, welches <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0140"><note type="editorial">Alemann, Wilhelm August</note>Alemann</persName></hi> mir ungern oͤfnen lassen wollte, und ich auch zu betre-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [113/0113]
habe ich die lauterste Freude so auf dem Gesichte eines Menschen gemahlt gesehen, als in dem Gesichte dieses Burschen.
Auch diese beiden verhielten sich so gut, wie der Bruder, ihr Vorsprecher. Jch wollte sie, oder wenigstens einen davon, gerne sehen; aber sie waren schon alle, geschwinder als alle, weil sie so gutartig und bei ihrem Eintritt keine Kinder mehr waren, zu guten Handwerken befoͤrdert.
Jch muß selbst bezeugen, daß der erste Anblick der juͤngern Hausgenossen beiderlei Geschlechts (ich darf sie nicht Zuͤchtlinge nennen) als ich sie sowohl verstreut bei ihren Arbeiten, als nachher auf Alemanns Befehl alle versammlet sah, etwas Auffallendes fuͤr mich hatte.
Einige Neulinge ausgenommen, auf welche die gute Zucht noch nicht gewuͤrkt haben mogte, standen sie da alle Funfzig mit offenem, auf eine gutmuͤthige Froͤhlichkeit deutenden Blick.
Diese Zoͤglinge sind zwar ans Haus gebunden. Aber niemand huͤtet sie oder sperrt sie ein. Jndessen hat das Haus andere Gaͤste, die mindere Freiheit genießen. Dieß sind die erwachsenen aͤltern Bettler beiderlei Geschlechts, insonderheit unzuͤchtige Weibsleute. Diese arbeiten nach dem Geschlecht abgesondert in Saͤlen miteinander unter mehrerem Zwange.
Jn einem Gemach, welches Alemann mir ungern oͤfnen lassen wollte, und ich auch zu betre-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/113>, abgerufen am 05.07.2024. |