Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.
Jch sahe bei der Morgendämmerung alle Gegenstände in meinem Zimmer. Den Anzug des Kranken und das weisse Bette unterschied ich ganz genau, sogar die dunkele Farbe der Vorhänge schien mir einen durch das noch schwache Licht bestimmten Grad der Kenntlichkeit zu haben. Geistererscheinungen könnten doch möglich seyn, gegen deine Ueberzeugungen -- ich will nicht leugnen, daß mich hier einige Furcht anwandelte. -- Aber möglich könnte es doch auch seyn, daß das Bild durch eine fehlerhafte Beschaffenheit der Augennerven hervorgebracht würde? ich hatte mich aufgerichtet, das Fenster und einige andere Gegenstände angesehen; ich hatte die Augen gerieben und wenn ich sie schloß, sahe ich nichts. Vielleicht werden die Augennerven durch das Licht gerade in die Umstände gesetzt? -- die Furcht verlor sich, das Bild wurde blasser, durchsichtig, einige Dinge, die hinter ihm standen, schimmerten durch. Endlich verging es und zwar stückweise -- nachdem es einige Minuten ohngefähr gedauert hatte.
Jch sahe bei der Morgendaͤmmerung alle Gegenstaͤnde in meinem Zimmer. Den Anzug des Kranken und das weisse Bette unterschied ich ganz genau, sogar die dunkele Farbe der Vorhaͤnge schien mir einen durch das noch schwache Licht bestimmten Grad der Kenntlichkeit zu haben. Geistererscheinungen koͤnnten doch moͤglich seyn, gegen deine Ueberzeugungen ― ich will nicht leugnen, daß mich hier einige Furcht anwandelte. ― Aber moͤglich koͤnnte es doch auch seyn, daß das Bild durch eine fehlerhafte Beschaffenheit der Augennerven hervorgebracht wuͤrde? ich hatte mich aufgerichtet, das Fenster und einige andere Gegenstaͤnde angesehen; ich hatte die Augen gerieben und wenn ich sie schloß, sahe ich nichts. Vielleicht werden die Augennerven durch das Licht gerade in die Umstaͤnde gesetzt? ― die Furcht verlor sich, das Bild wurde blasser, durchsichtig, einige Dinge, die hinter ihm standen, schimmerten durch. Endlich verging es und zwar stuͤckweise ― nachdem es einige Minuten ohngefaͤhr gedauert hatte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0011" n="11"/><lb/> Bette des schlafenden Kranken, es machte mit dem meinigen zu den Fuͤssen einen rechten Winkel. Jch fragte mich, ob ich traͤumte, verwarf das aber sogleich, weil ich ohne alle Vorstellungen geschlafen hatte. </p> <p>Jch sahe bei der Morgendaͤmmerung alle Gegenstaͤnde in meinem Zimmer. Den Anzug des Kranken und das weisse Bette unterschied ich ganz genau, sogar die dunkele Farbe der Vorhaͤnge schien mir einen durch das noch schwache Licht bestimmten Grad der Kenntlichkeit zu haben. </p> <p>Geistererscheinungen koͤnnten doch moͤglich seyn, gegen deine Ueberzeugungen ― ich will nicht leugnen, daß mich hier einige Furcht anwandelte. ― Aber moͤglich koͤnnte es doch auch seyn, daß das Bild durch eine fehlerhafte Beschaffenheit der Augennerven hervorgebracht wuͤrde? ich hatte mich aufgerichtet, das Fenster und einige andere Gegenstaͤnde angesehen; ich hatte die Augen gerieben und wenn ich sie schloß, sahe ich nichts. </p> <p>Vielleicht werden die Augennerven durch das Licht gerade in die Umstaͤnde gesetzt? ― die Furcht verlor sich, das Bild wurde blasser, durchsichtig, einige Dinge, die hinter ihm standen, schimmerten durch. Endlich verging es und zwar stuͤckweise ― nachdem es einige Minuten ohngefaͤhr gedauert hatte. </p> <p rendition="#right"> <hi rendition="#b"> <persName ref="#ref0159"><note type="editorial">Dunker</note>D. Dunker.</persName> </hi> </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [11/0011]
Bette des schlafenden Kranken, es machte mit dem meinigen zu den Fuͤssen einen rechten Winkel. Jch fragte mich, ob ich traͤumte, verwarf das aber sogleich, weil ich ohne alle Vorstellungen geschlafen hatte.
Jch sahe bei der Morgendaͤmmerung alle Gegenstaͤnde in meinem Zimmer. Den Anzug des Kranken und das weisse Bette unterschied ich ganz genau, sogar die dunkele Farbe der Vorhaͤnge schien mir einen durch das noch schwache Licht bestimmten Grad der Kenntlichkeit zu haben.
Geistererscheinungen koͤnnten doch moͤglich seyn, gegen deine Ueberzeugungen ― ich will nicht leugnen, daß mich hier einige Furcht anwandelte. ― Aber moͤglich koͤnnte es doch auch seyn, daß das Bild durch eine fehlerhafte Beschaffenheit der Augennerven hervorgebracht wuͤrde? ich hatte mich aufgerichtet, das Fenster und einige andere Gegenstaͤnde angesehen; ich hatte die Augen gerieben und wenn ich sie schloß, sahe ich nichts.
Vielleicht werden die Augennerven durch das Licht gerade in die Umstaͤnde gesetzt? ― die Furcht verlor sich, das Bild wurde blasser, durchsichtig, einige Dinge, die hinter ihm standen, schimmerten durch. Endlich verging es und zwar stuͤckweise ― nachdem es einige Minuten ohngefaͤhr gedauert hatte.
D. Dunker.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/11 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/11>, abgerufen am 05.07.2024. |