Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784.
Heute Nachmittag aber, schien es, als ob er mit verschlossenen Augen sahe. Er sagte nemlich, es schneiet, da es wirklich schneite. Und als man, um sich zu überzeugen, ob er wirklich sähe, ihn fragte, ob er sonst noch etwas sähe, sagte er, daß der Besitzer des gegenüberstehenden Hauses am Fenster stehe, und das Hüte (der Studenten im Auditorio) am Fenster hiengen. Es war alles so. Aber ich bin, indem ich dieses schreibe, noch nicht gewiß, ob er nicht das Schneien wußte, weil er es gehört hatte, und das andere, weil es etwas gewöhnliches war, nur vermuthete und in der Einbildung vor sich hatte. Verschiedenemale hat er Briefe in diesem unnatürlichen Schlafe geschrieben. Heute noch einen an mich über einen moralischen Gegenstand. Uebermäßige Anstrengung im Studieren, und eine sehr lebhafte Jmagination ist mir von ihm wohl bekannt. Auch sagte mir sein ältester Herr Bruder, daß er schon in seiner frühen Jugend einigemale starke Anfälle von Schlafwandlungen hatte. Er erwachte in diesen Tagen bisweilen so weit, daß er zu essen verlangte; schlief aber gewöhnlich mitten im Essen wieder ein.
Heute Nachmittag aber, schien es, als ob er mit verschlossenen Augen sahe. Er sagte nemlich, es schneiet, da es wirklich schneite. Und als man, um sich zu uͤberzeugen, ob er wirklich saͤhe, ihn fragte, ob er sonst noch etwas saͤhe, sagte er, daß der Besitzer des gegenuͤberstehenden Hauses am Fenster stehe, und das Huͤte (der Studenten im Auditorio) am Fenster hiengen. Es war alles so. Aber ich bin, indem ich dieses schreibe, noch nicht gewiß, ob er nicht das Schneien wußte, weil er es gehoͤrt hatte, und das andere, weil es etwas gewoͤhnliches war, nur vermuthete und in der Einbildung vor sich hatte. Verschiedenemale hat er Briefe in diesem unnatuͤrlichen Schlafe geschrieben. Heute noch einen an mich uͤber einen moralischen Gegenstand. Uebermaͤßige Anstrengung im Studieren, und eine sehr lebhafte Jmagination ist mir von ihm wohl bekannt. Auch sagte mir sein aͤltester Herr Bruder, daß er schon in seiner fruͤhen Jugend einigemale starke Anfaͤlle von Schlafwandlungen hatte. Er erwachte in diesen Tagen bisweilen so weit, daß er zu essen verlangte; schlief aber gewoͤhnlich mitten im Essen wieder ein. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0088" n="88"/><lb/> brannte; und kam wirklich mit einem brennenden Schwefelhoͤlzchen zu diesem Licht hin, und hielt es, um dieses anzuzuͤnden, mitten in die Flamme.</p> <p>Heute Nachmittag aber, schien es, als ob er mit verschlossenen Augen sahe. Er sagte nemlich, es schneiet, da es wirklich schneite. Und als man, um sich zu uͤberzeugen, ob er wirklich saͤhe, ihn fragte, ob er sonst noch etwas saͤhe, sagte er, daß der Besitzer des gegenuͤberstehenden Hauses am Fenster stehe, und das Huͤte (der Studenten im Auditorio) am Fenster hiengen.</p> <p>Es war alles so. Aber ich bin, <hi rendition="#b">indem ich dieses schreibe,</hi> noch nicht gewiß, ob er nicht das Schneien wußte, weil er es gehoͤrt hatte, und das andere, weil es etwas gewoͤhnliches war, nur vermuthete und in der Einbildung vor sich hatte.</p> <p>Verschiedenemale hat er Briefe in diesem unnatuͤrlichen Schlafe geschrieben. Heute noch einen an mich uͤber einen moralischen Gegenstand.</p> <p>Uebermaͤßige Anstrengung im Studieren, und eine sehr lebhafte Jmagination ist mir von ihm wohl bekannt. Auch sagte mir sein aͤltester Herr Bruder, daß er schon in seiner fruͤhen Jugend einigemale starke Anfaͤlle von Schlafwandlungen hatte.</p> <p>Er erwachte in diesen Tagen bisweilen so weit, daß er zu essen verlangte; schlief aber gewoͤhnlich mitten im Essen wieder ein.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0088]
brannte; und kam wirklich mit einem brennenden Schwefelhoͤlzchen zu diesem Licht hin, und hielt es, um dieses anzuzuͤnden, mitten in die Flamme.
Heute Nachmittag aber, schien es, als ob er mit verschlossenen Augen sahe. Er sagte nemlich, es schneiet, da es wirklich schneite. Und als man, um sich zu uͤberzeugen, ob er wirklich saͤhe, ihn fragte, ob er sonst noch etwas saͤhe, sagte er, daß der Besitzer des gegenuͤberstehenden Hauses am Fenster stehe, und das Huͤte (der Studenten im Auditorio) am Fenster hiengen.
Es war alles so. Aber ich bin, indem ich dieses schreibe, noch nicht gewiß, ob er nicht das Schneien wußte, weil er es gehoͤrt hatte, und das andere, weil es etwas gewoͤhnliches war, nur vermuthete und in der Einbildung vor sich hatte.
Verschiedenemale hat er Briefe in diesem unnatuͤrlichen Schlafe geschrieben. Heute noch einen an mich uͤber einen moralischen Gegenstand.
Uebermaͤßige Anstrengung im Studieren, und eine sehr lebhafte Jmagination ist mir von ihm wohl bekannt. Auch sagte mir sein aͤltester Herr Bruder, daß er schon in seiner fruͤhen Jugend einigemale starke Anfaͤlle von Schlafwandlungen hatte.
Er erwachte in diesen Tagen bisweilen so weit, daß er zu essen verlangte; schlief aber gewoͤhnlich mitten im Essen wieder ein.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |