Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784.Er hatte auf mein Ersuchen sich zu Bette gelegt, und bisher kein Wort noch gesprochen. Weil ich erfahren hatte, daß er seit einigen Tagen keine Arzenei eingenommen, und daß er gar keine mehr einnehmen wolle, suchte ich ihn dazu zu bereden. O ne, war da sein erstes Wort. Wobei er sich etwas verdrießlich herumlegte, und tief zu schlafen schien. Nach einiger Zeit fing ich wieder von der Medicin an, sagte, daß wenn ich krank bin, ich den Aerzten folge, daß er dieß doch auch thun sollte. Darauf versetzte er: wenn Sie mir Gründe sagen, thue ichs auch; und so unterredeten wir uns über dieß Thema weiter fort, wie vernünftige Leute bei verschiedenen Meinungen thun. Er blieb dabei: die Aerzte verstehen seine Krankheit nicht; und es sey gefährlich für ihn, ihnen zu folgen. Er hat hernach gegen andere geäußert, daß er befürchte, durch Erbrechungen, wozu ihm Arznei gegeben werden sollte, sein Gesicht zu verlieren. Einmal schlug er sich heftig vor den Kopf; und einmal wollte er auf einen umgekehrten Stuhl treten, und dann auf eine Kommode hinaufsteigen, wobei er in Gefahr war, das Bein zu brechen. Dieß ist das einzige Ungeschickte, was er in meiner Gegenwart gethan hat. Daß er nichts sehen konnte, erhellet aus allen Umständen. Auch bei andern Auftritten bemerkte man dieß. Er schlug z.B. einmal Feuer, um ein Licht anzuzünden, da dasselbe schon im Zimmer Er hatte auf mein Ersuchen sich zu Bette gelegt, und bisher kein Wort noch gesprochen. Weil ich erfahren hatte, daß er seit einigen Tagen keine Arzenei eingenommen, und daß er gar keine mehr einnehmen wolle, suchte ich ihn dazu zu bereden. O ne, war da sein erstes Wort. Wobei er sich etwas verdrießlich herumlegte, und tief zu schlafen schien. Nach einiger Zeit fing ich wieder von der Medicin an, sagte, daß wenn ich krank bin, ich den Aerzten folge, daß er dieß doch auch thun sollte. Darauf versetzte er: wenn Sie mir Gruͤnde sagen, thue ichs auch; und so unterredeten wir uns uͤber dieß Thema weiter fort, wie vernuͤnftige Leute bei verschiedenen Meinungen thun. Er blieb dabei: die Aerzte verstehen seine Krankheit nicht; und es sey gefaͤhrlich fuͤr ihn, ihnen zu folgen. Er hat hernach gegen andere geaͤußert, daß er befuͤrchte, durch Erbrechungen, wozu ihm Arznei gegeben werden sollte, sein Gesicht zu verlieren. Einmal schlug er sich heftig vor den Kopf; und einmal wollte er auf einen umgekehrten Stuhl treten, und dann auf eine Kommode hinaufsteigen, wobei er in Gefahr war, das Bein zu brechen. Dieß ist das einzige Ungeschickte, was er in meiner Gegenwart gethan hat. Daß er nichts sehen konnte, erhellet aus allen Umstaͤnden. Auch bei andern Auftritten bemerkte man dieß. Er schlug z.B. einmal Feuer, um ein Licht anzuzuͤnden, da dasselbe schon im Zimmer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0087" n="87"/><lb/> <p>Er hatte auf mein Ersuchen sich zu Bette gelegt, und <hi rendition="#b">bisher kein Wort noch gesprochen.</hi> Weil ich erfahren hatte, daß er seit einigen Tagen keine Arzenei eingenommen, und daß er gar keine mehr einnehmen wolle, suchte ich ihn dazu zu bereden.</p> <p><hi rendition="#b">O ne,</hi> war da sein erstes Wort. Wobei er sich etwas verdrießlich herumlegte, und tief zu schlafen schien. Nach einiger Zeit fing ich wieder von der Medicin an, sagte, daß wenn ich krank bin, ich den Aerzten folge, daß er dieß doch auch thun sollte.</p> <p>Darauf versetzte er: wenn Sie mir Gruͤnde sagen, thue ichs auch; und so unterredeten wir uns uͤber dieß Thema weiter fort, wie vernuͤnftige Leute bei verschiedenen Meinungen thun. Er blieb dabei: die Aerzte verstehen seine Krankheit nicht; und es sey gefaͤhrlich fuͤr ihn, ihnen zu folgen.</p> <p>Er hat hernach gegen andere geaͤußert, daß er befuͤrchte, durch Erbrechungen, wozu ihm Arznei gegeben werden sollte, sein Gesicht zu verlieren.</p> <p>Einmal schlug er sich heftig vor den Kopf; und einmal wollte er auf einen umgekehrten Stuhl treten, und dann auf eine Kommode hinaufsteigen, wobei er in Gefahr war, das Bein zu brechen. Dieß ist das einzige Ungeschickte, was er in meiner Gegenwart gethan hat.</p> <p>Daß er nichts sehen konnte, erhellet aus allen Umstaͤnden. Auch bei andern Auftritten bemerkte man dieß. Er schlug z.B. einmal Feuer, um ein Licht anzuzuͤnden, da dasselbe schon im Zimmer<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [87/0087]
Er hatte auf mein Ersuchen sich zu Bette gelegt, und bisher kein Wort noch gesprochen. Weil ich erfahren hatte, daß er seit einigen Tagen keine Arzenei eingenommen, und daß er gar keine mehr einnehmen wolle, suchte ich ihn dazu zu bereden.
O ne, war da sein erstes Wort. Wobei er sich etwas verdrießlich herumlegte, und tief zu schlafen schien. Nach einiger Zeit fing ich wieder von der Medicin an, sagte, daß wenn ich krank bin, ich den Aerzten folge, daß er dieß doch auch thun sollte.
Darauf versetzte er: wenn Sie mir Gruͤnde sagen, thue ichs auch; und so unterredeten wir uns uͤber dieß Thema weiter fort, wie vernuͤnftige Leute bei verschiedenen Meinungen thun. Er blieb dabei: die Aerzte verstehen seine Krankheit nicht; und es sey gefaͤhrlich fuͤr ihn, ihnen zu folgen.
Er hat hernach gegen andere geaͤußert, daß er befuͤrchte, durch Erbrechungen, wozu ihm Arznei gegeben werden sollte, sein Gesicht zu verlieren.
Einmal schlug er sich heftig vor den Kopf; und einmal wollte er auf einen umgekehrten Stuhl treten, und dann auf eine Kommode hinaufsteigen, wobei er in Gefahr war, das Bein zu brechen. Dieß ist das einzige Ungeschickte, was er in meiner Gegenwart gethan hat.
Daß er nichts sehen konnte, erhellet aus allen Umstaͤnden. Auch bei andern Auftritten bemerkte man dieß. Er schlug z.B. einmal Feuer, um ein Licht anzuzuͤnden, da dasselbe schon im Zimmer
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/87>, abgerufen am 26.07.2024. |