Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784.
Bei der Gelegenheit nahm er noch einmal meine deutsche Logik und Metaphisik, schlug mit einemmale das Blatt auf, wo das Kapitel von der unendlichen Substanz anfängt, und zeigte mit dem Finger auf diese Ueberschrift. Nun wollte er dieß Buch in die Schlafkammer tragen, stieß aber so gewaltig gegen die Thür, daß er sich die Hand verwundete; worüber er durch stumme Zeichen Schmerz zu erkennen gab. Jch wünschte Eau de Lavande oder Englisch Pflaster zu haben, um seinen Schmerz zu heilen; man schickte aus nach dergleichen, als aber die Nachricht zurückkam, daß nichts zu haben, zog er seine Uhr aus der Tasche, nahm da Englisch Pflaster heraus, und ließ sich von mir seine kleine Wunde damit zudecken.
Bei der Gelegenheit nahm er noch einmal meine deutsche Logik und Metaphisik, schlug mit einemmale das Blatt auf, wo das Kapitel von der unendlichen Substanz anfaͤngt, und zeigte mit dem Finger auf diese Ueberschrift. Nun wollte er dieß Buch in die Schlafkammer tragen, stieß aber so gewaltig gegen die Thuͤr, daß er sich die Hand verwundete; woruͤber er durch stumme Zeichen Schmerz zu erkennen gab. Jch wuͤnschte Eau de Lavande oder Englisch Pflaster zu haben, um seinen Schmerz zu heilen; man schickte aus nach dergleichen, als aber die Nachricht zuruͤckkam, daß nichts zu haben, zog er seine Uhr aus der Tasche, nahm da Englisch Pflaster heraus, und ließ sich von mir seine kleine Wunde damit zudecken. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0086" n="86"/><lb/> Er antwortete nicht, ging aber vor den Schreibtisch, und fing einen Brief an seinen Bruder an zu schreiben. Da keine Dinte mehr in der Feder war, schrieb er demohngeachtet zwei bis drei Zeilen fort, weil er den Mangel der Dinte nicht bemerkte. Jch sagte ihm alsdann, daß die Feder keine Dinte mehr habe; er tunkte sie wieder ein, und schrieb noch einige Worte zum Schluß, alles gerade leserlich und vernuͤnftig. Nun fehlte es an Streusand, er fuͤhlte darnach herum. Als man ihm sagte, daß keiner vorhanden: schloß er eine andere Kommode auf, wo noch ein Schreibzeug mit einer Sandbuͤchse war, und bediente sich derselben.</p> <p>Bei der Gelegenheit nahm er noch einmal meine deutsche Logik und Metaphisik, schlug mit einemmale das Blatt auf, wo das Kapitel <hi rendition="#b">von der unendlichen Substanz</hi> anfaͤngt, und zeigte mit dem Finger auf diese Ueberschrift.</p> <p>Nun wollte er dieß Buch in die Schlafkammer tragen, stieß aber so gewaltig gegen die Thuͤr, daß er sich die Hand verwundete; woruͤber er durch stumme Zeichen Schmerz zu erkennen gab.</p> <p>Jch wuͤnschte Eau de Lavande oder Englisch Pflaster zu haben, um seinen Schmerz zu heilen; man schickte aus nach dergleichen, als aber die Nachricht zuruͤckkam, daß nichts zu haben, zog er seine Uhr aus der Tasche, nahm da Englisch Pflaster heraus, und ließ sich von mir seine kleine Wunde damit zudecken.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [86/0086]
Er antwortete nicht, ging aber vor den Schreibtisch, und fing einen Brief an seinen Bruder an zu schreiben. Da keine Dinte mehr in der Feder war, schrieb er demohngeachtet zwei bis drei Zeilen fort, weil er den Mangel der Dinte nicht bemerkte. Jch sagte ihm alsdann, daß die Feder keine Dinte mehr habe; er tunkte sie wieder ein, und schrieb noch einige Worte zum Schluß, alles gerade leserlich und vernuͤnftig. Nun fehlte es an Streusand, er fuͤhlte darnach herum. Als man ihm sagte, daß keiner vorhanden: schloß er eine andere Kommode auf, wo noch ein Schreibzeug mit einer Sandbuͤchse war, und bediente sich derselben.
Bei der Gelegenheit nahm er noch einmal meine deutsche Logik und Metaphisik, schlug mit einemmale das Blatt auf, wo das Kapitel von der unendlichen Substanz anfaͤngt, und zeigte mit dem Finger auf diese Ueberschrift.
Nun wollte er dieß Buch in die Schlafkammer tragen, stieß aber so gewaltig gegen die Thuͤr, daß er sich die Hand verwundete; woruͤber er durch stumme Zeichen Schmerz zu erkennen gab.
Jch wuͤnschte Eau de Lavande oder Englisch Pflaster zu haben, um seinen Schmerz zu heilen; man schickte aus nach dergleichen, als aber die Nachricht zuruͤckkam, daß nichts zu haben, zog er seine Uhr aus der Tasche, nahm da Englisch Pflaster heraus, und ließ sich von mir seine kleine Wunde damit zudecken.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/86>, abgerufen am 26.07.2024. |