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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784.

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diese Wörter bald, und samt manchen Begriffen, wieder bei ihnen verschwinden und in die Vergessenheit übergehen müssen.

Die physische Ursache, warum bei Taubstummen die Begriffe, durch Schriftsprache allein, von keiner langen Dauer seyn können, liegt in der Jrregularität und unendlich verschiedenen, abwechselnden Zusammenfügung und Darstellung der Wörter, die, nicht allein für Taubstumme, sehr schwer zu lernen sind, sondern auch, weil sie im Gedächtniß keinen festen Fuß fassen können, bald wieder verlöschen müssen, wie wir gleich sehen werden.

Es ist Vorurtheil, wenn man glaubt, daß der Sinn des Gesichts, bei Taubstummen, im Denken, den Sinn des Gehörs, durch Schriftsprache, vertrete. Durch das Gesicht erlangen wir zwar immer Abdrücke von Farben, Gestalten und Flächen, die sich nachher auch abwesend in unsrer Einbildungskraft darstellen, man glaube aber ja nicht, wenn sich Wörter auf dem Papier vorstellen lassen, daß sie auch abwesend, in uns, vorstellbar seyn müßten. Nein, dieß folgt keinesweges: die geschriebenen oder gedruckten Wörter gleichen zusammen geworfenen Fliegen oder Spinnenfüssen, sie sind keine Figuren, die sich abwesend in unsrer Einbildungskraft darstellen oder denken lassen und kaum können wir einzelne Buchstaben subjektivisch, mit Stetigkeit in uns, vorstellen.



diese Woͤrter bald, und samt manchen Begriffen, wieder bei ihnen verschwinden und in die Vergessenheit uͤbergehen muͤssen.

Die physische Ursache, warum bei Taubstummen die Begriffe, durch Schriftsprache allein, von keiner langen Dauer seyn koͤnnen, liegt in der Jrregularitaͤt und unendlich verschiedenen, abwechselnden Zusammenfuͤgung und Darstellung der Woͤrter, die, nicht allein fuͤr Taubstumme, sehr schwer zu lernen sind, sondern auch, weil sie im Gedaͤchtniß keinen festen Fuß fassen koͤnnen, bald wieder verloͤschen muͤssen, wie wir gleich sehen werden.

Es ist Vorurtheil, wenn man glaubt, daß der Sinn des Gesichts, bei Taubstummen, im Denken, den Sinn des Gehoͤrs, durch Schriftsprache, vertrete. Durch das Gesicht erlangen wir zwar immer Abdruͤcke von Farben, Gestalten und Flaͤchen, die sich nachher auch abwesend in unsrer Einbildungskraft darstellen, man glaube aber ja nicht, wenn sich Woͤrter auf dem Papier vorstellen lassen, daß sie auch abwesend, in uns, vorstellbar seyn muͤßten. Nein, dieß folgt keinesweges: die geschriebenen oder gedruckten Woͤrter gleichen zusammen geworfenen Fliegen oder Spinnenfuͤssen, sie sind keine Figuren, die sich abwesend in unsrer Einbildungskraft darstellen oder denken lassen und kaum koͤnnen wir einzelne Buchstaben subjektivisch, mit Stetigkeit in uns, vorstellen.


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[67/0067] diese Woͤrter bald, und samt manchen Begriffen, wieder bei ihnen verschwinden und in die Vergessenheit uͤbergehen muͤssen. Die physische Ursache, warum bei Taubstummen die Begriffe, durch Schriftsprache allein, von keiner langen Dauer seyn koͤnnen, liegt in der Jrregularitaͤt und unendlich verschiedenen, abwechselnden Zusammenfuͤgung und Darstellung der Woͤrter, die, nicht allein fuͤr Taubstumme, sehr schwer zu lernen sind, sondern auch, weil sie im Gedaͤchtniß keinen festen Fuß fassen koͤnnen, bald wieder verloͤschen muͤssen, wie wir gleich sehen werden. Es ist Vorurtheil, wenn man glaubt, daß der Sinn des Gesichts, bei Taubstummen, im Denken, den Sinn des Gehoͤrs, durch Schriftsprache, vertrete. Durch das Gesicht erlangen wir zwar immer Abdruͤcke von Farben, Gestalten und Flaͤchen, die sich nachher auch abwesend in unsrer Einbildungskraft darstellen, man glaube aber ja nicht, wenn sich Woͤrter auf dem Papier vorstellen lassen, daß sie auch abwesend, in uns, vorstellbar seyn muͤßten. Nein, dieß folgt keinesweges: die geschriebenen oder gedruckten Woͤrter gleichen zusammen geworfenen Fliegen oder Spinnenfuͤssen, sie sind keine Figuren, die sich abwesend in unsrer Einbildungskraft darstellen oder denken lassen und kaum koͤnnen wir einzelne Buchstaben subjektivisch, mit Stetigkeit in uns, vorstellen.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/67>, abgerufen am 21.11.2024.