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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784.

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Den andern Morgen vor Tagesanbruch ging es schon wieder fort, über Peine und Fecheln nach Braunschweig zu; vor Fecheln nahmen die Fuhrleute einen andern Weg, und nun mußte zu Fuße gegangen werden.

Je mehr sie sich Braunschweig näherten, war Antons Herz voll Erwartung, wie seine Beine voll Ermüdung.

Der Andreasthurm ragte mit seiner rothen Kuppel majestätisch hervor. Es war gegen Abend, Anton sahe in der Ferne die Schildwachen auf dem hohen Walle hin und her gehen.

Tausend Vorstellungen, wie sein künftiger Wohlthäter aussehen, wie sein Alter, sein Gang, seine Miene seyn werde, stiegen in ihm auf und verschwanden wieder.

Er setzte endlich von demselben ein so schönes Bild zusammen, daß er ihn schon im Voraus liebte.

Ueberhaupt pflegte Anton in seiner Kindheit durch den Klang der eignen Nahmen von Personen oder Städten zu eignen Bildern und Vorstellungen von den dadurch bezeichneten Gegenständen veranlaßt zu werden.

Die Höhe oder Tiefe der Vokale in einem solchen Nahmen trug zur Bestimmung des Bildes das meiste bei.

So klang der Nahme Hannover beständig prächtig in seinen Ohren, und ehe er es sahe, war es ihm ein Ort mit hohen Häusern und Thürmen,


Den andern Morgen vor Tagesanbruch ging es schon wieder fort, uͤber Peine und Fecheln nach Braunschweig zu; vor Fecheln nahmen die Fuhrleute einen andern Weg, und nun mußte zu Fuße gegangen werden.

Je mehr sie sich Braunschweig naͤherten, war Antons Herz voll Erwartung, wie seine Beine voll Ermuͤdung.

Der Andreasthurm ragte mit seiner rothen Kuppel majestaͤtisch hervor. Es war gegen Abend, Anton sahe in der Ferne die Schildwachen auf dem hohen Walle hin und her gehen.

Tausend Vorstellungen, wie sein kuͤnftiger Wohlthaͤter aussehen, wie sein Alter, sein Gang, seine Miene seyn werde, stiegen in ihm auf und verschwanden wieder.

Er setzte endlich von demselben ein so schoͤnes Bild zusammen, daß er ihn schon im Voraus liebte.

Ueberhaupt pflegte Anton in seiner Kindheit durch den Klang der eignen Nahmen von Personen oder Staͤdten zu eignen Bildern und Vorstellungen von den dadurch bezeichneten Gegenstaͤnden veranlaßt zu werden.

Die Hoͤhe oder Tiefe der Vokale in einem solchen Nahmen trug zur Bestimmung des Bildes das meiste bei.

So klang der Nahme Hannover bestaͤndig praͤchtig in seinen Ohren, und ehe er es sahe, war es ihm ein Ort mit hohen Haͤusern und Thuͤrmen,

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[33/0033] Den andern Morgen vor Tagesanbruch ging es schon wieder fort, uͤber Peine und Fecheln nach Braunschweig zu; vor Fecheln nahmen die Fuhrleute einen andern Weg, und nun mußte zu Fuße gegangen werden. Je mehr sie sich Braunschweig naͤherten, war Antons Herz voll Erwartung, wie seine Beine voll Ermuͤdung. Der Andreasthurm ragte mit seiner rothen Kuppel majestaͤtisch hervor. Es war gegen Abend, Anton sahe in der Ferne die Schildwachen auf dem hohen Walle hin und her gehen. Tausend Vorstellungen, wie sein kuͤnftiger Wohlthaͤter aussehen, wie sein Alter, sein Gang, seine Miene seyn werde, stiegen in ihm auf und verschwanden wieder. Er setzte endlich von demselben ein so schoͤnes Bild zusammen, daß er ihn schon im Voraus liebte. Ueberhaupt pflegte Anton in seiner Kindheit durch den Klang der eignen Nahmen von Personen oder Staͤdten zu eignen Bildern und Vorstellungen von den dadurch bezeichneten Gegenstaͤnden veranlaßt zu werden. Die Hoͤhe oder Tiefe der Vokale in einem solchen Nahmen trug zur Bestimmung des Bildes das meiste bei. So klang der Nahme Hannover bestaͤndig praͤchtig in seinen Ohren, und ehe er es sahe, war es ihm ein Ort mit hohen Haͤusern und Thuͤrmen,

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/33>, abgerufen am 21.11.2024.