Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784.
Hierüber wäre freilich nichts zu sagen, wenn nur Antons Eltern nicht mehr hätten thun können. Allein die beständige Zwietracht brachte, bei einer mehr als hinlänglichen Einnahme für Leute von ihrem Stande, dennoch ihre Wirthschaft so in Unordnung, daß sie nie etwas für sich oder ihre Kinder erübrigen konnten, und doch dabei nur ein kümmerliches Leben führten. Der erwünschte Tag zur Abreise war endlich da. Anton nahm von seiner Mutter, und von seinen beiden Brüdern abschied, wovon der ältere Christian fünf Jahr, und der jüngere Simon, der nach dem Hutmacher L.. genannt war, kaum ein Jahr alt seyn mochte. Sein Vater reißte mit ihm, und es ging nun halb zu Fuße halb zu Wagen, mit einer wohlfeilen Gelegenheit fort. Antons Vater war nehmlich mit Fuhrleuten, die des Weges nach Braunschweig Kohlen brachten, um ein geringes einig geworden, daß er und sein Sohn sich zuweilen aufsetzen durften, wenn sie müde waren. Anton genoß nun zum erstenmale in seinem Leben das Vergnügen, zu wandern, welches ihm in der Zukunft mehr wie zu häufig aufgespart war. Sie schliefen die Nacht in einem Dorfe mit den Fuhrleuten auf der Streu.
Hieruͤber waͤre freilich nichts zu sagen, wenn nur Antons Eltern nicht mehr haͤtten thun koͤnnen. Allein die bestaͤndige Zwietracht brachte, bei einer mehr als hinlaͤnglichen Einnahme fuͤr Leute von ihrem Stande, dennoch ihre Wirthschaft so in Unordnung, daß sie nie etwas fuͤr sich oder ihre Kinder eruͤbrigen konnten, und doch dabei nur ein kuͤmmerliches Leben fuͤhrten. Der erwuͤnschte Tag zur Abreise war endlich da. Anton nahm von seiner Mutter, und von seinen beiden Bruͤdern abschied, wovon der aͤltere Christian fuͤnf Jahr, und der juͤngere Simon, der nach dem Hutmacher L.. genannt war, kaum ein Jahr alt seyn mochte. Sein Vater reißte mit ihm, und es ging nun halb zu Fuße halb zu Wagen, mit einer wohlfeilen Gelegenheit fort. Antons Vater war nehmlich mit Fuhrleuten, die des Weges nach Braunschweig Kohlen brachten, um ein geringes einig geworden, daß er und sein Sohn sich zuweilen aufsetzen durften, wenn sie muͤde waren. Anton genoß nun zum erstenmale in seinem Leben das Vergnuͤgen, zu wandern, welches ihm in der Zukunft mehr wie zu haͤufig aufgespart war. Sie schliefen die Nacht in einem Dorfe mit den Fuhrleuten auf der Streu. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0032" n="32"/><lb/> so waͤre er wie ein Bettelknabe nach Braunschweig gekommen.</p> <p>Hieruͤber waͤre freilich nichts zu sagen, wenn nur Antons Eltern nicht mehr haͤtten thun koͤnnen. Allein die bestaͤndige Zwietracht brachte, bei einer mehr als hinlaͤnglichen Einnahme fuͤr Leute von ihrem Stande, dennoch ihre Wirthschaft so in Unordnung, daß sie nie etwas fuͤr sich oder ihre Kinder eruͤbrigen konnten, und doch dabei nur ein kuͤmmerliches Leben fuͤhrten.</p> <p>Der erwuͤnschte Tag zur Abreise war endlich da. Anton nahm von seiner Mutter, und von seinen beiden Bruͤdern abschied, wovon der aͤltere Christian fuͤnf Jahr, und der juͤngere Simon, der nach dem Hutmacher L.. genannt war, kaum ein Jahr alt seyn mochte.</p> <p>Sein Vater reißte mit ihm, und es ging nun halb zu Fuße halb zu Wagen, mit einer wohlfeilen Gelegenheit fort.</p> <p>Antons Vater war nehmlich mit Fuhrleuten, die des Weges nach Braunschweig Kohlen brachten, um ein geringes einig geworden, daß er und sein Sohn sich zuweilen aufsetzen durften, wenn sie muͤde waren.</p> <p>Anton genoß nun zum erstenmale in seinem Leben das Vergnuͤgen, zu wandern, welches ihm in der Zukunft mehr wie zu haͤufig aufgespart war.</p> <p>Sie schliefen die Nacht in einem Dorfe mit den Fuhrleuten auf der Streu.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [32/0032]
so waͤre er wie ein Bettelknabe nach Braunschweig gekommen.
Hieruͤber waͤre freilich nichts zu sagen, wenn nur Antons Eltern nicht mehr haͤtten thun koͤnnen. Allein die bestaͤndige Zwietracht brachte, bei einer mehr als hinlaͤnglichen Einnahme fuͤr Leute von ihrem Stande, dennoch ihre Wirthschaft so in Unordnung, daß sie nie etwas fuͤr sich oder ihre Kinder eruͤbrigen konnten, und doch dabei nur ein kuͤmmerliches Leben fuͤhrten.
Der erwuͤnschte Tag zur Abreise war endlich da. Anton nahm von seiner Mutter, und von seinen beiden Bruͤdern abschied, wovon der aͤltere Christian fuͤnf Jahr, und der juͤngere Simon, der nach dem Hutmacher L.. genannt war, kaum ein Jahr alt seyn mochte.
Sein Vater reißte mit ihm, und es ging nun halb zu Fuße halb zu Wagen, mit einer wohlfeilen Gelegenheit fort.
Antons Vater war nehmlich mit Fuhrleuten, die des Weges nach Braunschweig Kohlen brachten, um ein geringes einig geworden, daß er und sein Sohn sich zuweilen aufsetzen durften, wenn sie muͤde waren.
Anton genoß nun zum erstenmale in seinem Leben das Vergnuͤgen, zu wandern, welches ihm in der Zukunft mehr wie zu haͤufig aufgespart war.
Sie schliefen die Nacht in einem Dorfe mit den Fuhrleuten auf der Streu.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/32 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/32>, abgerufen am 05.07.2024. |