Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784.
Sein Vater reißte diesen Sommer wieder nach P.., und Anton schrieb ihm, wie schlecht es mit dem Selbstbessern vorwärts ginge, und daß er sich wohl darinn geirrt habe, weil die göttliche Gnade doch alles thun müsse. Seine Mutter hielt diesen ganzen Brief für Heuchelei, wie er denn wirklich nicht ganz davon frei seyn mochte, und schrieb eigenhändig darunter: Anton führt sich auf, wie alle gottlose Buben. Nun war er sich doch eines wirklichen Kampfes mit sich selbst bewußt, und es mußte also äusserst kränkend für ihn seyn, daß er mit allen gottlosen Buben in eine Klasse geworfen wurde. Dieß schlug ihn so sehr nieder, daß er nun wirklich eine Zeitlang wieder ausschweifte, und sich muthwillig mit wilden Buben abgab; worinn er denn durch das Schelten, und sogenannte Predigen seiner Mutter noch immer mehr bestärkt wurde: denn dieß setzte ihn immer noch tiefer herab, so daß er sich oft am Ende selbst für nichts mehr, als einen gemeinen Gassenbuben hielt, und nun um desto eher wieder Gemeinschaft mit ihnen machte. Dieß dauerte, bis sein Vater von P.. wieder zurückkam. Nun eröfneten sich für Anton auf einmal ganz neue Aussichten. Schon zu Anfange des Jahres war seine Mutter mit Zwillingen niedergekommen,
Sein Vater reißte diesen Sommer wieder nach P.., und Anton schrieb ihm, wie schlecht es mit dem Selbstbessern vorwaͤrts ginge, und daß er sich wohl darinn geirrt habe, weil die goͤttliche Gnade doch alles thun muͤsse. Seine Mutter hielt diesen ganzen Brief fuͤr Heuchelei, wie er denn wirklich nicht ganz davon frei seyn mochte, und schrieb eigenhaͤndig darunter: Anton fuͤhrt sich auf, wie alle gottlose Buben. Nun war er sich doch eines wirklichen Kampfes mit sich selbst bewußt, und es mußte also aͤusserst kraͤnkend fuͤr ihn seyn, daß er mit allen gottlosen Buben in eine Klasse geworfen wurde. Dieß schlug ihn so sehr nieder, daß er nun wirklich eine Zeitlang wieder ausschweifte, und sich muthwillig mit wilden Buben abgab; worinn er denn durch das Schelten, und sogenannte Predigen seiner Mutter noch immer mehr bestaͤrkt wurde: denn dieß setzte ihn immer noch tiefer herab, so daß er sich oft am Ende selbst fuͤr nichts mehr, als einen gemeinen Gassenbuben hielt, und nun um desto eher wieder Gemeinschaft mit ihnen machte. Dieß dauerte, bis sein Vater von P.. wieder zuruͤckkam. Nun eroͤfneten sich fuͤr Anton auf einmal ganz neue Aussichten. Schon zu Anfange des Jahres war seine Mutter mit Zwillingen niedergekommen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0028" n="28"/><lb/> richtig: Herr, bekehre du mich, so werde ich bekehret! aber alles war vergeblich.</p> <p>Sein Vater reißte diesen Sommer wieder nach P.., und Anton schrieb ihm, wie schlecht es mit dem Selbstbessern vorwaͤrts ginge, und daß er sich wohl darinn geirrt habe, weil die goͤttliche Gnade doch alles thun muͤsse.</p> <p>Seine Mutter hielt diesen ganzen Brief fuͤr Heuchelei, wie er denn wirklich nicht ganz davon frei seyn mochte, und schrieb eigenhaͤndig darunter: Anton fuͤhrt sich auf, wie alle gottlose Buben.</p> <p>Nun war er sich doch eines wirklichen Kampfes mit sich selbst bewußt, und es mußte also aͤusserst kraͤnkend fuͤr ihn seyn, daß er mit allen gottlosen Buben in eine Klasse geworfen wurde.</p> <p>Dieß schlug ihn so sehr nieder, daß er nun wirklich eine Zeitlang wieder ausschweifte, und sich muthwillig mit wilden Buben abgab; worinn er denn durch das Schelten, und sogenannte Predigen seiner Mutter noch immer mehr bestaͤrkt wurde: denn dieß setzte ihn immer noch tiefer herab, so daß er sich oft am Ende selbst fuͤr nichts mehr, als einen gemeinen Gassenbuben hielt, und nun um desto eher wieder Gemeinschaft mit ihnen machte.</p> <p>Dieß dauerte, bis sein Vater von P.. wieder zuruͤckkam.</p> <p>Nun eroͤfneten sich fuͤr Anton auf einmal ganz neue Aussichten. Schon zu Anfange des Jahres war seine Mutter mit Zwillingen niedergekommen,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0028]
richtig: Herr, bekehre du mich, so werde ich bekehret! aber alles war vergeblich.
Sein Vater reißte diesen Sommer wieder nach P.., und Anton schrieb ihm, wie schlecht es mit dem Selbstbessern vorwaͤrts ginge, und daß er sich wohl darinn geirrt habe, weil die goͤttliche Gnade doch alles thun muͤsse.
Seine Mutter hielt diesen ganzen Brief fuͤr Heuchelei, wie er denn wirklich nicht ganz davon frei seyn mochte, und schrieb eigenhaͤndig darunter: Anton fuͤhrt sich auf, wie alle gottlose Buben.
Nun war er sich doch eines wirklichen Kampfes mit sich selbst bewußt, und es mußte also aͤusserst kraͤnkend fuͤr ihn seyn, daß er mit allen gottlosen Buben in eine Klasse geworfen wurde.
Dieß schlug ihn so sehr nieder, daß er nun wirklich eine Zeitlang wieder ausschweifte, und sich muthwillig mit wilden Buben abgab; worinn er denn durch das Schelten, und sogenannte Predigen seiner Mutter noch immer mehr bestaͤrkt wurde: denn dieß setzte ihn immer noch tiefer herab, so daß er sich oft am Ende selbst fuͤr nichts mehr, als einen gemeinen Gassenbuben hielt, und nun um desto eher wieder Gemeinschaft mit ihnen machte.
Dieß dauerte, bis sein Vater von P.. wieder zuruͤckkam.
Nun eroͤfneten sich fuͤr Anton auf einmal ganz neue Aussichten. Schon zu Anfange des Jahres war seine Mutter mit Zwillingen niedergekommen,
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/28>, abgerufen am 16.02.2025. |