Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784.Ja zuweilen konnte er heimlich lachen, indes der alte Mann sein Geschriebenes las. So fing er auch an, seinen Vater zu betrügen. Dieser ließ sich einmal gegen ihn verlauten: damals vor drei Jahren sey er noch ein ganz anderer Knabe gewesen, als er in P.. sich weigerte eine Nothlüge zu thun, indem der den Engländer verläugnen sollte. Weil sich nun Anton bewußt war, daß gerade dieß damals mehr aus einer Art von Ostentation, als würklichem Abscheu gegen die Lüge geschehen sey, so dachte er bei sich selber: wenn sonst nichts verlangt wird, um mich beliebt zu machen, das soll mir wenig Mühe kosten, und nun wußte er es im kurzen durch eine Art von bloßer Heuchelei, die er doch aber vor sich selber als Heuchelei zu verbergen suchte, so weit zu bringen, daß sein Vater über ihn mit dem Herrn v. F. korrespondirte, und denselben von Antons Seelenzustande Nachricht gab, um seinen Rath darüber einzuhohlen. Jndes wie Anton sahe, daß die Sache so ernsthaft wurde, ward er auch ernsthafter dabei, und entschloß sich zuweilen, sich nun im Ernst von seinem bösen Leben zu bekehren, weil er die bisherige Heuchelei nicht länger mehr vor sich selbst verdecken konnte. Allein nun fielen ihm die Jahre ein, die er von der Zeit seiner vormaligen wirklichen Bekehrung an versäumt hatte, und wie weit er nun schon seyn Ja zuweilen konnte er heimlich lachen, indes der alte Mann sein Geschriebenes las. So fing er auch an, seinen Vater zu betruͤgen. Dieser ließ sich einmal gegen ihn verlauten: damals vor drei Jahren sey er noch ein ganz anderer Knabe gewesen, als er in P.. sich weigerte eine Nothluͤge zu thun, indem der den Englaͤnder verlaͤugnen sollte. Weil sich nun Anton bewußt war, daß gerade dieß damals mehr aus einer Art von Ostentation, als wuͤrklichem Abscheu gegen die Luͤge geschehen sey, so dachte er bei sich selber: wenn sonst nichts verlangt wird, um mich beliebt zu machen, das soll mir wenig Muͤhe kosten, und nun wußte er es im kurzen durch eine Art von bloßer Heuchelei, die er doch aber vor sich selber als Heuchelei zu verbergen suchte, so weit zu bringen, daß sein Vater uͤber ihn mit dem Herrn v. F. korrespondirte, und denselben von Antons Seelenzustande Nachricht gab, um seinen Rath daruͤber einzuhohlen. Jndes wie Anton sahe, daß die Sache so ernsthaft wurde, ward er auch ernsthafter dabei, und entschloß sich zuweilen, sich nun im Ernst von seinem boͤsen Leben zu bekehren, weil er die bisherige Heuchelei nicht laͤnger mehr vor sich selbst verdecken konnte. Allein nun fielen ihm die Jahre ein, die er von der Zeit seiner vormaligen wirklichen Bekehrung an versaͤumt hatte, und wie weit er nun schon seyn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0025" n="25"/><lb/> <p>Ja zuweilen konnte er heimlich lachen, indes der alte Mann sein Geschriebenes las. So fing er auch an, seinen Vater zu betruͤgen. Dieser ließ sich einmal gegen ihn verlauten: damals vor drei Jahren sey er noch ein ganz anderer Knabe gewesen, als er in P.. sich weigerte eine Nothluͤge zu thun, indem der den Englaͤnder verlaͤugnen sollte.</p> <p>Weil sich nun Anton bewußt war, daß gerade dieß damals mehr aus einer Art von Ostentation, als wuͤrklichem Abscheu gegen die Luͤge geschehen sey, so dachte er bei sich selber: wenn sonst nichts verlangt wird, um mich beliebt zu machen, das soll mir wenig Muͤhe kosten, und nun wußte er es im kurzen durch eine Art von bloßer Heuchelei, die er doch aber vor sich selber als Heuchelei zu verbergen suchte, so weit zu bringen, daß sein Vater uͤber ihn mit dem Herrn v. F. korrespondirte, und denselben von Antons Seelenzustande Nachricht gab, um seinen Rath daruͤber einzuhohlen.</p> <p>Jndes wie Anton sahe, daß die Sache so ernsthaft wurde, ward er auch ernsthafter dabei, und entschloß sich zuweilen, sich nun im Ernst von seinem boͤsen Leben zu bekehren, weil er die bisherige Heuchelei nicht laͤnger mehr vor sich selbst verdecken konnte.</p> <p>Allein nun fielen ihm die Jahre ein, die er von der Zeit seiner vormaligen wirklichen Bekehrung an versaͤumt hatte, und wie weit er nun schon seyn<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [25/0025]
Ja zuweilen konnte er heimlich lachen, indes der alte Mann sein Geschriebenes las. So fing er auch an, seinen Vater zu betruͤgen. Dieser ließ sich einmal gegen ihn verlauten: damals vor drei Jahren sey er noch ein ganz anderer Knabe gewesen, als er in P.. sich weigerte eine Nothluͤge zu thun, indem der den Englaͤnder verlaͤugnen sollte.
Weil sich nun Anton bewußt war, daß gerade dieß damals mehr aus einer Art von Ostentation, als wuͤrklichem Abscheu gegen die Luͤge geschehen sey, so dachte er bei sich selber: wenn sonst nichts verlangt wird, um mich beliebt zu machen, das soll mir wenig Muͤhe kosten, und nun wußte er es im kurzen durch eine Art von bloßer Heuchelei, die er doch aber vor sich selber als Heuchelei zu verbergen suchte, so weit zu bringen, daß sein Vater uͤber ihn mit dem Herrn v. F. korrespondirte, und denselben von Antons Seelenzustande Nachricht gab, um seinen Rath daruͤber einzuhohlen.
Jndes wie Anton sahe, daß die Sache so ernsthaft wurde, ward er auch ernsthafter dabei, und entschloß sich zuweilen, sich nun im Ernst von seinem boͤsen Leben zu bekehren, weil er die bisherige Heuchelei nicht laͤnger mehr vor sich selbst verdecken konnte.
Allein nun fielen ihm die Jahre ein, die er von der Zeit seiner vormaligen wirklichen Bekehrung an versaͤumt hatte, und wie weit er nun schon seyn
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/25>, abgerufen am 16.02.2025. |