Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784.Zur Seelennaturkunde. I. Ueber den Mangel unsrer Jugenderinnerungen. S. 1. B. 1. St. p. 65. und 2. St. p. 82.) Es scheint, als wenn uns die Natur recht mit Fleiß den ersten unvollkommnen Zustand unsrer Existenz habe verbergen wollen, indem sie uns unfähig machte, uns der ersten Erfahrungen unseres Lebens zu erinnern; so lehrreich es auch in der That für den menschlichen Verstand seyn würde, wenn er die Reihe unsrer nach und nach erlangten sinnlichen Begriffe, oder besser, den ersten grossen Wirrwarr derselben überschauen könnte. Wenn wir würklich die Thätigkeit unsrer Seele mit unsern Blicken bis dahin verfolgen könnten, wo sie die allerersten Empfindungen von Gegenständen ausser sich, folglich auch von aussen her das erste Bewustseyn ihrer selbst bekam; so würden wir ohnfehlbar die wichtigsten Aufschlüße über die allererste Entwickelung unsres Geistes erhalten, die wir jetzt nun freilich nicht machen können, da wir uns aus Mangel des Erinnerungsvermögens erst Zur Seelennaturkunde. I. Ueber den Mangel unsrer Jugenderinnerungen. S. 1. B. 1. St. p. 65. und 2. St. p. 82.) Es scheint, als wenn uns die Natur recht mit Fleiß den ersten unvollkommnen Zustand unsrer Existenz habe verbergen wollen, indem sie uns unfaͤhig machte, uns der ersten Erfahrungen unseres Lebens zu erinnern; so lehrreich es auch in der That fuͤr den menschlichen Verstand seyn wuͤrde, wenn er die Reihe unsrer nach und nach erlangten sinnlichen Begriffe, oder besser, den ersten grossen Wirrwarr derselben uͤberschauen koͤnnte. Wenn wir wuͤrklich die Thaͤtigkeit unsrer Seele mit unsern Blicken bis dahin verfolgen koͤnnten, wo sie die allerersten Empfindungen von Gegenstaͤnden ausser sich, folglich auch von aussen her das erste Bewustseyn ihrer selbst bekam; so wuͤrden wir ohnfehlbar die wichtigsten Aufschluͤße uͤber die allererste Entwickelung unsres Geistes erhalten, die wir jetzt nun freilich nicht machen koͤnnen, da wir uns aus Mangel des Erinnerungsvermoͤgens erst <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <pb facs="#f0018" n="18"/><lb/><lb/> </div> </div> <div n="2"> <head>Zur Seelennaturkunde.</head><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#aq">I</hi>. Ueber den Mangel unsrer Jugenderinnerungen. <note type="editorial"><bibl><persName ref="#ref2"><note type="editorial"/>Pockels, C. F.</persName></bibl></note> S. 1. B. 1. St. p. 65. und 2. St. p. 82.)</head><lb/> <p>Es scheint, als wenn uns die Natur recht mit Fleiß den ersten unvollkommnen Zustand unsrer Existenz habe verbergen wollen, indem sie uns unfaͤhig machte, uns der ersten Erfahrungen unseres Lebens zu erinnern; so lehrreich es auch in der That fuͤr den menschlichen Verstand seyn wuͤrde, wenn er die Reihe unsrer nach und nach erlangten sinnlichen Begriffe, oder besser, den ersten grossen <hi rendition="#b">Wirrwarr</hi> derselben uͤberschauen koͤnnte.</p> <p>Wenn wir wuͤrklich die Thaͤtigkeit unsrer Seele mit unsern Blicken bis dahin verfolgen koͤnnten, wo sie die <hi rendition="#b">allerersten</hi> Empfindungen von Gegenstaͤnden ausser sich, folglich auch von <hi rendition="#b">aussen</hi> her das erste Bewustseyn ihrer selbst bekam; so wuͤrden wir ohnfehlbar die wichtigsten Aufschluͤße uͤber die allererste Entwickelung unsres Geistes erhalten, die wir jetzt nun freilich nicht machen koͤnnen, da wir uns <hi rendition="#b">aus Mangel des Erinnerungsvermoͤgens erst</hi><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [18/0018]
Zur Seelennaturkunde.
I. Ueber den Mangel unsrer Jugenderinnerungen. S. 1. B. 1. St. p. 65. und 2. St. p. 82.)
Es scheint, als wenn uns die Natur recht mit Fleiß den ersten unvollkommnen Zustand unsrer Existenz habe verbergen wollen, indem sie uns unfaͤhig machte, uns der ersten Erfahrungen unseres Lebens zu erinnern; so lehrreich es auch in der That fuͤr den menschlichen Verstand seyn wuͤrde, wenn er die Reihe unsrer nach und nach erlangten sinnlichen Begriffe, oder besser, den ersten grossen Wirrwarr derselben uͤberschauen koͤnnte.
Wenn wir wuͤrklich die Thaͤtigkeit unsrer Seele mit unsern Blicken bis dahin verfolgen koͤnnten, wo sie die allerersten Empfindungen von Gegenstaͤnden ausser sich, folglich auch von aussen her das erste Bewustseyn ihrer selbst bekam; so wuͤrden wir ohnfehlbar die wichtigsten Aufschluͤße uͤber die allererste Entwickelung unsres Geistes erhalten, die wir jetzt nun freilich nicht machen koͤnnen, da wir uns aus Mangel des Erinnerungsvermoͤgens erst
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