Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784.
Man siehet leicht, daß dieser nur eine Erhöhung oder Verstärkung des Artikels der ist, welcher auch oft anstatt desselben gesetzt wird, wo man aber im Reden einen stärkern Ton darauf legt, indem man z.B. auf jemanden zeigt, und sagt, der Mann da! So wie ich nun durch dieser, diese oder dieses das Nähere anzeige, so deute ich durch jener, jene oder jenes das Entferntere an. Was nun aber das Wort du anbetrift, so wird uns dasselbe auf einige wichtige Bemerkungen in Ansehung der Sprache leiten. Durch du legten wir nehmlich dem Baume eine Persönlichkeit bei, oder wir betrachteten ihn gleichsam, als ob er ein Mensch wäre: eben das würden wir auch durch das Wort ich thun, wenn wir ihn redend einführten; und durch er, wenn wir von ihm, als von einer abwesenden Person sprächen. Daß aber auch das er den Baum als eine Person bezeichnet, sehen wir daraus, weil man eine abwesende Person, wenn sie männlichen Geschlechts, mit er, und wenn sie weiblichen Geschlechts ist mit sie benennet, indem man z.B. sagt, er kömmt, sie kömmt.
Man siehet leicht, daß dieser nur eine Erhoͤhung oder Verstaͤrkung des Artikels der ist, welcher auch oft anstatt desselben gesetzt wird, wo man aber im Reden einen staͤrkern Ton darauf legt, indem man z.B. auf jemanden zeigt, und sagt, der Mann da! So wie ich nun durch dieser, diese oder dieses das Naͤhere anzeige, so deute ich durch jener, jene oder jenes das Entferntere an. Was nun aber das Wort du anbetrift, so wird uns dasselbe auf einige wichtige Bemerkungen in Ansehung der Sprache leiten. Durch du legten wir nehmlich dem Baume eine Persoͤnlichkeit bei, oder wir betrachteten ihn gleichsam, als ob er ein Mensch waͤre: eben das wuͤrden wir auch durch das Wort ich thun, wenn wir ihn redend einfuͤhrten; und durch er, wenn wir von ihm, als von einer abwesenden Person spraͤchen. Daß aber auch das er den Baum als eine Person bezeichnet, sehen wir daraus, weil man eine abwesende Person, wenn sie maͤnnlichen Geschlechts, mit er, und wenn sie weiblichen Geschlechts ist mit sie benennet, indem man z.B. sagt, er koͤmmt, sie koͤmmt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0116" n="116"/><lb/> ich die Handlung meines Sehens auf eben den Baum zuruͤck, von welchem ich sage, daß er gruͤn ist, sonst muͤßte ich mich so ausdruͤcken, <hi rendition="#b">ich sehe einen Baum, und der Baum ist gruͤn;</hi> wir ziehen also durch <hi rendition="#b">welcher</hi> einen Satz gleichsam in den andern hinein.</p> <p>Man siehet leicht, daß <hi rendition="#b">dieser</hi> nur eine Erhoͤhung oder Verstaͤrkung des Artikels <hi rendition="#b">der</hi> ist, welcher auch oft anstatt desselben gesetzt wird, wo man aber im Reden einen staͤrkern Ton darauf legt, indem man z.B. auf jemanden zeigt, und sagt, <hi rendition="#b">der Mann da!</hi> So wie ich nun durch <hi rendition="#b">dieser</hi>, <hi rendition="#b">diese</hi> oder <hi rendition="#b">dieses</hi> das Naͤhere anzeige, so deute ich durch <hi rendition="#b">jener, jene</hi> oder <hi rendition="#b">jenes</hi> das Entferntere an.</p> <p>Was nun aber das Wort <hi rendition="#b">du</hi> anbetrift, so wird uns dasselbe auf einige wichtige Bemerkungen in Ansehung der Sprache leiten. Durch <hi rendition="#b">du</hi> legten wir nehmlich dem Baume eine Persoͤnlichkeit bei, oder wir betrachteten ihn gleichsam, als ob er ein Mensch waͤre: eben das wuͤrden wir auch durch das Wort <hi rendition="#b">ich</hi> thun, wenn wir ihn redend einfuͤhrten; und durch <hi rendition="#b">er,</hi> wenn wir von ihm, als von einer abwesenden Person spraͤchen.</p> <p>Daß aber auch das <hi rendition="#b">er</hi> den Baum als eine Person bezeichnet, sehen wir daraus, weil man eine abwesende Person, wenn sie maͤnnlichen Geschlechts, mit <hi rendition="#b">er,</hi> und wenn sie weiblichen Geschlechts ist mit <hi rendition="#b">sie</hi> benennet, indem man z.B. sagt, <hi rendition="#b">er koͤmmt, sie koͤmmt.</hi></p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [116/0116]
ich die Handlung meines Sehens auf eben den Baum zuruͤck, von welchem ich sage, daß er gruͤn ist, sonst muͤßte ich mich so ausdruͤcken, ich sehe einen Baum, und der Baum ist gruͤn; wir ziehen also durch welcher einen Satz gleichsam in den andern hinein.
Man siehet leicht, daß dieser nur eine Erhoͤhung oder Verstaͤrkung des Artikels der ist, welcher auch oft anstatt desselben gesetzt wird, wo man aber im Reden einen staͤrkern Ton darauf legt, indem man z.B. auf jemanden zeigt, und sagt, der Mann da! So wie ich nun durch dieser, diese oder dieses das Naͤhere anzeige, so deute ich durch jener, jene oder jenes das Entferntere an.
Was nun aber das Wort du anbetrift, so wird uns dasselbe auf einige wichtige Bemerkungen in Ansehung der Sprache leiten. Durch du legten wir nehmlich dem Baume eine Persoͤnlichkeit bei, oder wir betrachteten ihn gleichsam, als ob er ein Mensch waͤre: eben das wuͤrden wir auch durch das Wort ich thun, wenn wir ihn redend einfuͤhrten; und durch er, wenn wir von ihm, als von einer abwesenden Person spraͤchen.
Daß aber auch das er den Baum als eine Person bezeichnet, sehen wir daraus, weil man eine abwesende Person, wenn sie maͤnnlichen Geschlechts, mit er, und wenn sie weiblichen Geschlechts ist mit sie benennet, indem man z.B. sagt, er koͤmmt, sie koͤmmt.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/116>, abgerufen am 26.07.2024. |