Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784.
Bei der ersten Bekanntmachung seines schärferen Urtheils veränderte er sich wenig, bei dessen Bestätigung aber gerieth er etwas mehr in Bewegung, und bat mit einigen Thränen, doch bescheiden und gefast, um die ihm auch verstattete Erlaubniß, um Milderung seiner Todesart nochmals nachzusuchen. Nach der Rückkunft in seine Haft fiel er, wehmüthiger als sonst, auf seine Knie, und sagte, als ihm zugesprochen ward: Es sey doch ganz etwas anders So zu sterben; ein So, das sein Gefühl von allem entdeckte, was die Ursach und die Art seines Todes beugendes für ihn haben mußte. Das Schimpfliche der letztern machte ein großes davon aus, und vielleicht war es ihm gewissermaßen schwerer als das Sterben selbst; es kränkte ihn besonders die Schande dabei, die er auf die Seinigen zu laden fürchtete. Wenn auch in einem Gesang das Sterbebette vorkam, so ward immer seine Bewegung merklich, und bei den Worten: der Leib hab in der Erd seine Ruh, entfuhr ihm die Wehklage: Und der meinige nicht! Doch auch diesen Schauder hatte er überwunden, als er den traurigsten Anblick in den Augen
Bei der ersten Bekanntmachung seines schaͤrferen Urtheils veraͤnderte er sich wenig, bei dessen Bestaͤtigung aber gerieth er etwas mehr in Bewegung, und bat mit einigen Thraͤnen, doch bescheiden und gefast, um die ihm auch verstattete Erlaubniß, um Milderung seiner Todesart nochmals nachzusuchen. Nach der Ruͤckkunft in seine Haft fiel er, wehmuͤthiger als sonst, auf seine Knie, und sagte, als ihm zugesprochen ward: Es sey doch ganz etwas anders So zu sterben; ein So, das sein Gefuͤhl von allem entdeckte, was die Ursach und die Art seines Todes beugendes fuͤr ihn haben mußte. Das Schimpfliche der letztern machte ein großes davon aus, und vielleicht war es ihm gewissermaßen schwerer als das Sterben selbst; es kraͤnkte ihn besonders die Schande dabei, die er auf die Seinigen zu laden fuͤrchtete. Wenn auch in einem Gesang das Sterbebette vorkam, so ward immer seine Bewegung merklich, und bei den Worten: der Leib hab in der Erd seine Ruh, entfuhr ihm die Wehklage: Und der meinige nicht! Doch auch diesen Schauder hatte er uͤberwunden, als er den traurigsten Anblick in den Augen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0108" n="108"/><lb/> schied von den Seinigen, sein Herz zu voll von Empfindung, dennoch aber nicht voll Grolls, auch seine Worte nicht so gemeynt gewesen seyen, als sie haͤtten erklaͤrt werden koͤnnen.</p> <p>Bei der ersten Bekanntmachung seines schaͤrferen Urtheils veraͤnderte er sich wenig, bei dessen Bestaͤtigung aber gerieth er etwas mehr in Bewegung, und bat mit einigen Thraͤnen, doch bescheiden und gefast, um die ihm auch verstattete Erlaubniß, um Milderung seiner Todesart nochmals nachzusuchen.</p> <p>Nach der Ruͤckkunft in seine Haft fiel er, wehmuͤthiger als sonst, auf seine Knie, und sagte, als ihm zugesprochen ward: Es sey doch ganz etwas anders <hi rendition="#b">So</hi> zu sterben; ein <hi rendition="#b">So,</hi> das sein Gefuͤhl von allem entdeckte, was die Ursach und die Art seines Todes beugendes fuͤr ihn haben mußte.</p> <p>Das Schimpfliche der letztern machte ein großes davon aus, und vielleicht war es ihm gewissermaßen schwerer als das Sterben selbst; es kraͤnkte ihn besonders die Schande dabei, die er auf die Seinigen zu laden fuͤrchtete.</p> <p>Wenn auch in einem Gesang das <hi rendition="#b">Sterbebette</hi> vorkam, so ward immer seine Bewegung merklich, und bei den Worten: <hi rendition="#b">der Leib hab in der Erd seine Ruh,</hi> entfuhr ihm die Wehklage: <hi rendition="#b">Und der meinige nicht!</hi></p> <p>Doch auch diesen Schauder hatte er uͤberwunden, als er den traurigsten Anblick in den Augen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [108/0108]
schied von den Seinigen, sein Herz zu voll von Empfindung, dennoch aber nicht voll Grolls, auch seine Worte nicht so gemeynt gewesen seyen, als sie haͤtten erklaͤrt werden koͤnnen.
Bei der ersten Bekanntmachung seines schaͤrferen Urtheils veraͤnderte er sich wenig, bei dessen Bestaͤtigung aber gerieth er etwas mehr in Bewegung, und bat mit einigen Thraͤnen, doch bescheiden und gefast, um die ihm auch verstattete Erlaubniß, um Milderung seiner Todesart nochmals nachzusuchen.
Nach der Ruͤckkunft in seine Haft fiel er, wehmuͤthiger als sonst, auf seine Knie, und sagte, als ihm zugesprochen ward: Es sey doch ganz etwas anders So zu sterben; ein So, das sein Gefuͤhl von allem entdeckte, was die Ursach und die Art seines Todes beugendes fuͤr ihn haben mußte.
Das Schimpfliche der letztern machte ein großes davon aus, und vielleicht war es ihm gewissermaßen schwerer als das Sterben selbst; es kraͤnkte ihn besonders die Schande dabei, die er auf die Seinigen zu laden fuͤrchtete.
Wenn auch in einem Gesang das Sterbebette vorkam, so ward immer seine Bewegung merklich, und bei den Worten: der Leib hab in der Erd seine Ruh, entfuhr ihm die Wehklage: Und der meinige nicht!
Doch auch diesen Schauder hatte er uͤberwunden, als er den traurigsten Anblick in den Augen
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/108>, abgerufen am 26.07.2024. |