Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784.
Jch weiß, daß dreiviertel dieser besten Welt im halben Schlaf lieget, sie will reden und kann nicht, dann die alte Hure, Mara genannt, drucket sie ängstlich, derowegen ist nöthig, daß man sie rüttelt, und laut mit Nahmen ruft. Man lasse einen oder den andern fallen, die Schuld lieget nicht an dem Rufer, sondern am Nachtwanderer, indem er nicht schaffen will, weil es Tag ist. Nun so gehe hin in alle Welt, wenn sie dir auch offen stehet, suche Freunde der Wahrheit; ob diese beste Welt wohl meinet, der bittersaure zusammenziehende Dreck Wahrheit könne mit ihr nicht bestehen, solches laß dich nicht irren, denn Träume sind wohl süßer, und wenn sie eckelhaft werden, wirft man sie weg und machet andere: komme dem Pariser Wind nicht zu nahe, damit du nicht brennbar werdest, du würdest allda so angenehm seyn, wie jene Sibille, ja angenehmer, als die Sau im Judenhause; laß dich den Judaskuß der Liebe nicht berücken. Jnsonderheit suche mit denen kleinen a b c Schülern Freundschaft zu machen, diesen wirst du sehr willkommen seyn, wenn sie vernehmen werden,
Jch weiß, daß dreiviertel dieser besten Welt im halben Schlaf lieget, sie will reden und kann nicht, dann die alte Hure, Mara genannt, drucket sie aͤngstlich, derowegen ist noͤthig, daß man sie ruͤttelt, und laut mit Nahmen ruft. Man lasse einen oder den andern fallen, die Schuld lieget nicht an dem Rufer, sondern am Nachtwanderer, indem er nicht schaffen will, weil es Tag ist. Nun so gehe hin in alle Welt, wenn sie dir auch offen stehet, suche Freunde der Wahrheit; ob diese beste Welt wohl meinet, der bittersaure zusammenziehende Dreck Wahrheit koͤnne mit ihr nicht bestehen, solches laß dich nicht irren, denn Traͤume sind wohl suͤßer, und wenn sie eckelhaft werden, wirft man sie weg und machet andere: komme dem Pariser Wind nicht zu nahe, damit du nicht brennbar werdest, du wuͤrdest allda so angenehm seyn, wie jene Sibille, ja angenehmer, als die Sau im Judenhause; laß dich den Judaskuß der Liebe nicht beruͤcken. Jnsonderheit suche mit denen kleinen a b c Schuͤlern Freundschaft zu machen, diesen wirst du sehr willkommen seyn, wenn sie vernehmen werden, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0010" n="10"/><lb/> die Larve abziehe, denn die alte Mutter der Natur ist uns naͤher als wir glauben, hierdurch aber bahne mir nur den Weg des Einganges, die allzufest eingerosteten Vorurtheile herauszubohren, denn hart eingesudelte Waͤsche, bedarf scharfer Laugen.</p> <p>Jch weiß, daß dreiviertel dieser besten Welt im halben Schlaf lieget, sie will reden und kann nicht, dann die alte Hure, Mara genannt, drucket sie aͤngstlich, derowegen ist noͤthig, daß man sie ruͤttelt, und laut mit Nahmen ruft.</p> <p>Man lasse einen oder den andern fallen, die Schuld lieget nicht an dem Rufer, sondern am Nachtwanderer, indem er nicht schaffen will, weil es Tag ist.</p> <p>Nun so gehe hin in alle Welt, wenn sie dir auch offen stehet, suche Freunde der Wahrheit; ob diese beste Welt wohl meinet, der bittersaure zusammenziehende Dreck Wahrheit koͤnne mit ihr nicht bestehen, solches laß dich nicht irren, denn Traͤume sind wohl suͤßer, und wenn sie eckelhaft werden, wirft man sie weg und machet andere: komme dem Pariser Wind nicht zu nahe, damit du nicht brennbar werdest, du wuͤrdest allda so angenehm seyn, wie jene Sibille, ja angenehmer, als die Sau im Judenhause; laß dich den Judaskuß der Liebe nicht beruͤcken.</p> <p>Jnsonderheit suche mit denen kleinen a b c Schuͤlern Freundschaft zu machen, diesen wirst du sehr willkommen seyn, wenn sie vernehmen werden,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [10/0010]
die Larve abziehe, denn die alte Mutter der Natur ist uns naͤher als wir glauben, hierdurch aber bahne mir nur den Weg des Einganges, die allzufest eingerosteten Vorurtheile herauszubohren, denn hart eingesudelte Waͤsche, bedarf scharfer Laugen.
Jch weiß, daß dreiviertel dieser besten Welt im halben Schlaf lieget, sie will reden und kann nicht, dann die alte Hure, Mara genannt, drucket sie aͤngstlich, derowegen ist noͤthig, daß man sie ruͤttelt, und laut mit Nahmen ruft.
Man lasse einen oder den andern fallen, die Schuld lieget nicht an dem Rufer, sondern am Nachtwanderer, indem er nicht schaffen will, weil es Tag ist.
Nun so gehe hin in alle Welt, wenn sie dir auch offen stehet, suche Freunde der Wahrheit; ob diese beste Welt wohl meinet, der bittersaure zusammenziehende Dreck Wahrheit koͤnne mit ihr nicht bestehen, solches laß dich nicht irren, denn Traͤume sind wohl suͤßer, und wenn sie eckelhaft werden, wirft man sie weg und machet andere: komme dem Pariser Wind nicht zu nahe, damit du nicht brennbar werdest, du wuͤrdest allda so angenehm seyn, wie jene Sibille, ja angenehmer, als die Sau im Judenhause; laß dich den Judaskuß der Liebe nicht beruͤcken.
Jnsonderheit suche mit denen kleinen a b c Schuͤlern Freundschaft zu machen, diesen wirst du sehr willkommen seyn, wenn sie vernehmen werden,
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0202_1784/10>, abgerufen am 26.07.2024. |