Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.
So war nun Anton einmal auf einige Wochen in einer doppelt glücklichen Lage: aber wie bald wurde diese Glückseeligkeit zerstört! Damit er sich seines Glücks nicht überheben sollte, waren ihm fürs erste schon starke Demüthigungen zubereitet. Denn ob er nun gleich in Gesellschaft gesitteter Kinder unterrichtet ward, so ließ ihn doch seine Mutter die Dienste der niedrigsten Magd verrichten. Er mußte Wasser tragen, Butter und Käse aus den Kramläden hohlen, und wie ein Weib mit dem Korbe im Arm auf den Markt gehen, um Eßwaaren einzukaufen. Wie innig es ihn kränken mußte, wenn alsdann einer seiner glücklichern Mitschüler hönischlächelnd vor ihm vorbeiging, darf ich nicht erst sagen. Doch dieß verschmerzte er noch gerne, gegen das Glück in eine lateinische Schule gehen zu dürfen, wo er nach zwei Monathen so weit gestiegen war, daß er nun an den Beschäftigungen des öbersten Tisches oder der sogenannten vier Veteraner mit Theil nehmen konnte. Um diese Zeit führte ihn auch sein Vater zum erstenmale zu einem äußerst merkwürdigen Manne in H., der schon lange der Gegenstand seiner Ge-
So war nun Anton einmal auf einige Wochen in einer doppelt gluͤcklichen Lage: aber wie bald wurde diese Gluͤckseeligkeit zerstoͤrt! Damit er sich seines Gluͤcks nicht uͤberheben sollte, waren ihm fuͤrs erste schon starke Demuͤthigungen zubereitet. Denn ob er nun gleich in Gesellschaft gesitteter Kinder unterrichtet ward, so ließ ihn doch seine Mutter die Dienste der niedrigsten Magd verrichten. Er mußte Wasser tragen, Butter und Kaͤse aus den Kramlaͤden hohlen, und wie ein Weib mit dem Korbe im Arm auf den Markt gehen, um Eßwaaren einzukaufen. Wie innig es ihn kraͤnken mußte, wenn alsdann einer seiner gluͤcklichern Mitschuͤler hoͤnischlaͤchelnd vor ihm vorbeiging, darf ich nicht erst sagen. Doch dieß verschmerzte er noch gerne, gegen das Gluͤck in eine lateinische Schule gehen zu duͤrfen, wo er nach zwei Monathen so weit gestiegen war, daß er nun an den Beschaͤftigungen des oͤbersten Tisches oder der sogenannten vier Veteraner mit Theil nehmen konnte. Um diese Zeit fuͤhrte ihn auch sein Vater zum erstenmale zu einem aͤußerst merkwuͤrdigen Manne in H., der schon lange der Gegenstand seiner Ge- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0092" n="90"/><lb/> nuͤtzlichen Gespraͤchen, und weil er sonst von Natur ein ziemlich harter Mann zu seyn schien, so hatte seine Freundlichkeit und Guͤte desto mehr Ruͤhrendes, das ihm die Herzen gewann. </p> <p>So war nun Anton einmal auf einige Wochen in einer doppelt gluͤcklichen Lage: aber wie bald wurde diese Gluͤckseeligkeit zerstoͤrt! Damit er sich seines Gluͤcks nicht uͤberheben sollte, waren ihm fuͤrs erste schon starke Demuͤthigungen zubereitet. </p> <p>Denn ob er nun gleich in Gesellschaft gesitteter Kinder unterrichtet ward, so ließ ihn doch seine Mutter die Dienste der niedrigsten Magd verrichten. </p> <p>Er mußte Wasser tragen, Butter und Kaͤse aus den Kramlaͤden hohlen, und wie ein Weib mit dem Korbe im Arm auf den Markt gehen, um Eßwaaren einzukaufen. </p> <p>Wie innig es ihn kraͤnken mußte, wenn alsdann einer seiner gluͤcklichern Mitschuͤler hoͤnischlaͤchelnd vor ihm vorbeiging, darf ich nicht erst sagen. </p> <p>Doch dieß verschmerzte er noch gerne, gegen das Gluͤck in eine lateinische Schule gehen zu duͤrfen, wo er nach zwei Monathen so weit gestiegen war, daß er nun an den Beschaͤftigungen des oͤbersten Tisches oder der sogenannten vier Veteraner mit Theil nehmen konnte. </p> <p>Um diese Zeit fuͤhrte ihn auch sein Vater zum erstenmale zu einem aͤußerst merkwuͤrdigen Manne in H., der schon lange der Gegenstand seiner Ge-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [90/0092]
nuͤtzlichen Gespraͤchen, und weil er sonst von Natur ein ziemlich harter Mann zu seyn schien, so hatte seine Freundlichkeit und Guͤte desto mehr Ruͤhrendes, das ihm die Herzen gewann.
So war nun Anton einmal auf einige Wochen in einer doppelt gluͤcklichen Lage: aber wie bald wurde diese Gluͤckseeligkeit zerstoͤrt! Damit er sich seines Gluͤcks nicht uͤberheben sollte, waren ihm fuͤrs erste schon starke Demuͤthigungen zubereitet.
Denn ob er nun gleich in Gesellschaft gesitteter Kinder unterrichtet ward, so ließ ihn doch seine Mutter die Dienste der niedrigsten Magd verrichten.
Er mußte Wasser tragen, Butter und Kaͤse aus den Kramlaͤden hohlen, und wie ein Weib mit dem Korbe im Arm auf den Markt gehen, um Eßwaaren einzukaufen.
Wie innig es ihn kraͤnken mußte, wenn alsdann einer seiner gluͤcklichern Mitschuͤler hoͤnischlaͤchelnd vor ihm vorbeiging, darf ich nicht erst sagen.
Doch dieß verschmerzte er noch gerne, gegen das Gluͤck in eine lateinische Schule gehen zu duͤrfen, wo er nach zwei Monathen so weit gestiegen war, daß er nun an den Beschaͤftigungen des oͤbersten Tisches oder der sogenannten vier Veteraner mit Theil nehmen konnte.
Um diese Zeit fuͤhrte ihn auch sein Vater zum erstenmale zu einem aͤußerst merkwuͤrdigen Manne in H., der schon lange der Gegenstand seiner Ge-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |