Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.
Ob er dabei gleich sehr strenge war, hat doch Anton niemals einen Vorwurf noch weniger einen Schlag von ihm bekommen: er glaubte daher auch in der Schule immer mehr Gerechtigkeit, als bei seinen Eltern zu finden. Er mußte nun anfangen, den Donat auswendig zu lernen, allein freilich hatte er einen wunderbaren Accent, der sich bald zeigte, da er gleich in der zweiten Stunde sein Mensa auswendig hersagen mußte, und indem er Singulariter und Pluraliter sagte, immer den Ton auf die vorletzte Silbe legte, weil er sich beim Auswendiglernen dieses Pensums, wegen der Aehnlichkeit dieser Wörter mit Amariter, Jebusiter, u.s.w. fest einbildete, die Singulariter wären ein besonders Volk, das Mensa, und die Pluraliter ein andres Volk, das Mensä gesagt hätte. Wie oft mögen ähnliche Mißverständnisse veranlaßt werden, wenn der Lehrer sich mit dem ersten Worte des Lehrlings begnügen läßt, ohne in den Begrif desselben weiter einzudringen! Auch laß Anton schon damals nach seiner Art das lateinische ae wie unser deutsches ä, welches in neuern Zeiten von verschiednen angenommen ist; damals ward er von allen seinen Mitschülern, und vom Konrektor selber darüber ausgelacht.
Ob er dabei gleich sehr strenge war, hat doch Anton niemals einen Vorwurf noch weniger einen Schlag von ihm bekommen: er glaubte daher auch in der Schule immer mehr Gerechtigkeit, als bei seinen Eltern zu finden. Er mußte nun anfangen, den Donat auswendig zu lernen, allein freilich hatte er einen wunderbaren Accent, der sich bald zeigte, da er gleich in der zweiten Stunde sein Mensa auswendig hersagen mußte, und indem er Singulariter und Pluraliter sagte, immer den Ton auf die vorletzte Silbe legte, weil er sich beim Auswendiglernen dieses Pensums, wegen der Aehnlichkeit dieser Woͤrter mit Amariter, Jebusiter, u.s.w. fest einbildete, die Singulariter waͤren ein besonders Volk, das Mensa, und die Pluraliter ein andres Volk, das Mensaͤ gesagt haͤtte. Wie oft moͤgen aͤhnliche Mißverstaͤndnisse veranlaßt werden, wenn der Lehrer sich mit dem ersten Worte des Lehrlings begnuͤgen laͤßt, ohne in den Begrif desselben weiter einzudringen! Auch laß Anton schon damals nach seiner Art das lateinische ae wie unser deutsches aͤ, welches in neuern Zeiten von verschiednen angenommen ist; damals ward er von allen seinen Mitschuͤlern, und vom Konrektor selber daruͤber ausgelacht. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0090" n="88"/><lb/> die vier oͤbersten, welche er auch in Scherz Veteraner hieß, wurden vorzugsweise <hi rendition="#b">er</hi> genannt. </p> <p>Ob er dabei gleich sehr strenge war, hat doch Anton niemals einen Vorwurf noch weniger einen Schlag von ihm bekommen: er glaubte daher auch in der Schule immer mehr Gerechtigkeit, als bei seinen Eltern zu finden. </p> <p>Er mußte nun anfangen, den Donat auswendig zu lernen, allein freilich hatte er einen wunderbaren Accent, der sich bald zeigte, da er gleich in der zweiten Stunde sein Mensa auswendig hersagen mußte, und indem er Singulariter und Pluraliter sagte, immer den Ton auf die vorletzte Silbe legte, weil er sich beim Auswendiglernen dieses Pensums, wegen der Aehnlichkeit dieser Woͤrter mit <hi rendition="#b">Amariter</hi>, <hi rendition="#b">Jebusiter</hi>, u.s.w. fest einbildete, die Singulariter waͤren ein besonders Volk, das Mensa, und die Pluraliter ein andres Volk, das Mensaͤ gesagt haͤtte. </p> <p>Wie oft moͤgen aͤhnliche Mißverstaͤndnisse veranlaßt werden, wenn der Lehrer sich mit dem ersten Worte des Lehrlings begnuͤgen laͤßt, ohne in den Begrif desselben weiter einzudringen! </p> <p>Auch laß Anton schon damals nach seiner Art das lateinische <hi rendition="#aq">ae</hi> wie unser deutsches <hi rendition="#b">aͤ</hi>, welches in neuern Zeiten von verschiednen angenommen ist; damals ward er von allen seinen Mitschuͤlern, und vom Konrektor selber daruͤber ausgelacht. </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0090]
die vier oͤbersten, welche er auch in Scherz Veteraner hieß, wurden vorzugsweise er genannt.
Ob er dabei gleich sehr strenge war, hat doch Anton niemals einen Vorwurf noch weniger einen Schlag von ihm bekommen: er glaubte daher auch in der Schule immer mehr Gerechtigkeit, als bei seinen Eltern zu finden.
Er mußte nun anfangen, den Donat auswendig zu lernen, allein freilich hatte er einen wunderbaren Accent, der sich bald zeigte, da er gleich in der zweiten Stunde sein Mensa auswendig hersagen mußte, und indem er Singulariter und Pluraliter sagte, immer den Ton auf die vorletzte Silbe legte, weil er sich beim Auswendiglernen dieses Pensums, wegen der Aehnlichkeit dieser Woͤrter mit Amariter, Jebusiter, u.s.w. fest einbildete, die Singulariter waͤren ein besonders Volk, das Mensa, und die Pluraliter ein andres Volk, das Mensaͤ gesagt haͤtte.
Wie oft moͤgen aͤhnliche Mißverstaͤndnisse veranlaßt werden, wenn der Lehrer sich mit dem ersten Worte des Lehrlings begnuͤgen laͤßt, ohne in den Begrif desselben weiter einzudringen!
Auch laß Anton schon damals nach seiner Art das lateinische ae wie unser deutsches aͤ, welches in neuern Zeiten von verschiednen angenommen ist; damals ward er von allen seinen Mitschuͤlern, und vom Konrektor selber daruͤber ausgelacht.
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