Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.Jnzwischen konnte man, besonders, wenn er stehend schlief und man ihn nur hielt, damit er nicht umsinke, auch im Schlafe mit ihm sprechen, und ob er gleich die Augen, wenigstens dem Anschein nach, ganz zu hatte, so sahe und nennte er doch auf Befragen alle die Sachen, die man ihm vorhielt. Ermunterte man ihn, so wußte er nichts von dem, was man mit ihm im Schlafe gesprochen hatte: man konnte aber von andern Sachen mit ihm sprechen: Bald schlief er wiederum ein; und dann konnte man den Faden der Unterredung, die man vorher im Schlafe mit ihn geführet, fortsetzen. Erwachte er wieder, so wußte er abermahls nichts vom Gespräche im Schlafe, sondern nur von dem, was man vorher im Wachen mit ihm gesprochen hatte, und in dieser Art wechselte es darinn mit ihm ab, so daß es schiene, als ob er zwei Seelen, nehmlich eine für den Schlaf, und eine für die Zeit des Wachens hätte. Dieser Zustand dauerte ein Vierteljahr. Nach Verlauf eines Jahres ließ sich wiederum die Nervenkrankheit spüren, wovon er jedoch bald wiederum durch ein Schrecken und durch einen von einem Oesterreichischen Soldaten, (denn es war zur Zeit des siebenjährigen Krieges,) erhaltenen harten Stoß mit dem Gewehr, wovon man ihn für todt aufhob, gänzlich hergestellet wurde. Jetzt ist der damalige Patient ein Kaufmann in Dessau. Ritter. Jnzwischen konnte man, besonders, wenn er stehend schlief und man ihn nur hielt, damit er nicht umsinke, auch im Schlafe mit ihm sprechen, und ob er gleich die Augen, wenigstens dem Anschein nach, ganz zu hatte, so sahe und nennte er doch auf Befragen alle die Sachen, die man ihm vorhielt. Ermunterte man ihn, so wußte er nichts von dem, was man mit ihm im Schlafe gesprochen hatte: man konnte aber von andern Sachen mit ihm sprechen: Bald schlief er wiederum ein; und dann konnte man den Faden der Unterredung, die man vorher im Schlafe mit ihn gefuͤhret, fortsetzen. Erwachte er wieder, so wußte er abermahls nichts vom Gespraͤche im Schlafe, sondern nur von dem, was man vorher im Wachen mit ihm gesprochen hatte, und in dieser Art wechselte es darinn mit ihm ab, so daß es schiene, als ob er zwei Seelen, nehmlich eine fuͤr den Schlaf, und eine fuͤr die Zeit des Wachens haͤtte. Dieser Zustand dauerte ein Vierteljahr. Nach Verlauf eines Jahres ließ sich wiederum die Nervenkrankheit spuͤren, wovon er jedoch bald wiederum durch ein Schrecken und durch einen von einem Oesterreichischen Soldaten, (denn es war zur Zeit des siebenjaͤhrigen Krieges,) erhaltenen harten Stoß mit dem Gewehr, wovon man ihn fuͤr todt aufhob, gaͤnzlich hergestellet wurde. Jetzt ist der damalige Patient ein Kaufmann in Dessau. Ritter. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0072" n="70"/><lb/> <p>Jnzwischen konnte man, besonders, wenn er stehend schlief und man ihn nur hielt, damit er nicht umsinke, auch im Schlafe mit ihm sprechen, und ob er gleich die Augen, wenigstens dem Anschein nach, ganz zu hatte, so sahe und nennte er doch auf Befragen alle die Sachen, die man ihm vorhielt. </p> <p>Ermunterte man ihn, so wußte er nichts von dem, was man mit ihm im Schlafe gesprochen hatte: man konnte aber von andern Sachen mit ihm sprechen: Bald schlief er wiederum ein; und dann konnte man den Faden der Unterredung, die man vorher im Schlafe mit ihn gefuͤhret, fortsetzen. </p> <p>Erwachte er wieder, so wußte er abermahls nichts vom Gespraͤche im Schlafe, sondern nur von dem, was man vorher im Wachen mit ihm gesprochen hatte, und in dieser Art wechselte es darinn mit ihm ab, so daß es schiene, als ob er zwei Seelen, nehmlich eine fuͤr den Schlaf, und eine fuͤr die Zeit des Wachens haͤtte. </p> <p>Dieser Zustand dauerte ein Vierteljahr. Nach Verlauf eines Jahres ließ sich wiederum die Nervenkrankheit spuͤren, wovon er jedoch bald wiederum durch ein Schrecken und durch einen von einem Oesterreichischen Soldaten, (denn es war zur Zeit des siebenjaͤhrigen Krieges,) erhaltenen harten Stoß mit dem Gewehr, wovon man ihn fuͤr todt aufhob, gaͤnzlich hergestellet wurde. Jetzt ist der damalige Patient ein Kaufmann in Dessau. </p> <p rendition="#right"> <hi rendition="#b"> <persName ref="#ref0099"><note type="editorial">Ritter</note>Ritter.</persName> </hi> </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [70/0072]
Jnzwischen konnte man, besonders, wenn er stehend schlief und man ihn nur hielt, damit er nicht umsinke, auch im Schlafe mit ihm sprechen, und ob er gleich die Augen, wenigstens dem Anschein nach, ganz zu hatte, so sahe und nennte er doch auf Befragen alle die Sachen, die man ihm vorhielt.
Ermunterte man ihn, so wußte er nichts von dem, was man mit ihm im Schlafe gesprochen hatte: man konnte aber von andern Sachen mit ihm sprechen: Bald schlief er wiederum ein; und dann konnte man den Faden der Unterredung, die man vorher im Schlafe mit ihn gefuͤhret, fortsetzen.
Erwachte er wieder, so wußte er abermahls nichts vom Gespraͤche im Schlafe, sondern nur von dem, was man vorher im Wachen mit ihm gesprochen hatte, und in dieser Art wechselte es darinn mit ihm ab, so daß es schiene, als ob er zwei Seelen, nehmlich eine fuͤr den Schlaf, und eine fuͤr die Zeit des Wachens haͤtte.
Dieser Zustand dauerte ein Vierteljahr. Nach Verlauf eines Jahres ließ sich wiederum die Nervenkrankheit spuͤren, wovon er jedoch bald wiederum durch ein Schrecken und durch einen von einem Oesterreichischen Soldaten, (denn es war zur Zeit des siebenjaͤhrigen Krieges,) erhaltenen harten Stoß mit dem Gewehr, wovon man ihn fuͤr todt aufhob, gaͤnzlich hergestellet wurde. Jetzt ist der damalige Patient ein Kaufmann in Dessau.
Ritter.
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