Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.
Simmen taumelte aber nun dahin, wo er das Verbrechen begehen wollte, so schwankend, so verdüstert, wie schon gedacht; er fand noch Licht im Hause, und klopfte, wie er es erzählte, leise an; also noch als ein Mensch, der nicht das unerschrockene Herz hatte, das zu thun, was er doch gleich that. Seine Schwägerin sahe heraus, frug ihn, auf seinen Gruß und Bitte eingelassen zu werden, wo er so spät herkomme? glaubte seinem Vorwande, über Feld herzukommen, ließ ihn ein, und führte ihn in die Stube, wo er seinen spät heimgekommenen Schwager im Bette, wie man sagt, etwas berauscht, aber noch nicht völlig eingeschlafen fand. Also alles so leicht, so bequem! Nun ward sein Entschluß vest! Simmen ward von seiner Schwägerin willig und freundlich aufgenommen; bei allen vorgegangenen Zwistigkeiten, ja, wie man sagt, nach einer vorher geäußerten außerordentlichen Aengstlichkeit, läßt sie ihn ein, ohne auf den Gedanken zu kommen, daß sie einen Erbitterten einlasse, der mit Hülfe der Nacht, ihr Mörder werden könnte; noch mehr, sie bietet ihm zu essen an, und nimmt ein Licht um ihn noch um Mitternacht Sauerkraut (oder Kohl) aus dem Keller zu holen, wovon er, wie sie wußte, ein Liebhaber war.
Simmen taumelte aber nun dahin, wo er das Verbrechen begehen wollte, so schwankend, so verduͤstert, wie schon gedacht; er fand noch Licht im Hause, und klopfte, wie er es erzaͤhlte, leise an; also noch als ein Mensch, der nicht das unerschrockene Herz hatte, das zu thun, was er doch gleich that. Seine Schwaͤgerin sahe heraus, frug ihn, auf seinen Gruß und Bitte eingelassen zu werden, wo er so spaͤt herkomme? glaubte seinem Vorwande, uͤber Feld herzukommen, ließ ihn ein, und fuͤhrte ihn in die Stube, wo er seinen spaͤt heimgekommenen Schwager im Bette, wie man sagt, etwas berauscht, aber noch nicht voͤllig eingeschlafen fand. Also alles so leicht, so bequem! Nun ward sein Entschluß vest! Simmen ward von seiner Schwaͤgerin willig und freundlich aufgenommen; bei allen vorgegangenen Zwistigkeiten, ja, wie man sagt, nach einer vorher geaͤußerten außerordentlichen Aengstlichkeit, laͤßt sie ihn ein, ohne auf den Gedanken zu kommen, daß sie einen Erbitterten einlasse, der mit Huͤlfe der Nacht, ihr Moͤrder werden koͤnnte; noch mehr, sie bietet ihm zu essen an, und nimmt ein Licht um ihn noch um Mitternacht Sauerkraut (oder Kohl) aus dem Keller zu holen, wovon er, wie sie wußte, ein Liebhaber war. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0053" n="51"/><lb/> auf der Straße begegnet waͤre, oder ich bei der Einlassung in das Mordhaus, einige Schwuͤrigkeiten gefunden haͤtte.« </p> <p>Simmen taumelte aber nun dahin, wo er das Verbrechen begehen wollte, so schwankend, so verduͤstert, wie schon gedacht; er fand noch Licht im Hause, und klopfte, wie er es erzaͤhlte, leise an; also noch als ein Mensch, der nicht das unerschrockene Herz hatte, das zu thun, was er doch gleich that. </p> <p>Seine Schwaͤgerin sahe heraus, frug ihn, auf seinen Gruß und Bitte eingelassen zu werden, wo er so spaͤt herkomme? glaubte seinem Vorwande, uͤber Feld herzukommen, ließ ihn ein, und fuͤhrte ihn in die Stube, wo er seinen spaͤt heimgekommenen Schwager im Bette, wie man sagt, etwas berauscht, aber noch nicht voͤllig eingeschlafen fand. Also alles so leicht, so bequem! Nun ward sein Entschluß vest! </p> <p>Simmen ward von seiner Schwaͤgerin willig und freundlich aufgenommen; bei allen vorgegangenen Zwistigkeiten, ja, wie man sagt, nach einer vorher geaͤußerten außerordentlichen Aengstlichkeit, laͤßt sie ihn ein, ohne auf den Gedanken zu kommen, daß sie einen Erbitterten einlasse, der mit Huͤlfe der Nacht, ihr Moͤrder werden koͤnnte; noch mehr, sie bietet ihm zu essen an, und nimmt ein Licht um ihn noch um Mitternacht Sauerkraut (oder Kohl) aus dem Keller zu holen, wovon er, wie sie wußte, ein Liebhaber war. </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [51/0053]
auf der Straße begegnet waͤre, oder ich bei der Einlassung in das Mordhaus, einige Schwuͤrigkeiten gefunden haͤtte.«
Simmen taumelte aber nun dahin, wo er das Verbrechen begehen wollte, so schwankend, so verduͤstert, wie schon gedacht; er fand noch Licht im Hause, und klopfte, wie er es erzaͤhlte, leise an; also noch als ein Mensch, der nicht das unerschrockene Herz hatte, das zu thun, was er doch gleich that.
Seine Schwaͤgerin sahe heraus, frug ihn, auf seinen Gruß und Bitte eingelassen zu werden, wo er so spaͤt herkomme? glaubte seinem Vorwande, uͤber Feld herzukommen, ließ ihn ein, und fuͤhrte ihn in die Stube, wo er seinen spaͤt heimgekommenen Schwager im Bette, wie man sagt, etwas berauscht, aber noch nicht voͤllig eingeschlafen fand. Also alles so leicht, so bequem! Nun ward sein Entschluß vest!
Simmen ward von seiner Schwaͤgerin willig und freundlich aufgenommen; bei allen vorgegangenen Zwistigkeiten, ja, wie man sagt, nach einer vorher geaͤußerten außerordentlichen Aengstlichkeit, laͤßt sie ihn ein, ohne auf den Gedanken zu kommen, daß sie einen Erbitterten einlasse, der mit Huͤlfe der Nacht, ihr Moͤrder werden koͤnnte; noch mehr, sie bietet ihm zu essen an, und nimmt ein Licht um ihn noch um Mitternacht Sauerkraut (oder Kohl) aus dem Keller zu holen, wovon er, wie sie wußte, ein Liebhaber war.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/53>, abgerufen am 16.02.2025. |