Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.
VI. Auszug aus Paul Simmens Lebensgeschichte. ![]() Der Unglückliche war in seiner Kindheit ein flüchtiger Knabe, dem nichts weniger als das Stillsitzen anstand, der in der Schule von den Grundwahrheiten des Christenthums und dem Uebrigen, was zum Gebrauch des Lebens darinnen gelehrt wird, wenig begriffen, und kaum fertig lesen und seinen eigenen Namen hat schreiben gelernet. Dieß ist das Zeugniß, daß ihm diejenigen geben, die sich noch von jenen Jahren her seiner zu erinnern wissen. Er zeigte frühzeitig Lust zum Soldatenstande. Die Begleiter seiner Jugend erzählen, daß er wöchentlich mit Holz nach der Residenz gefahren, wenn er aber solches verkauft, halbe Tage vor der Hauptwache daselbst gestanden, und den Soldaten zugesehen habe. Er ward denn auch in seinem 17ten Jahre Dragoner. Sein Vater, ein Schneider, bestimmte ihn, nach Erlassung aus der Schule, zu seinem Hand-
VI. Auszug aus Paul Simmens Lebensgeschichte. ![]() Der Ungluͤckliche war in seiner Kindheit ein fluͤchtiger Knabe, dem nichts weniger als das Stillsitzen anstand, der in der Schule von den Grundwahrheiten des Christenthums und dem Uebrigen, was zum Gebrauch des Lebens darinnen gelehrt wird, wenig begriffen, und kaum fertig lesen und seinen eigenen Namen hat schreiben gelernet. Dieß ist das Zeugniß, daß ihm diejenigen geben, die sich noch von jenen Jahren her seiner zu erinnern wissen. Er zeigte fruͤhzeitig Lust zum Soldatenstande. Die Begleiter seiner Jugend erzaͤhlen, daß er woͤchentlich mit Holz nach der Residenz gefahren, wenn er aber solches verkauft, halbe Tage vor der Hauptwache daselbst gestanden, und den Soldaten zugesehen habe. Er ward denn auch in seinem 17ten Jahre Dragoner. Sein Vater, ein Schneider, bestimmte ihn, nach Erlassung aus der Schule, zu seinem Hand- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0040" n="38"/><lb/> er hatte, und so ging er von mir. Sein Vater hat vor etwa 15 Jahren in einem kleinen Flusse seinem Leben ein Ende gemacht.</p> <p rendition="#right"><hi rendition="#b"><persName ref="#ref0088"><note type="editorial">Seidel, Johann Friedrich</note>J. F. Seidel.</persName></hi><lb/> Lehrer am Grauenkloster. </p><lb/> </div> <div n="2"> <head><hi rendition="#aq">VI</hi>.<lb/> Auszug aus Paul Simmens Lebensgeschichte.</head><lb/> <note type="editorial"> <bibl> <persName ref="#ref1"><note type="editorial"/>Moritz, Karl Philipp</persName> </bibl> </note> <p>Der Ungluͤckliche war in seiner Kindheit ein fluͤchtiger Knabe, dem nichts weniger als das Stillsitzen anstand, der in der Schule von den Grundwahrheiten des Christenthums und dem Uebrigen, was zum Gebrauch des Lebens darinnen gelehrt wird, wenig begriffen, und kaum fertig lesen und seinen eigenen Namen hat schreiben gelernet. Dieß ist das Zeugniß, daß ihm diejenigen geben, die sich noch von jenen Jahren her seiner zu erinnern wissen. </p> <p>Er zeigte fruͤhzeitig Lust zum Soldatenstande. Die Begleiter seiner Jugend erzaͤhlen, daß er woͤchentlich mit Holz nach der Residenz gefahren, wenn er aber solches verkauft, halbe Tage vor der Hauptwache daselbst gestanden, und den Soldaten zugesehen habe. Er ward denn auch in seinem 17ten Jahre Dragoner. </p> <p>Sein Vater, ein Schneider, bestimmte ihn, nach Erlassung aus der Schule, zu seinem Hand-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [38/0040]
er hatte, und so ging er von mir. Sein Vater hat vor etwa 15 Jahren in einem kleinen Flusse seinem Leben ein Ende gemacht.
J. F. Seidel.
Lehrer am Grauenkloster.
VI.
Auszug aus Paul Simmens Lebensgeschichte.
Der Ungluͤckliche war in seiner Kindheit ein fluͤchtiger Knabe, dem nichts weniger als das Stillsitzen anstand, der in der Schule von den Grundwahrheiten des Christenthums und dem Uebrigen, was zum Gebrauch des Lebens darinnen gelehrt wird, wenig begriffen, und kaum fertig lesen und seinen eigenen Namen hat schreiben gelernet. Dieß ist das Zeugniß, daß ihm diejenigen geben, die sich noch von jenen Jahren her seiner zu erinnern wissen.
Er zeigte fruͤhzeitig Lust zum Soldatenstande. Die Begleiter seiner Jugend erzaͤhlen, daß er woͤchentlich mit Holz nach der Residenz gefahren, wenn er aber solches verkauft, halbe Tage vor der Hauptwache daselbst gestanden, und den Soldaten zugesehen habe. Er ward denn auch in seinem 17ten Jahre Dragoner.
Sein Vater, ein Schneider, bestimmte ihn, nach Erlassung aus der Schule, zu seinem Hand-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/40>, abgerufen am 16.02.2025. |