Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0036" n="34"/><lb/> ein gerichtliches Protocolliren gehn, den Herrn Stadtsekretair von B** ersucht, diesem peinlichen Gerichte mit beizuwohnen. Der letzte Gedanke, den ich uͤbrigens um mehr als einer Ursach nicht auszufuͤhren willens war; so sehr mich auch die Anklage dazu berechtigt haͤtte, that indessen die beste Wuͤrkung von der Welt. Der Anblick des Herrn von B* schien ihn eben so sehr, als sein boͤses Bewußtseyn in Verlegenheit zu setzen. Er war weiß, wie Kreide, und fast unfaͤhig, ein Glied zu ruͤhren. Jch hieß ihn niedersitzen, und nun fing ich meine Anrede so an, wie es die traurige Lage der Sache mit sich brachte. Jch hatte, wie Sie leicht denken koͤnnen, mich nicht allein die Tage vom Freitag bis zum Montage hindurch gefaßt zu machen gesucht, ganz maͤßig und gelassen zu sein; sondern ich hatte mir diese Maͤßigkeit und Gelassenheit auch in einem feierlichen, stillen Gebete von Gott erfleht. Jch glaubte sie auch gewiß beobachten zu koͤnnen, in so fern Herr G. mich nicht durch ein hartnaͤckiges Laͤugnen aus meiner Fassung bringen wuͤrde. Mein Gebet war erhoͤrt. Jch blieb bey meinem ganzen Vortrage gelassen, denn Herr G. laͤugnete von dem ganzen Register von Grausamkeiten, die er gegen den kleinen M. bewiesen hat, und die ich Jhnen, aber doch noch nicht alle, letzthin uͤberschrieben habe ― auch noch nicht Eine ab. So entsetzlich dies auch ist, so wahr ist es doch.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [34/0036]
ein gerichtliches Protocolliren gehn, den Herrn Stadtsekretair von B** ersucht, diesem peinlichen Gerichte mit beizuwohnen. Der letzte Gedanke, den ich uͤbrigens um mehr als einer Ursach nicht auszufuͤhren willens war; so sehr mich auch die Anklage dazu berechtigt haͤtte, that indessen die beste Wuͤrkung von der Welt. Der Anblick des Herrn von B* schien ihn eben so sehr, als sein boͤses Bewußtseyn in Verlegenheit zu setzen. Er war weiß, wie Kreide, und fast unfaͤhig, ein Glied zu ruͤhren. Jch hieß ihn niedersitzen, und nun fing ich meine Anrede so an, wie es die traurige Lage der Sache mit sich brachte. Jch hatte, wie Sie leicht denken koͤnnen, mich nicht allein die Tage vom Freitag bis zum Montage hindurch gefaßt zu machen gesucht, ganz maͤßig und gelassen zu sein; sondern ich hatte mir diese Maͤßigkeit und Gelassenheit auch in einem feierlichen, stillen Gebete von Gott erfleht. Jch glaubte sie auch gewiß beobachten zu koͤnnen, in so fern Herr G. mich nicht durch ein hartnaͤckiges Laͤugnen aus meiner Fassung bringen wuͤrde. Mein Gebet war erhoͤrt. Jch blieb bey meinem ganzen Vortrage gelassen, denn Herr G. laͤugnete von dem ganzen Register von Grausamkeiten, die er gegen den kleinen M. bewiesen hat, und die ich Jhnen, aber doch noch nicht alle, letzthin uͤberschrieben habe ― auch noch nicht Eine ab. So entsetzlich dies auch ist, so wahr ist es doch.
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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