Tische die Hand küssen wollte: so stieß er es mit einer fürchterlichen Miene von sich, oder drehte es bei beiden Armen herum, daß es von ihm fortturkelte, u.s.w. Dieß alles ist bereits vor mehr als sechs Wochen geschehen. Seit eben so vieler und vielleicht noch längerer Zeit bemerkten wir an dem jungen M. -- denn mit diesem hat er, wie Jhnen die Folge sagen wird, seine Rolle hauptsächlich gespielt -- bald an den Backen, bald am Knie, bald am Halse blaue, gelbe und schwarze Flecke. Das Kind wurde darüber befragt, und die Antwort war: es hätte sich durch das Wälzen im Bette, an der Bettstelle gestossen. Herr G. (der Hofmeister) bekräftigte dieß gefragt und ungefragt; und that noch obendrein, um sich destomehr zu verstecken, sehr böse darüber. Noch weiterhin und gegen Weihnachten zu, beobachteten wir, daß beide Kinder, vornämlich aber wieder der kleine M., eine wahre knechtische Furcht vor ihrem Lehrer hatten, die so weit ging, daß wenn etwa meine Frau ihn etwas, was ihm angenehm war, thun hieß, er erst etlichemal seinen Lehrer ansah, ob der auch die Gnade hatte, darein zu willigen; bis es meine Frau mit Ernst noch einmal sagte. Schon aus diesem mehrmals merklich gewordenen Ernste hätte der Mensch, hätte er ein redliches Herz, richtige Erkenntniß davon gehabt, daß wir bei den Kindern mehr gälten, als er; und wäre er nur im Schlafe Beobachter gewesen, merken sollen, daß uns eine solche Erziehungsart
Tische die Hand kuͤssen wollte: so stieß er es mit einer fuͤrchterlichen Miene von sich, oder drehte es bei beiden Armen herum, daß es von ihm fortturkelte, u.s.w. Dieß alles ist bereits vor mehr als sechs Wochen geschehen. Seit eben so vieler und vielleicht noch laͤngerer Zeit bemerkten wir an dem jungen M. ― denn mit diesem hat er, wie Jhnen die Folge sagen wird, seine Rolle hauptsaͤchlich gespielt ― bald an den Backen, bald am Knie, bald am Halse blaue, gelbe und schwarze Flecke. Das Kind wurde daruͤber befragt, und die Antwort war: es haͤtte sich durch das Waͤlzen im Bette, an der Bettstelle gestossen. Herr G. (der Hofmeister) bekraͤftigte dieß gefragt und ungefragt; und that noch obendrein, um sich destomehr zu verstecken, sehr boͤse daruͤber. Noch weiterhin und gegen Weihnachten zu, beobachteten wir, daß beide Kinder, vornaͤmlich aber wieder der kleine M., eine wahre knechtische Furcht vor ihrem Lehrer hatten, die so weit ging, daß wenn etwa meine Frau ihn etwas, was ihm angenehm war, thun hieß, er erst etlichemal seinen Lehrer ansah, ob der auch die Gnade hatte, darein zu willigen; bis es meine Frau mit Ernst noch einmal sagte. Schon aus diesem mehrmals merklich gewordenen Ernste haͤtte der Mensch, haͤtte er ein redliches Herz, richtige Erkenntniß davon gehabt, daß wir bei den Kindern mehr gaͤlten, als er; und waͤre er nur im Schlafe Beobachter gewesen, merken sollen, daß uns eine solche Erziehungsart
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Tische die Hand kuͤssen wollte: so stieß er es mit einer fuͤrchterlichen Miene von sich, oder drehte es bei beiden Armen herum, daß es von ihm fortturkelte, u.s.w. Dieß alles ist bereits vor mehr als sechs Wochen geschehen. Seit eben so vieler und vielleicht noch laͤngerer Zeit bemerkten wir an dem jungen M. ― denn mit diesem hat er, wie Jhnen die Folge sagen wird, seine Rolle hauptsaͤchlich gespielt ― bald an den Backen, bald am Knie, bald am Halse blaue, gelbe und schwarze Flecke. Das Kind wurde daruͤber befragt, und die Antwort war: es haͤtte sich durch das Waͤlzen im Bette, an der Bettstelle gestossen. Herr G. (der Hofmeister) bekraͤftigte dieß gefragt und ungefragt; und that noch obendrein, um sich destomehr zu verstecken, sehr boͤse daruͤber. Noch weiterhin und gegen Weihnachten zu, beobachteten wir, daß beide Kinder, vornaͤmlich aber wieder der kleine M., eine wahre knechtische Furcht vor ihrem Lehrer hatten, die so weit ging, daß wenn etwa meine Frau ihn etwas, was ihm angenehm war, thun hieß, er erst etlichemal seinen Lehrer ansah, ob der auch die Gnade hatte, darein zu willigen; bis es meine Frau mit Ernst noch einmal sagte. Schon aus diesem mehrmals merklich gewordenen Ernste haͤtte der Mensch, haͤtte er ein redliches Herz, richtige Erkenntniß davon gehabt, daß wir bei den Kindern mehr gaͤlten, als er; und waͤre er nur im Schlafe Beobachter gewesen, merken sollen, daß uns eine solche Erziehungsart<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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Tische die Hand kuͤssen wollte: so stieß er es mit einer fuͤrchterlichen Miene von sich, oder drehte es bei beiden Armen herum, daß es von ihm fortturkelte, u.s.w. Dieß alles ist bereits vor mehr als sechs Wochen geschehen. Seit eben so vieler und vielleicht noch laͤngerer Zeit bemerkten wir an dem jungen M. ― denn mit diesem hat er, wie Jhnen die Folge sagen wird, seine Rolle hauptsaͤchlich gespielt ― bald an den Backen, bald am Knie, bald am Halse blaue, gelbe und schwarze Flecke. Das Kind wurde daruͤber befragt, und die Antwort war: es haͤtte sich durch das Waͤlzen im Bette, an der Bettstelle gestossen. Herr G. (der Hofmeister) bekraͤftigte dieß gefragt und ungefragt; und that noch obendrein, um sich destomehr zu verstecken, sehr boͤse daruͤber. Noch weiterhin und gegen Weihnachten zu, beobachteten wir, daß beide Kinder, vornaͤmlich aber wieder der kleine M., eine wahre knechtische Furcht vor ihrem Lehrer hatten, die so weit ging, daß wenn etwa meine Frau ihn etwas, was ihm angenehm war, thun hieß, er erst etlichemal seinen Lehrer ansah, ob der auch die Gnade hatte, darein zu willigen; bis es meine Frau mit Ernst noch einmal sagte. Schon aus diesem mehrmals merklich gewordenen Ernste haͤtte der Mensch, haͤtte er ein redliches Herz, richtige Erkenntniß davon gehabt, daß wir bei den Kindern mehr gaͤlten, als er; und waͤre er nur im Schlafe Beobachter gewesen, merken sollen, daß uns eine solche Erziehungsart
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/24>, abgerufen am 16.02.2025.
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