Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0016" n="14"/><lb/> er lieber wo anders in Arbeit gehen, um Unheil zu vermeiden, weil, da sie beide hitzig waͤren, leicht einmal ein ernstlicher Streit daraus entstehen koͤnnte. Bei seinem dritten Meister kamen seine Beaͤngstigungen oͤfter. Man rieth ihm, sich zur Ader zu lassen, aber er scheute die Ausgabe von vier Groschen, und thats nicht. Kam seine bange Stunde waͤhrend der Arbeit, so rissen ihm viel Faͤden, und der fuͤr den Meister daraus erwachsende Nachtheil ging ihm so nah, und die Furcht, vielleicht bald zu keiner Arbeit mehr tauglich zu sein, war ihm so schrecklich, daß er einst den Wunsch bei sich aͤußerte: wenn du doch nicht mehr waͤrst! Diese so schnell gefaßte Jdee verleitete ihn in dieser ungluͤcklichen Stunde einen Mordanschlag zu fassen, um seinem Leben ein Ende zu machen. Da der Meister eben nicht zu Hause war, schickt' er dessen Frau, unter dem Vorwand: ihm Kaͤse zu holen, gleichfalls fort. Seine Meisterin hatte ein Kind von ohngefaͤhr anderthalb Jahren, welches sie, da sie wegging, ihrer blinden Mutter zu tragen gab. Der Ungluͤckliche wollte zwar das Kind in der Zeit selbst warten, welches ihm aber die Meisterin verweigerte; weil sich solches fuͤr ihn nicht schicke. Kaum war die Frau fort, so ergrif er einen bei der Werkstat noͤthigen Hammer, und schlug das Kind mit aller Gewalt auf den Kopf, so, daß es in den Armen der blinden Großmutter verschied. Seine Angst war so groß, daß er sich, wie er hernach im Verhoͤr bezeugte, nicht ein-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [14/0016]
er lieber wo anders in Arbeit gehen, um Unheil zu vermeiden, weil, da sie beide hitzig waͤren, leicht einmal ein ernstlicher Streit daraus entstehen koͤnnte. Bei seinem dritten Meister kamen seine Beaͤngstigungen oͤfter. Man rieth ihm, sich zur Ader zu lassen, aber er scheute die Ausgabe von vier Groschen, und thats nicht. Kam seine bange Stunde waͤhrend der Arbeit, so rissen ihm viel Faͤden, und der fuͤr den Meister daraus erwachsende Nachtheil ging ihm so nah, und die Furcht, vielleicht bald zu keiner Arbeit mehr tauglich zu sein, war ihm so schrecklich, daß er einst den Wunsch bei sich aͤußerte: wenn du doch nicht mehr waͤrst! Diese so schnell gefaßte Jdee verleitete ihn in dieser ungluͤcklichen Stunde einen Mordanschlag zu fassen, um seinem Leben ein Ende zu machen. Da der Meister eben nicht zu Hause war, schickt' er dessen Frau, unter dem Vorwand: ihm Kaͤse zu holen, gleichfalls fort. Seine Meisterin hatte ein Kind von ohngefaͤhr anderthalb Jahren, welches sie, da sie wegging, ihrer blinden Mutter zu tragen gab. Der Ungluͤckliche wollte zwar das Kind in der Zeit selbst warten, welches ihm aber die Meisterin verweigerte; weil sich solches fuͤr ihn nicht schicke. Kaum war die Frau fort, so ergrif er einen bei der Werkstat noͤthigen Hammer, und schlug das Kind mit aller Gewalt auf den Kopf, so, daß es in den Armen der blinden Großmutter verschied. Seine Angst war so groß, daß er sich, wie er hernach im Verhoͤr bezeugte, nicht ein-
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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