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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.

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Nun ich bevestiget gnug schien, so wurde der ganze Zug der ersten vier bis fünf recht frommen Schüler, gar nach Hofe bestellt zum Herzog ins Zimmer; wohin wohl noch niemal solche blaue Mäntel gekommen waren.

Der Herzog war ganz allein; ließ uns setzen, redete mit uns über den Zustand des Herzens; und hieß uns endlich nach der Reihe niederknieen und in seiner Gegenwart beten. Ueber eine ganze Stunde dauerte diese fromme Audienz.

Da ich nicht heucheln konnte, so suchte ich nun mit allem Ernst die sogenannte Versiegelung und die Gewisheit, daß ich ein Kind Gottes, in welcher besondern Bedeutung wußte ich freilich nicht, worden sey.

Kein Winkel im Hause war übrig, wo ich nicht, um gewiß allein und unbemerkt zu seyn, oft geknieet und viele Thränen geweint habe, Gott möge mich dieser großen Gnade würdigen; allein nun fehlete mir das, was jene Glauben nannten; nun sollte ich den Schluß gleich gemacht, und mich selbst durch große Gedanken für alles das angesehen haben, was jene so leicht redeten.

Jch blieb also unter dem Gesetz, in einem gesetzlichen Zustande, wie es hiesse. Herrnhutische Lieder halfen mir eben so wenig, als manche andre neue, die in Salfeld jetzt bekannt, und in diesen Gesellschaften zumal gesungen wurden; ob ich sie gleich auch lieber sang, als manche alte Kirchenlieder.



Nun ich bevestiget gnug schien, so wurde der ganze Zug der ersten vier bis fuͤnf recht frommen Schuͤler, gar nach Hofe bestellt zum Herzog ins Zimmer; wohin wohl noch niemal solche blaue Maͤntel gekommen waren.

Der Herzog war ganz allein; ließ uns setzen, redete mit uns uͤber den Zustand des Herzens; und hieß uns endlich nach der Reihe niederknieen und in seiner Gegenwart beten. Ueber eine ganze Stunde dauerte diese fromme Audienz.

Da ich nicht heucheln konnte, so suchte ich nun mit allem Ernst die sogenannte Versiegelung und die Gewisheit, daß ich ein Kind Gottes, in welcher besondern Bedeutung wußte ich freilich nicht, worden sey.

Kein Winkel im Hause war uͤbrig, wo ich nicht, um gewiß allein und unbemerkt zu seyn, oft geknieet und viele Thraͤnen geweint habe, Gott moͤge mich dieser großen Gnade wuͤrdigen; allein nun fehlete mir das, was jene Glauben nannten; nun sollte ich den Schluß gleich gemacht, und mich selbst durch große Gedanken fuͤr alles das angesehen haben, was jene so leicht redeten.

Jch blieb also unter dem Gesetz, in einem gesetzlichen Zustande, wie es hiesse. Herrnhutische Lieder halfen mir eben so wenig, als manche andre neue, die in Salfeld jetzt bekannt, und in diesen Gesellschaften zumal gesungen wurden; ob ich sie gleich auch lieber sang, als manche alte Kirchenlieder.


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[101/0103] Nun ich bevestiget gnug schien, so wurde der ganze Zug der ersten vier bis fuͤnf recht frommen Schuͤler, gar nach Hofe bestellt zum Herzog ins Zimmer; wohin wohl noch niemal solche blaue Maͤntel gekommen waren. Der Herzog war ganz allein; ließ uns setzen, redete mit uns uͤber den Zustand des Herzens; und hieß uns endlich nach der Reihe niederknieen und in seiner Gegenwart beten. Ueber eine ganze Stunde dauerte diese fromme Audienz. Da ich nicht heucheln konnte, so suchte ich nun mit allem Ernst die sogenannte Versiegelung und die Gewisheit, daß ich ein Kind Gottes, in welcher besondern Bedeutung wußte ich freilich nicht, worden sey. Kein Winkel im Hause war uͤbrig, wo ich nicht, um gewiß allein und unbemerkt zu seyn, oft geknieet und viele Thraͤnen geweint habe, Gott moͤge mich dieser großen Gnade wuͤrdigen; allein nun fehlete mir das, was jene Glauben nannten; nun sollte ich den Schluß gleich gemacht, und mich selbst durch große Gedanken fuͤr alles das angesehen haben, was jene so leicht redeten. Jch blieb also unter dem Gesetz, in einem gesetzlichen Zustande, wie es hiesse. Herrnhutische Lieder halfen mir eben so wenig, als manche andre neue, die in Salfeld jetzt bekannt, und in diesen Gesellschaften zumal gesungen wurden; ob ich sie gleich auch lieber sang, als manche alte Kirchenlieder.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/103>, abgerufen am 24.11.2024.