Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.Diese bezeugten eine sehr grosse Freude; nahmen mich mit in die nächsten Stunden. Es machte großes Aufsehen in der Stadt; die Parthei ließ es zu sehr merken, daß ihr an Unterwerfung mehr als an wahrer Tugend, die ohnehin Naturwerk hieß, gelegen sei. Jch kann nicht sagen, daß mich in der ersten Zeit diese Stunde sehr bewegt oder gerührt hätte; so gar viel abgeschmacktes kam vor, unter den Erzählungen des Seelenzustandes nach den einzelnen Tagen und Stunden; von dem Seelenfreund -- -- immer einerlei; nur immer schlechter und gezwungener. Nach und nach konnte ich doch mein Urtheil wirklich selbst verwerfen, als natürliche sündliche Feindschaft gegen Gott; und so willigte ich wirklich in allem Ernst in alle Schritte und Tritte der neuen Frömmigkeit. Meine bisherige Frölichkeit entwich; ich wurde nun ganz ernsthaft; ich vermied meine vorigen lieben Gesellschafter so sehr, daß ich ihnen aus dem Wege gieng; und wenn mich ja einer anhalten konnte, so redete ich würklich so feierlich und gutmeinend, daß manche Thränen fallen liessen. Weil aber ihre Eltern in der Lage nicht waren, als mein Vater seyn mochte; so wurde aus der Nachfolge, die man von mir her berechnet hatte, fast gar nichts. Diese bezeugten eine sehr grosse Freude; nahmen mich mit in die naͤchsten Stunden. Es machte großes Aufsehen in der Stadt; die Parthei ließ es zu sehr merken, daß ihr an Unterwerfung mehr als an wahrer Tugend, die ohnehin Naturwerk hieß, gelegen sei. Jch kann nicht sagen, daß mich in der ersten Zeit diese Stunde sehr bewegt oder geruͤhrt haͤtte; so gar viel abgeschmacktes kam vor, unter den Erzaͤhlungen des Seelenzustandes nach den einzelnen Tagen und Stunden; von dem Seelenfreund ― ― immer einerlei; nur immer schlechter und gezwungener. Nach und nach konnte ich doch mein Urtheil wirklich selbst verwerfen, als natuͤrliche suͤndliche Feindschaft gegen Gott; und so willigte ich wirklich in allem Ernst in alle Schritte und Tritte der neuen Froͤmmigkeit. Meine bisherige Froͤlichkeit entwich; ich wurde nun ganz ernsthaft; ich vermied meine vorigen lieben Gesellschafter so sehr, daß ich ihnen aus dem Wege gieng; und wenn mich ja einer anhalten konnte, so redete ich wuͤrklich so feierlich und gutmeinend, daß manche Thraͤnen fallen liessen. Weil aber ihre Eltern in der Lage nicht waren, als mein Vater seyn mochte; so wurde aus der Nachfolge, die man von mir her berechnet hatte, fast gar nichts. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <floatingText> <body> <div> <pb facs="#f0102" n="100"/><lb/> <p>Diese bezeugten eine sehr grosse Freude; nahmen mich mit in die naͤchsten Stunden. Es machte großes Aufsehen in der Stadt; die Parthei ließ es zu sehr merken, daß ihr an Unterwerfung mehr als an wahrer Tugend, die ohnehin Naturwerk hieß, gelegen sei. </p> <p>Jch kann nicht sagen, daß mich in der ersten Zeit diese Stunde sehr bewegt oder geruͤhrt haͤtte; so gar viel abgeschmacktes kam vor, unter den Erzaͤhlungen des Seelenzustandes nach den einzelnen Tagen und Stunden; von dem Seelenfreund ― ― immer einerlei; nur immer schlechter und gezwungener. </p> <p>Nach und nach konnte ich doch mein Urtheil wirklich selbst verwerfen, als natuͤrliche suͤndliche Feindschaft gegen Gott; und so willigte ich wirklich in allem Ernst in alle Schritte und Tritte der neuen Froͤmmigkeit. </p> <p>Meine bisherige Froͤlichkeit entwich; ich wurde nun ganz ernsthaft; ich vermied meine vorigen lieben Gesellschafter so sehr, daß ich ihnen aus dem Wege gieng; und wenn mich ja einer anhalten konnte, so redete ich wuͤrklich so feierlich und gutmeinend, daß manche Thraͤnen fallen liessen. </p> <p>Weil aber ihre Eltern in der Lage nicht waren, als mein Vater seyn mochte; so wurde aus der Nachfolge, die man von mir her berechnet hatte, fast gar nichts. </p><lb/> </div> </body> </floatingText> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [100/0102]
Diese bezeugten eine sehr grosse Freude; nahmen mich mit in die naͤchsten Stunden. Es machte großes Aufsehen in der Stadt; die Parthei ließ es zu sehr merken, daß ihr an Unterwerfung mehr als an wahrer Tugend, die ohnehin Naturwerk hieß, gelegen sei.
Jch kann nicht sagen, daß mich in der ersten Zeit diese Stunde sehr bewegt oder geruͤhrt haͤtte; so gar viel abgeschmacktes kam vor, unter den Erzaͤhlungen des Seelenzustandes nach den einzelnen Tagen und Stunden; von dem Seelenfreund ― ― immer einerlei; nur immer schlechter und gezwungener.
Nach und nach konnte ich doch mein Urtheil wirklich selbst verwerfen, als natuͤrliche suͤndliche Feindschaft gegen Gott; und so willigte ich wirklich in allem Ernst in alle Schritte und Tritte der neuen Froͤmmigkeit.
Meine bisherige Froͤlichkeit entwich; ich wurde nun ganz ernsthaft; ich vermied meine vorigen lieben Gesellschafter so sehr, daß ich ihnen aus dem Wege gieng; und wenn mich ja einer anhalten konnte, so redete ich wuͤrklich so feierlich und gutmeinend, daß manche Thraͤnen fallen liessen.
Weil aber ihre Eltern in der Lage nicht waren, als mein Vater seyn mochte; so wurde aus der Nachfolge, die man von mir her berechnet hatte, fast gar nichts.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/102>, abgerufen am 16.02.2025. |