Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

schon Verschiednes davon geäußert, worinn man
aber diese Absicht nicht bemerkt zu haben scheinet.

Jch glaube daher, daß dieses der schicklichste
Ort sey, wo ich jene Bemerkungen weiter ausfüh-
ren, und das Urtheil der Wahrheitsfreunde dar-
über erwarten kann. Für jetzt will ich also zur
Probe von den Resultaten meines Nachdenkens
über die Sprache einiges herausheben.

Mir scheinen die unpersönlichen Zeitwör-
ter
in jeder Sprache vorzüglich zu psychologischen
Bemerkungen Stoff zu geben; weil sie die erste
Empfindung ausdrücken, nach welcher jemand
irgend etwas nicht für eine freie Handlung, die
von ihm abhängt, sondern für etwas von dem Willen
des Menschen unabhängiges hält.

Nun aber liegt wohl in dem ersten Ausdruck
der Empfindung zuweilen mehr Philosophie, als in dem
feinsten und kältesten Räsonnement des gebildeten
Philosophen. Jn diesem Betracht muß uns die
Sprache heilig, und insbesondre die einzelnen
Wörter derselben, in Ansehung ihrer Entstehung,
und ihres innern Gehalts, höchst wichtig seyn.

Einige Philosophen scheinen freilich zu viel
und nicht das Rechte, andre aber auch wieder zu
wenig in der Sprache zu suchen; im Grunde ist sie
doch das einzige, woran wir uns halten können,

um

schon Verschiednes davon geaͤußert, worinn man
aber diese Absicht nicht bemerkt zu haben scheinet.

Jch glaube daher, daß dieses der schicklichste
Ort sey, wo ich jene Bemerkungen weiter ausfuͤh-
ren, und das Urtheil der Wahrheitsfreunde dar-
uͤber erwarten kann. Fuͤr jetzt will ich also zur
Probe von den Resultaten meines Nachdenkens
uͤber die Sprache einiges herausheben.

Mir scheinen die unpersoͤnlichen Zeitwoͤr-
ter
in jeder Sprache vorzuͤglich zu psychologischen
Bemerkungen Stoff zu geben; weil sie die erste
Empfindung ausdruͤcken, nach welcher jemand
irgend etwas nicht fuͤr eine freie Handlung, die
von ihm abhaͤngt, sondern fuͤr etwas von dem Willen
des Menschen unabhaͤngiges haͤlt.

Nun aber liegt wohl in dem ersten Ausdruck
der Empfindung zuweilen mehr Philosophie, als in dem
feinsten und kaͤltesten Raͤsonnement des gebildeten
Philosophen. Jn diesem Betracht muß uns die
Sprache heilig, und insbesondre die einzelnen
Woͤrter derselben, in Ansehung ihrer Entstehung,
und ihres innern Gehalts, hoͤchst wichtig seyn.

Einige Philosophen scheinen freilich zu viel
und nicht das Rechte, andre aber auch wieder zu
wenig in der Sprache zu suchen; im Grunde ist sie
doch das einzige, woran wir uns halten koͤnnen,

um
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0097" n="93"/>
schon Verschiednes davon gea&#x0364;ußert, worinn man<lb/>
aber
             diese Absicht nicht bemerkt zu haben scheinet.</p><lb/>
          <p>Jch glaube daher, daß dieses der schicklichste<lb/>
Ort sey, wo ich jene Bemerkungen
                   weiter ausfu&#x0364;h-<lb/>
ren, und das Urtheil der Wahrheitsfreunde
                   dar-<lb/>
u&#x0364;ber erwarten kann. Fu&#x0364;r jetzt will ich also zur<lb/>
Probe
                   von den Resultaten meines Nachdenkens<lb/>
u&#x0364;ber die Sprache einiges
                   herausheben.</p><lb/>
          <p>Mir scheinen die <hi rendition="#b">unperso&#x0364;nlichen Zeitwo&#x0364;r-<lb/>
ter</hi> in jeder Sprache vorzu&#x0364;glich zu psychologischen<lb/>
Bemerkungen Stoff zu
                   geben; weil sie die erste<lb/>
Empfindung ausdru&#x0364;cken, nach welcher
                   jemand<lb/>
irgend etwas nicht fu&#x0364;r eine <hi rendition="#b">freie</hi> Handlung, die<lb/>
von ihm abha&#x0364;ngt, sondern fu&#x0364;r etwas von dem
                   Willen<lb/>
des Menschen <hi rendition="#b">unabha&#x0364;ngiges</hi> ha&#x0364;lt.</p><lb/>
          <p>Nun aber liegt wohl in dem ersten Ausdruck<lb/>
der Empfindung zuweilen mehr Philosophie,
             als in dem<lb/>
feinsten und ka&#x0364;ltesten Ra&#x0364;sonnement des
             gebildeten<lb/>
Philosophen. Jn diesem Betracht muß uns die<lb/>
Sprache heilig, und
             insbesondre die einzelnen<lb/>
Wo&#x0364;rter derselben, in Ansehung ihrer
             Entstehung,<lb/>
und ihres innern Gehalts, ho&#x0364;chst wichtig seyn.</p><lb/>
          <p>Einige Philosophen scheinen freilich zu viel<lb/>
und nicht das Rechte, andre aber auch
             wieder zu<lb/>
wenig in der Sprache zu suchen; im Grunde ist sie<lb/>
doch das einzige,
             woran wir uns halten ko&#x0364;nnen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">um</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0097] schon Verschiednes davon geaͤußert, worinn man aber diese Absicht nicht bemerkt zu haben scheinet. Jch glaube daher, daß dieses der schicklichste Ort sey, wo ich jene Bemerkungen weiter ausfuͤh- ren, und das Urtheil der Wahrheitsfreunde dar- uͤber erwarten kann. Fuͤr jetzt will ich also zur Probe von den Resultaten meines Nachdenkens uͤber die Sprache einiges herausheben. Mir scheinen die unpersoͤnlichen Zeitwoͤr- ter in jeder Sprache vorzuͤglich zu psychologischen Bemerkungen Stoff zu geben; weil sie die erste Empfindung ausdruͤcken, nach welcher jemand irgend etwas nicht fuͤr eine freie Handlung, die von ihm abhaͤngt, sondern fuͤr etwas von dem Willen des Menschen unabhaͤngiges haͤlt. Nun aber liegt wohl in dem ersten Ausdruck der Empfindung zuweilen mehr Philosophie, als in dem feinsten und kaͤltesten Raͤsonnement des gebildeten Philosophen. Jn diesem Betracht muß uns die Sprache heilig, und insbesondre die einzelnen Woͤrter derselben, in Ansehung ihrer Entstehung, und ihres innern Gehalts, hoͤchst wichtig seyn. Einige Philosophen scheinen freilich zu viel und nicht das Rechte, andre aber auch wieder zu wenig in der Sprache zu suchen; im Grunde ist sie doch das einzige, woran wir uns halten koͤnnen, um

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Gloning, Marc Kuse, Justus-Liebig-Universität: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2013-06-06T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jurgita Baranauskaite, Justus-Liebig-Universität: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-06-06T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-06T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/97
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/97>, abgerufen am 24.11.2024.