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Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783.

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sen, wie sich die Jdeen zuerst von der Farbe,
dann von der Gestalt, dann von der verhält-
nißmäßigen Größe der Gegenstände, nach
und nach in der Seele fixirt haben. Und
könnte man nicht auf die Weise vielleicht dem
geheimen Gange nachspüren, wie das wun-
derbare Gewebe unsrer Gedanken entstanden
ist, und mit der Zeit die ersten Grundfäden
desselben auffinden?

Den ersten starken und bleibenden Eindruck
auf mich machte die freie offne Natur, als meine
Mutter, während des siebenjährigen Krieges, da
ich beinahe drei Jahr alt seyn mochte, aus der
Stadt aufs Land zog. Jch weiß noch, wie ich,
in ihren Mantel gehüllt, mit ihr auf dem Wagen
saß, und gewiß glaubte, daß Bäume und Hecken
vor uns vorbei flögen, so wie der Wagen fortfuhr.
Auch erinnere ich mich noch, wie wir über eine grüne
Wiese fuhren, worauf sich oft Wasser von Regen
gesammlet haben mochte, daß mir damals wie lau-
ter große Seen vorkam; und wie meine Brüder
in rothen Röcken neben dem Wagen hergingen, die
ich zu meiner Verwundrung bald erscheinen, bald
wieder verschwinden sahe.

Von dieser Zeit an scheinet mir mein gegen-
wärtiges Daseyn erst recht seinen Anfang genom-
men zu haben. Der vorige Theil meines Lebens

kömmt
E3

sen, wie sich die Jdeen zuerst von der Farbe,
dann von der Gestalt, dann von der verhaͤlt-
nißmaͤßigen Groͤße der Gegenstaͤnde, nach
und nach in der Seele fixirt haben. Und
koͤnnte man nicht auf die Weise vielleicht dem
geheimen Gange nachspuͤren, wie das wun-
derbare Gewebe unsrer Gedanken entstanden
ist, und mit der Zeit die ersten Grundfaͤden
desselben auffinden?

Den ersten starken und bleibenden Eindruck
auf mich machte die freie offne Natur, als meine
Mutter, waͤhrend des siebenjaͤhrigen Krieges, da
ich beinahe drei Jahr alt seyn mochte, aus der
Stadt aufs Land zog. Jch weiß noch, wie ich,
in ihren Mantel gehuͤllt, mit ihr auf dem Wagen
saß, und gewiß glaubte, daß Baͤume und Hecken
vor uns vorbei floͤgen, so wie der Wagen fortfuhr.
Auch erinnere ich mich noch, wie wir uͤber eine gruͤne
Wiese fuhren, worauf sich oft Wasser von Regen
gesammlet haben mochte, daß mir damals wie lau-
ter große Seen vorkam; und wie meine Bruͤder
in rothen Roͤcken neben dem Wagen hergingen, die
ich zu meiner Verwundrung bald erscheinen, bald
wieder verschwinden sahe.

Von dieser Zeit an scheinet mir mein gegen-
waͤrtiges Daseyn erst recht seinen Anfang genom-
men zu haben. Der vorige Theil meines Lebens

koͤmmt
E3
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[69/0073] sen, wie sich die Jdeen zuerst von der Farbe, dann von der Gestalt, dann von der verhaͤlt- nißmaͤßigen Groͤße der Gegenstaͤnde, nach und nach in der Seele fixirt haben. Und koͤnnte man nicht auf die Weise vielleicht dem geheimen Gange nachspuͤren, wie das wun- derbare Gewebe unsrer Gedanken entstanden ist, und mit der Zeit die ersten Grundfaͤden desselben auffinden? Den ersten starken und bleibenden Eindruck auf mich machte die freie offne Natur, als meine Mutter, waͤhrend des siebenjaͤhrigen Krieges, da ich beinahe drei Jahr alt seyn mochte, aus der Stadt aufs Land zog. Jch weiß noch, wie ich, in ihren Mantel gehuͤllt, mit ihr auf dem Wagen saß, und gewiß glaubte, daß Baͤume und Hecken vor uns vorbei floͤgen, so wie der Wagen fortfuhr. Auch erinnere ich mich noch, wie wir uͤber eine gruͤne Wiese fuhren, worauf sich oft Wasser von Regen gesammlet haben mochte, daß mir damals wie lau- ter große Seen vorkam; und wie meine Bruͤder in rothen Roͤcken neben dem Wagen hergingen, die ich zu meiner Verwundrung bald erscheinen, bald wieder verschwinden sahe. Von dieser Zeit an scheinet mir mein gegen- waͤrtiges Daseyn erst recht seinen Anfang genom- men zu haben. Der vorige Theil meines Lebens koͤmmt E3

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/73>, abgerufen am 26.11.2024.