Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783.Vorstellungen wieder. Auf die Art weiß ich es, Jm meinem dritten Jahre zog meine Mutter Sollten vielleicht gar die Kindheitsideen das ich
Vorstellungen wieder. Auf die Art weiß ich es, Jm meinem dritten Jahre zog meine Mutter Sollten vielleicht gar die Kindheitsideen das ich
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0070" n="66"/> Vorstellungen wieder. Auf die Art weiß ich es,<lb/> wie meine Mutter mich einst im Sturm und Re-<lb/> gen, in ihren Mantel gehuͤllt, auf dem Arme<lb/> trug, und ich mich an sie anschloß, und ich kann<lb/> die wunderbar angenehme Empfindung nicht be-<lb/> schreiben, welche mir diese Erinnerung gewaͤhrt.</p><lb/> <p>Jm meinem dritten Jahre zog meine Mutter<lb/> mit mir aus meiner Geburtsstadt weg, die ich seit-<lb/> dem nicht wieder gesehen habe. Jch erinnere mich<lb/> aber demohngeachtet noch einiger Gegenstaͤnde, die<lb/> dort einen vorzuͤglichen Eindruck auf mich machten.<lb/> Einer dunkeln tiefen Stube bei unserm Nachbar, den<lb/> wir des Abends zuweilen zu besuchen pflegten. Der<lb/> kleinen Schiffe, welche auf der Weser fuhren, und<lb/> wo ich einige Weiber am Rande sitzen sahe. Eines<lb/> Brunnens nicht weit von unserm Hause, dessen<lb/> Bild mir immer auf eine ganz eigne Art im Ge-<lb/> daͤchtniß geschwebt hat, und wobei es mir noch jetzt<lb/> in diesen Augenblick ist, als ob ich wehmuͤthig in<lb/> eine dunkle Ferne blickte.</p><lb/> <p>Sollten vielleicht gar die Kindheitsideen das<lb/> feine unmerkliche Band seyn, welches unsern gegen-<lb/> waͤrtigen Zustand an den vergangnen knuͤpft, wenn<lb/> anders dasjenige, was jetzt unser <hi rendition="#b">Jch</hi> ausmacht,<lb/> schon einmal, in andern Verhaͤltnissen, da war?<lb/> Unzaͤhligemale weiß ich schon, daß ich mich bei ir-<lb/> gend einer Kleinigkeit an etwas erinnert habe, und<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ich</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [66/0070]
Vorstellungen wieder. Auf die Art weiß ich es,
wie meine Mutter mich einst im Sturm und Re-
gen, in ihren Mantel gehuͤllt, auf dem Arme
trug, und ich mich an sie anschloß, und ich kann
die wunderbar angenehme Empfindung nicht be-
schreiben, welche mir diese Erinnerung gewaͤhrt.
Jm meinem dritten Jahre zog meine Mutter
mit mir aus meiner Geburtsstadt weg, die ich seit-
dem nicht wieder gesehen habe. Jch erinnere mich
aber demohngeachtet noch einiger Gegenstaͤnde, die
dort einen vorzuͤglichen Eindruck auf mich machten.
Einer dunkeln tiefen Stube bei unserm Nachbar, den
wir des Abends zuweilen zu besuchen pflegten. Der
kleinen Schiffe, welche auf der Weser fuhren, und
wo ich einige Weiber am Rande sitzen sahe. Eines
Brunnens nicht weit von unserm Hause, dessen
Bild mir immer auf eine ganz eigne Art im Ge-
daͤchtniß geschwebt hat, und wobei es mir noch jetzt
in diesen Augenblick ist, als ob ich wehmuͤthig in
eine dunkle Ferne blickte.
Sollten vielleicht gar die Kindheitsideen das
feine unmerkliche Band seyn, welches unsern gegen-
waͤrtigen Zustand an den vergangnen knuͤpft, wenn
anders dasjenige, was jetzt unser Jch ausmacht,
schon einmal, in andern Verhaͤltnissen, da war?
Unzaͤhligemale weiß ich schon, daß ich mich bei ir-
gend einer Kleinigkeit an etwas erinnert habe, und
ich
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(2013-06-06T11:00:00Z)
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Jurgita Baranauskaite, Justus-Liebig-Universität: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2013-06-06T11:00:00Z)
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