Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Nach einiger Zeit sagte er: nun Bruder,
geh' zu Bette, ich will auch ein wenig schlafen! --
Sein Bruder mußte seinem Bitten nachge-
ben, ging zu Hause, und legte sich ein paar Stun-
den nieder. Die noch lebende Mutter des seeligen,
welche er in seinen drei Ämtern beständig bei sich ge-
habt, und sie immer auf das zärtlichste geliebt hat,
blieb noch einen Theil der Nacht bei ihm, und er
tröstete sie ebenfalls über seinen Verlust, und rühm-
te ihr vieles von seinem Bruder, der nun künftig
ihre Stütze seyn, und gewiß bald und unversehens
eine gute Versorgung erhalten würde: auch wieder-
hohlte er ihr die Worte desselben, worüber er sich
kurz vorher so gefreuet hatte.

Bald nachher erheiterte sich auf einmal seine
ganze Miene. Ei wie schön! sagte er lächelnd, o
das ist was Herrliches! solch einen Gesang habe ich
noch nie gehört! wenn doch das mein Bruder hö-
ren könnte! --

Er schlummerte ein wenig. -- Den Montag
Morgen kam sein Bruder zu ihm, und fand ihn
im Bette aufgerichtet sitzen, und eine Tasse Kaffee
trinken, worinn er Zwieback tunkte und aß. Gott
sey Dank, rief sein Bruder, daß ich Dich besser
finde! Ja, antwortete er, mir ist besser! und als
der Arzt kam, fragte er ihn, ob er wohl etwas Wein
trinken dürfte, und wie viele Gläser? zugleich bat

er

Nach einiger Zeit sagte er: nun Bruder,
geh‘ zu Bette, ich will auch ein wenig schlafen! —
Sein Bruder mußte seinem Bitten nachge-
ben, ging zu Hause, und legte sich ein paar Stun-
den nieder. Die noch lebende Mutter des seeligen,
welche er in seinen drei Aͤmtern bestaͤndig bei sich ge-
habt, und sie immer auf das zaͤrtlichste geliebt hat,
blieb noch einen Theil der Nacht bei ihm, und er
troͤstete sie ebenfalls uͤber seinen Verlust, und ruͤhm-
te ihr vieles von seinem Bruder, der nun kuͤnftig
ihre Stuͤtze seyn, und gewiß bald und unversehens
eine gute Versorgung erhalten wuͤrde: auch wieder-
hohlte er ihr die Worte desselben, woruͤber er sich
kurz vorher so gefreuet hatte.

Bald nachher erheiterte sich auf einmal seine
ganze Miene. Ei wie schoͤn! sagte er laͤchelnd, o
das ist was Herrliches! solch einen Gesang habe ich
noch nie gehoͤrt! wenn doch das mein Bruder hoͤ-
ren koͤnnte! —

Er schlummerte ein wenig. — Den Montag
Morgen kam sein Bruder zu ihm, und fand ihn
im Bette aufgerichtet sitzen, und eine Tasse Kaffee
trinken, worinn er Zwieback tunkte und aß. Gott
sey Dank, rief sein Bruder, daß ich Dich besser
finde! Ja, antwortete er, mir ist besser! und als
der Arzt kam, fragte er ihn, ob er wohl etwas Wein
trinken duͤrfte, und wie viele Glaͤser? zugleich bat

er
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0066" n="62"/>
          <p>Nach einiger Zeit sagte er: nun Bruder,<lb/>
geh&#x2018; zu Bette, ich will auch ein wenig
                   schlafen! &#x2014;<lb/>
Sein Bruder mußte seinem Bitten nachge-<lb/>
ben, ging zu Hause,
                   und legte sich ein paar Stun-<lb/>
den nieder. Die noch lebende Mutter des
                   seeligen,<lb/>
welche er in seinen drei A&#x0364;mtern besta&#x0364;ndig bei sich
                   ge-<lb/>
habt, und sie immer auf das za&#x0364;rtlichste geliebt hat,<lb/>
blieb
                   noch einen Theil der Nacht bei ihm, und er<lb/>
tro&#x0364;stete sie ebenfalls
                   u&#x0364;ber seinen Verlust, und ru&#x0364;hm-<lb/>
te ihr vieles von seinem
                   Bruder, der nun ku&#x0364;nftig<lb/>
ihre Stu&#x0364;tze seyn, und <hi rendition="#b">gewiß</hi> bald und unversehens<lb/>
eine gute Versorgung
                   erhalten wu&#x0364;rde: auch wieder-<lb/>
hohlte er ihr die Worte desselben,
                   woru&#x0364;ber er sich<lb/>
kurz vorher so gefreuet hatte.</p><lb/>
          <p>Bald nachher erheiterte sich auf einmal seine<lb/>
ganze Miene. Ei wie
                   scho&#x0364;n! sagte er la&#x0364;chelnd, o<lb/>
das ist was Herrliches! solch
                   einen Gesang habe ich<lb/>
noch nie geho&#x0364;rt! wenn doch das mein Bruder
                   ho&#x0364;-<lb/>
ren ko&#x0364;nnte! &#x2014;</p><lb/>
          <p>Er schlummerte ein wenig. &#x2014; Den Montag<lb/>
Morgen kam sein Bruder zu ihm, und fand
                   ihn<lb/>
im Bette aufgerichtet sitzen, und eine Tasse Kaffee<lb/>
trinken, worinn er
                   Zwieback tunkte und aß. Gott<lb/>
sey Dank, rief sein Bruder, daß ich Dich
                   besser<lb/>
finde! Ja, antwortete er, mir ist besser! und als<lb/>
der Arzt kam,
                   fragte er ihn, ob er wohl etwas Wein<lb/>
trinken du&#x0364;rfte, und wie viele
                   Gla&#x0364;ser? zugleich bat<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">er</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0066] Nach einiger Zeit sagte er: nun Bruder, geh‘ zu Bette, ich will auch ein wenig schlafen! — Sein Bruder mußte seinem Bitten nachge- ben, ging zu Hause, und legte sich ein paar Stun- den nieder. Die noch lebende Mutter des seeligen, welche er in seinen drei Aͤmtern bestaͤndig bei sich ge- habt, und sie immer auf das zaͤrtlichste geliebt hat, blieb noch einen Theil der Nacht bei ihm, und er troͤstete sie ebenfalls uͤber seinen Verlust, und ruͤhm- te ihr vieles von seinem Bruder, der nun kuͤnftig ihre Stuͤtze seyn, und gewiß bald und unversehens eine gute Versorgung erhalten wuͤrde: auch wieder- hohlte er ihr die Worte desselben, woruͤber er sich kurz vorher so gefreuet hatte. Bald nachher erheiterte sich auf einmal seine ganze Miene. Ei wie schoͤn! sagte er laͤchelnd, o das ist was Herrliches! solch einen Gesang habe ich noch nie gehoͤrt! wenn doch das mein Bruder hoͤ- ren koͤnnte! — Er schlummerte ein wenig. — Den Montag Morgen kam sein Bruder zu ihm, und fand ihn im Bette aufgerichtet sitzen, und eine Tasse Kaffee trinken, worinn er Zwieback tunkte und aß. Gott sey Dank, rief sein Bruder, daß ich Dich besser finde! Ja, antwortete er, mir ist besser! und als der Arzt kam, fragte er ihn, ob er wohl etwas Wein trinken duͤrfte, und wie viele Glaͤser? zugleich bat er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Gloning, Marc Kuse, Justus-Liebig-Universität: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2013-06-06T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jurgita Baranauskaite, Justus-Liebig-Universität: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-06-06T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-06T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/66
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/66>, abgerufen am 27.11.2024.