Mertens, den ich in dieser
Absicht aus dem hiesigen Chariteehause zu mir nahm.
Er schien es zu wissen, daß ihm ein Sinn mangle, indem er allemal mit dem Kopfe
schüt- telte, und eine betrübte Miene machte, sobald
man auf das Ohr zeigte. Auch schien er den Mangel der Sprache zu
empfinden, und bezeigte eine große Begierde, reden zu lernen.
Gleich anfänglich bildete er mir zwar die leichten Buchstaben b, d, f, u. s. w. durch die Bewegung des Mundes nach,
aber er setzte keinen vernehmlichen Laut hinzu, bis ich durch Lachen
und Husten, welches er mir ebenfalls nachmachte, end- lich einen Ton aus
seiner Kehle hervorlockte, und ihn nun in demselben Augenblick die obigen
Buch- staben, mit diesem Tone verknüpft, wieder aus- sprechen
ließ. Dieß alles war das Geschäft einer einzigen Stunde.
Anstatt der Buchstabencharaktere machte ich ihm nun erstlich einige
natürliche Zeichen, und fand zu meiner größten Verwundrung,
daß er eine klei- ne Wellenlinie, gänzlich ohne mein Zuthun,
und von freien Stücken, sogleich mit der Volubilität
der Zunge verfolgte, und dieses wiederhohlte, so oft ich ihm diese Linie
wieder vorzeichnete, so, daß er auf die Weise zuerst das l aussprechen lernte.
Eben so verfolgte er nachher, auch ohne mein Zuthun,
den
Mertens, den ich in dieser
Absicht aus dem hiesigen Chariteehause zu mir nahm.
Er schien es zu wissen, daß ihm ein Sinn mangle, indem er allemal mit dem Kopfe
schuͤt- telte, und eine betruͤbte Miene machte, sobald
man auf das Ohr zeigte. Auch schien er den Mangel der Sprache zu
empfinden, und bezeigte eine große Begierde, reden zu lernen.
Gleich anfaͤnglich bildete er mir zwar die leichten Buchstaben b, d, f, u. s. w. durch die Bewegung des Mundes nach,
aber er setzte keinen vernehmlichen Laut hinzu, bis ich durch Lachen
und Husten, welches er mir ebenfalls nachmachte, end- lich einen Ton aus
seiner Kehle hervorlockte, und ihn nun in demselben Augenblick die obigen
Buch- staben, mit diesem Tone verknuͤpft, wieder aus- sprechen
ließ. Dieß alles war das Geschaͤft einer einzigen Stunde.
Anstatt der Buchstabencharaktere machte ich ihm nun erstlich einige
natuͤrliche Zeichen, und fand zu meiner groͤßten Verwundrung,
daß er eine klei- ne Wellenlinie, gaͤnzlich ohne mein Zuthun,
und von freien Stuͤcken, sogleich mit der Volubilitaͤt
der Zunge verfolgte, und dieses wiederhohlte, so oft ich ihm diese Linie
wieder vorzeichnete, so, daß er auf die Weise zuerst das l aussprechen lernte.
Eben so verfolgte er nachher, auch ohne mein Zuthun,
den
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0044"n="40"/><hirendition="#b">Mertens,</hi> den ich in dieser
Absicht aus dem hiesigen<lb/>
Chariteehause zu mir nahm.</p><lb/><p>Er schien es zu wissen, daß ihm ein Sinn<lb/>
mangle, indem er allemal mit dem Kopfe
schuͤt-<lb/>
telte, und eine betruͤbte Miene machte, sobald
man<lb/>
auf das Ohr zeigte. Auch schien er den Mangel<lb/>
der Sprache zu
empfinden, und bezeigte eine große<lb/>
Begierde, reden zu lernen.</p><lb/><p>Gleich anfaͤnglich bildete er mir zwar die<lb/>
leichten Buchstaben <hirendition="#b">b, d, f,</hi> u. s. w. durch die<lb/>
Bewegung des Mundes nach,
aber er setzte keinen<lb/>
vernehmlichen Laut hinzu, bis ich durch Lachen
und<lb/>
Husten, welches er mir ebenfalls nachmachte, end-<lb/>
lich einen Ton aus
seiner Kehle hervorlockte, und<lb/>
ihn nun in demselben Augenblick die obigen
Buch-<lb/>
staben, mit diesem Tone verknuͤpft, wieder aus-<lb/>
sprechen
ließ. Dieß alles war das Geschaͤft einer<lb/>
einzigen Stunde.</p><lb/><p>Anstatt der Buchstabencharaktere machte ich<lb/>
ihm nun erstlich einige
natuͤrliche Zeichen, und fand<lb/>
zu meiner groͤßten Verwundrung,
daß er eine klei-<lb/>
ne Wellenlinie, gaͤnzlich ohne mein Zuthun,
und<lb/>
von freien Stuͤcken, sogleich mit der Volubilitaͤt
der<lb/>
Zunge verfolgte, und dieses wiederhohlte, so oft<lb/>
ich ihm diese Linie
wieder vorzeichnete, so, daß er<lb/>
auf die Weise zuerst das <hirendition="#b">l</hi> aussprechen lernte.
Eben<lb/>
so verfolgte er nachher, auch ohne mein Zuthun,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">den</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[40/0044]
Mertens, den ich in dieser Absicht aus dem hiesigen
Chariteehause zu mir nahm.
Er schien es zu wissen, daß ihm ein Sinn
mangle, indem er allemal mit dem Kopfe schuͤt-
telte, und eine betruͤbte Miene machte, sobald man
auf das Ohr zeigte. Auch schien er den Mangel
der Sprache zu empfinden, und bezeigte eine große
Begierde, reden zu lernen.
Gleich anfaͤnglich bildete er mir zwar die
leichten Buchstaben b, d, f, u. s. w. durch die
Bewegung des Mundes nach, aber er setzte keinen
vernehmlichen Laut hinzu, bis ich durch Lachen und
Husten, welches er mir ebenfalls nachmachte, end-
lich einen Ton aus seiner Kehle hervorlockte, und
ihn nun in demselben Augenblick die obigen Buch-
staben, mit diesem Tone verknuͤpft, wieder aus-
sprechen ließ. Dieß alles war das Geschaͤft einer
einzigen Stunde.
Anstatt der Buchstabencharaktere machte ich
ihm nun erstlich einige natuͤrliche Zeichen, und fand
zu meiner groͤßten Verwundrung, daß er eine klei-
ne Wellenlinie, gaͤnzlich ohne mein Zuthun, und
von freien Stuͤcken, sogleich mit der Volubilitaͤt der
Zunge verfolgte, und dieses wiederhohlte, so oft
ich ihm diese Linie wieder vorzeichnete, so, daß er
auf die Weise zuerst das l aussprechen lernte. Eben
so verfolgte er nachher, auch ohne mein Zuthun,
den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Thomas Gloning, Marc Kuse, Justus-Liebig-Universität: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2013-06-06T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jurgita Baranauskaite, Justus-Liebig-Universität: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2013-06-06T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-06-06T11:00:00Z)
Weitere Informationen:
Anmerkungen zur Transkription:
Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/44>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.