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Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783.

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1) *) Mangel der verhältnißmäßigen
Uebereinstimmung
aller Seelenfähigkeiten ist
Seelenkrankheit.

Es kömmt daher nicht sowohl auf die Stärke
oder Schwäche einer einzelnen Seelenfähigkeit, an
und für sich betrachtet, an, als vielmehr, in wie ferne
dieselbe, in Absicht aller übrigen Seelenfähigkeiten,
entweder zu stark oder zu schwach ist.

Eine sehr starke Einbildungskraft kann daher
bei einem solchen, wo Gedächtniß, Beurtheilungs-
kraft u. s. w. ihr die Wage halten, in einem völlig
gesunden Zustande der Seele statt finden; bei einem
andern, wo dieses der Fall nicht ist, kann sie Krank-
heit seyn.

Hieraus folget, daß ein jeder Mensch nach
dem ihm eignen Maaß seiner Seelenfähigkeiten, auch
seinen eignen Seelengesundheitszustand habe, und
daß selbst dieser nach dem verschiednen Alter dessel-
ben abwechselt; so daß z. B. ein gewisser Grad
der Beurtheilungskraft, der in spätern Jahren na-

türlich
*) Wegen der auffallenden Ähnlichkeit, welche die Er-
fahrungsseelenkunde mit der Arzneikunde im Ganzen
hat, ist mir des Herrn Doktor Markus Herz
medicinische Encyklopedie,
bei meinen Betrach-
tungen über die Seelenkrankheitskunde sehr zu stat-
ten gekommen.
Magazin 1stes St. C

1) *) Mangel der verhaͤltnißmaͤßigen
Uebereinstimmung
aller Seelenfaͤhigkeiten ist
Seelenkrankheit.

Es koͤmmt daher nicht sowohl auf die Staͤrke
oder Schwaͤche einer einzelnen Seelenfaͤhigkeit, an
und fuͤr sich betrachtet, an, als vielmehr, in wie ferne
dieselbe, in Absicht aller uͤbrigen Seelenfaͤhigkeiten,
entweder zu stark oder zu schwach ist.

Eine sehr starke Einbildungskraft kann daher
bei einem solchen, wo Gedaͤchtniß, Beurtheilungs-
kraft u. s. w. ihr die Wage halten, in einem voͤllig
gesunden Zustande der Seele statt finden; bei einem
andern, wo dieses der Fall nicht ist, kann sie Krank-
heit seyn.

Hieraus folget, daß ein jeder Mensch nach
dem ihm eignen Maaß seiner Seelenfaͤhigkeiten, auch
seinen eignen Seelengesundheitszustand habe, und
daß selbst dieser nach dem verschiednen Alter dessel-
ben abwechselt; so daß z. B. ein gewisser Grad
der Beurtheilungskraft, der in spaͤtern Jahren na-

tuͤrlich
*) Wegen der auffallenden Aͤhnlichkeit, welche die Er-
fahrungsseelenkunde mit der Arzneikunde im Ganzen
hat, ist mir des Herrn Doktor Markus Herz
medicinische Encyklopedie,
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[33/0037] 1) *) Mangel der verhaͤltnißmaͤßigen Uebereinstimmung aller Seelenfaͤhigkeiten ist Seelenkrankheit. Es koͤmmt daher nicht sowohl auf die Staͤrke oder Schwaͤche einer einzelnen Seelenfaͤhigkeit, an und fuͤr sich betrachtet, an, als vielmehr, in wie ferne dieselbe, in Absicht aller uͤbrigen Seelenfaͤhigkeiten, entweder zu stark oder zu schwach ist. Eine sehr starke Einbildungskraft kann daher bei einem solchen, wo Gedaͤchtniß, Beurtheilungs- kraft u. s. w. ihr die Wage halten, in einem voͤllig gesunden Zustande der Seele statt finden; bei einem andern, wo dieses der Fall nicht ist, kann sie Krank- heit seyn. Hieraus folget, daß ein jeder Mensch nach dem ihm eignen Maaß seiner Seelenfaͤhigkeiten, auch seinen eignen Seelengesundheitszustand habe, und daß selbst dieser nach dem verschiednen Alter dessel- ben abwechselt; so daß z. B. ein gewisser Grad der Beurtheilungskraft, der in spaͤtern Jahren na- tuͤrlich *) Wegen der auffallenden Aͤhnlichkeit, welche die Er- fahrungsseelenkunde mit der Arzneikunde im Ganzen hat, ist mir des Herrn Doktor Markus Herz medicinische Encyklopedie, bei meinen Betrach- tungen uͤber die Seelenkrankheitskunde sehr zu stat- ten gekommen. Magazin 1stes St. C

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/37>, abgerufen am 21.11.2024.