kannten, von jeher ein stiller, arbeitsamer und
got- tesfürchtiger Mensch, dabei aber immer sehr
ein- fältig, schüchtern, und mehr zur Traurigkeit, als zur
Freude aufgelegt. Schon in seiner ersten Ju- gend hat er oft schleunige
Anfälle von Tiefsinn, und wunderlichem Wesen geäußert, daher
ihn auch die andern Knaben den Spottnahmen, der irre Sey- bell,
beilegten.
Er war immer außerordentlich vollblütig, und zu heftigem Aufwallen,
und Andrang des Bluts nach dem Kopfe geneigt, wobei sich starke
Unruhe, Angst, und Bangigkeit einfand, die sich mit
der Vollblütigkeit und Wallung im Blute vermehrte und verminderte,
in spätern Jahren aber in eine wahre melancholische Schwermuth
ausartete.
Er hatte seine Profession nicht vollkommen genug erlernet, um sich davon
ernähren zu können; auch konnte er sich in seinem Dienste bei
verschied- nen Herrschaften nicht recht behelfen; dabei war er sich mit
Unmuth seiner eignen Einfalt und Schwäche bewußt, und
befürchtete beständig, daß seine Herr- schaft seiner
überdrüssig werden, und ihn fortja- gen möchte, wo er
alsdann ganz verlassen und ohne Brodt seyn würde. Aus dieser Ursach
verließ er so schleunig, und ohne den geringsten ihm gegebnen Anlaß,
seinen Dienst bei dem Herrn Hofrath Oeß- feld in Potsdam, wollte sich bei dem
Herrn Haupt-
mann
kannten, von jeher ein stiller, arbeitsamer und
got- tesfuͤrchtiger Mensch, dabei aber immer sehr
ein- faͤltig, schuͤchtern, und mehr zur Traurigkeit, als zur
Freude aufgelegt. Schon in seiner ersten Ju- gend hat er oft schleunige
Anfaͤlle von Tiefsinn, und wunderlichem Wesen geaͤußert, daher
ihn auch die andern Knaben den Spottnahmen, der irre Sey- bell,
beilegten.
Er war immer außerordentlich vollbluͤtig, und zu heftigem Aufwallen,
und Andrang des Bluts nach dem Kopfe geneigt, wobei sich starke
Unruhe, Angst, und Bangigkeit einfand, die sich mit
der Vollbluͤtigkeit und Wallung im Blute vermehrte und verminderte,
in spaͤtern Jahren aber in eine wahre melancholische Schwermuth
ausartete.
Er hatte seine Profession nicht vollkommen genug erlernet, um sich davon
ernaͤhren zu koͤnnen; auch konnte er sich in seinem Dienste bei
verschied- nen Herrschaften nicht recht behelfen; dabei war er sich mit
Unmuth seiner eignen Einfalt und Schwaͤche bewußt, und
befuͤrchtete bestaͤndig, daß seine Herr- schaft seiner
uͤberdruͤssig werden, und ihn fortja- gen moͤchte, wo er
alsdann ganz verlassen und ohne Brodt seyn wuͤrde. Aus dieser Ursach
verließ er so schleunig, und ohne den geringsten ihm gegebnen Anlaß,
seinen Dienst bei dem Herrn Hofrath Oeß- feld in Potsdam, wollte sich bei dem
Herrn Haupt-
mann
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kannten, von jeher ein stiller, arbeitsamer und got-
tesfuͤrchtiger Mensch, dabei aber immer sehr ein-
faͤltig, schuͤchtern, und mehr zur Traurigkeit, als
zur Freude aufgelegt. Schon in seiner ersten Ju-
gend hat er oft schleunige Anfaͤlle von Tiefsinn, und
wunderlichem Wesen geaͤußert, daher ihn auch die
andern Knaben den Spottnahmen, der irre Sey-
bell, beilegten.
Er war immer außerordentlich vollbluͤtig, und
zu heftigem Aufwallen, und Andrang des Bluts
nach dem Kopfe geneigt, wobei sich starke Unruhe,
Angst, und Bangigkeit einfand, die sich mit der
Vollbluͤtigkeit und Wallung im Blute vermehrte und
verminderte, in spaͤtern Jahren aber in eine wahre
melancholische Schwermuth ausartete.
Er hatte seine Profession nicht vollkommen
genug erlernet, um sich davon ernaͤhren zu koͤnnen;
auch konnte er sich in seinem Dienste bei verschied-
nen Herrschaften nicht recht behelfen; dabei war er
sich mit Unmuth seiner eignen Einfalt und Schwaͤche
bewußt, und befuͤrchtete bestaͤndig, daß seine Herr-
schaft seiner uͤberdruͤssig werden, und ihn fortja-
gen moͤchte, wo er alsdann ganz verlassen und ohne
Brodt seyn wuͤrde. Aus dieser Ursach verließ er
so schleunig, und ohne den geringsten ihm gegebnen
Anlaß, seinen Dienst bei dem Herrn Hofrath Oeß-
feld in Potsdam, wollte sich bei dem Herrn Haupt-
mann
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Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/31>, abgerufen am 17.02.2025.
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