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Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783.

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daß er die dicht neben ihm wohnende französische
Mademoiselle gar gern hat heirathen wollen *).
Bloß der Umstand, daß sie sich mit ihm einsperren
sollte, verhinderte diese Verbindung, da sonst ein
reicher, noch wohl aussehender Mann, der auch
Welt hatte, von einem Frauenzimmer nicht leicht
möchte ausgeschlagen werden.

Noch eine wunderliche Einbildung dieses
Mannes zu berühren, muß ich seines Traumbu-
ches erwähnen. Er hielt die Träume für eine Art
von göttlicher Eingebung, und schrieb sie sorgfäl-
tig früh Morgens sogleich auf. Freilich würde die-
ses kein Geschäfte für manchen mit Arbeit belästig-
ten Mann seyn; aber Herr Klug hatte eigentlich
gar nichts zu thun, und zu leben hatte er doch.
Man erzählt, daß ihm unter andern geträumt habe,
er solle seinen Vetter drei Tage hungern lassen: die-
ses habe er auch richtig gethan, und der junge
Mensch habe in der Zeit nichts zu essen bekommen.

Ja, dieser bei ihm auf der Stube eingesperrte
Vetter ist durch Schläge von ihm dahin gebracht
worden, eidlich zu versichern, daß er seines Onkels
Träume für göttliche Eingebung halte.


Die
*) Mit dieser Mademoiselle unterredete er sich auch
oftmals, indem er alsdann seine Stubenthüre öf-
fnete, und sich ihr präsentirte.

daß er die dicht neben ihm wohnende franzoͤsische
Mademoiselle gar gern hat heirathen wollen *).
Bloß der Umstand, daß sie sich mit ihm einsperren
sollte, verhinderte diese Verbindung, da sonst ein
reicher, noch wohl aussehender Mann, der auch
Welt hatte, von einem Frauenzimmer nicht leicht
moͤchte ausgeschlagen werden.

Noch eine wunderliche Einbildung dieses
Mannes zu beruͤhren, muß ich seines Traumbu-
ches erwaͤhnen. Er hielt die Traͤume fuͤr eine Art
von goͤttlicher Eingebung, und schrieb sie sorgfaͤl-
tig fruͤh Morgens sogleich auf. Freilich wuͤrde die-
ses kein Geschaͤfte fuͤr manchen mit Arbeit belaͤstig-
ten Mann seyn; aber Herr Klug hatte eigentlich
gar nichts zu thun, und zu leben hatte er doch.
Man erzaͤhlt, daß ihm unter andern getraͤumt habe,
er solle seinen Vetter drei Tage hungern lassen: die-
ses habe er auch richtig gethan, und der junge
Mensch habe in der Zeit nichts zu essen bekommen.

Ja, dieser bei ihm auf der Stube eingesperrte
Vetter ist durch Schlaͤge von ihm dahin gebracht
worden, eidlich zu versichern, daß er seines Onkels
Traͤume fuͤr goͤttliche Eingebung halte.


Die
*) Mit dieser Mademoiselle unterredete er sich auch
oftmals, indem er alsdann seine Stubenthuͤre oͤf-
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[14/0018] daß er die dicht neben ihm wohnende franzoͤsische Mademoiselle gar gern hat heirathen wollen *). Bloß der Umstand, daß sie sich mit ihm einsperren sollte, verhinderte diese Verbindung, da sonst ein reicher, noch wohl aussehender Mann, der auch Welt hatte, von einem Frauenzimmer nicht leicht moͤchte ausgeschlagen werden. Noch eine wunderliche Einbildung dieses Mannes zu beruͤhren, muß ich seines Traumbu- ches erwaͤhnen. Er hielt die Traͤume fuͤr eine Art von goͤttlicher Eingebung, und schrieb sie sorgfaͤl- tig fruͤh Morgens sogleich auf. Freilich wuͤrde die- ses kein Geschaͤfte fuͤr manchen mit Arbeit belaͤstig- ten Mann seyn; aber Herr Klug hatte eigentlich gar nichts zu thun, und zu leben hatte er doch. Man erzaͤhlt, daß ihm unter andern getraͤumt habe, er solle seinen Vetter drei Tage hungern lassen: die- ses habe er auch richtig gethan, und der junge Mensch habe in der Zeit nichts zu essen bekommen. Ja, dieser bei ihm auf der Stube eingesperrte Vetter ist durch Schlaͤge von ihm dahin gebracht worden, eidlich zu versichern, daß er seines Onkels Traͤume fuͤr goͤttliche Eingebung halte. Die *) Mit dieser Mademoiselle unterredete er sich auch oftmals, indem er alsdann seine Stubenthuͤre oͤf- fnete, und sich ihr praͤsentirte.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/18>, abgerufen am 18.12.2024.