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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783.

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nern auf seinem Kopfe, und drückte durch Pantomime aus, indem er nach dem brennenden Feuer im Ofen wieß, das der Teufel die Juden in die Hölle führen würde.

Dieses mußte ihm natürlicher Weise von seinen Eltern oder andern Leuten in der Kindheit durch Zeichen beigebracht seyn. Aber nun wollte ich untersuchen, ob er auch wohl einen Begriff von Sünde oder Unrecht im religiösen Verstande habe, und zeichnete ihm in dieser Absicht ein Cruzifix aufs Papier, wo ich an dem Kopfe Hörner, und an Händen und Füßen Krallen anbrachte, mit welchen er sich nehmlich den Teufel vorstellte.

Sein Abscheu dagegen war unbeschreiblich. Er sahe mich starr und mit Entsetzen an, und das erste, was er that, war, daß er diese Hörner und Krallen, wovon die Dinte noch naß war, so geschwind er konnte, wieder auswischte, gleichsam, als ob er den Anblick nicht länger ertragen könnte. Jndem er auf mich wieß und einen Bart bezeichnete, äusserte er, ich sey wohl selbst ein Jude, oder doch so schlimm wie ein Jude.

Er erzählte dieses sogleich mit eben den verabscheuenden Gebehrden meiner Aufwärterin wieder, und seitdem äußert er auch beständig großen Zweifel an meiner Seeligkeit. Diese bezeichnet er, indem er die Arme wie Flügel leicht emporschweben läßt, und dabei eine heitre, lächelnde Miene annimmt; da er hingegen die Verdammniß auf vorerwähnte


nern auf seinem Kopfe, und druͤckte durch Pantomime aus, indem er nach dem brennenden Feuer im Ofen wieß, das der Teufel die Juden in die Hoͤlle fuͤhren wuͤrde.

Dieses mußte ihm natuͤrlicher Weise von seinen Eltern oder andern Leuten in der Kindheit durch Zeichen beigebracht seyn. Aber nun wollte ich untersuchen, ob er auch wohl einen Begriff von Suͤnde oder Unrecht im religioͤsen Verstande habe, und zeichnete ihm in dieser Absicht ein Cruzifix aufs Papier, wo ich an dem Kopfe Hoͤrner, und an Haͤnden und Fuͤßen Krallen anbrachte, mit welchen er sich nehmlich den Teufel vorstellte.

Sein Abscheu dagegen war unbeschreiblich. Er sahe mich starr und mit Entsetzen an, und das erste, was er that, war, daß er diese Hoͤrner und Krallen, wovon die Dinte noch naß war, so geschwind er konnte, wieder auswischte, gleichsam, als ob er den Anblick nicht laͤnger ertragen koͤnnte. Jndem er auf mich wieß und einen Bart bezeichnete, aͤusserte er, ich sey wohl selbst ein Jude, oder doch so schlimm wie ein Jude.

Er erzaͤhlte dieses sogleich mit eben den verabscheuenden Gebehrden meiner Aufwaͤrterin wieder, und seitdem aͤußert er auch bestaͤndig großen Zweifel an meiner Seeligkeit. Diese bezeichnet er, indem er die Arme wie Fluͤgel leicht emporschweben laͤßt, und dabei eine heitre, laͤchelnde Miene annimmt; da er hingegen die Verdammniß auf vorerwaͤhnte

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[77/0081] nern auf seinem Kopfe, und druͤckte durch Pantomime aus, indem er nach dem brennenden Feuer im Ofen wieß, das der Teufel die Juden in die Hoͤlle fuͤhren wuͤrde. Dieses mußte ihm natuͤrlicher Weise von seinen Eltern oder andern Leuten in der Kindheit durch Zeichen beigebracht seyn. Aber nun wollte ich untersuchen, ob er auch wohl einen Begriff von Suͤnde oder Unrecht im religioͤsen Verstande habe, und zeichnete ihm in dieser Absicht ein Cruzifix aufs Papier, wo ich an dem Kopfe Hoͤrner, und an Haͤnden und Fuͤßen Krallen anbrachte, mit welchen er sich nehmlich den Teufel vorstellte. Sein Abscheu dagegen war unbeschreiblich. Er sahe mich starr und mit Entsetzen an, und das erste, was er that, war, daß er diese Hoͤrner und Krallen, wovon die Dinte noch naß war, so geschwind er konnte, wieder auswischte, gleichsam, als ob er den Anblick nicht laͤnger ertragen koͤnnte. Jndem er auf mich wieß und einen Bart bezeichnete, aͤusserte er, ich sey wohl selbst ein Jude, oder doch so schlimm wie ein Jude. Er erzaͤhlte dieses sogleich mit eben den verabscheuenden Gebehrden meiner Aufwaͤrterin wieder, und seitdem aͤußert er auch bestaͤndig großen Zweifel an meiner Seeligkeit. Diese bezeichnet er, indem er die Arme wie Fluͤgel leicht emporschweben laͤßt, und dabei eine heitre, laͤchelnde Miene annimmt; da er hingegen die Verdammniß auf vorerwaͤhnte

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/81>, abgerufen am 24.11.2024.