Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783.Das Gespräch dieses Mannes war sehr lehrreich für mich und heiterte meine Seele wieder in etwas auf. Der Große war unterdessen wieder gekommen, und sah mich ziemlich hämisch an; man läutete zu Tische, aber ich blieb zu Hause, denn ich hatte weder Lust zu essen noch zu trinken. Jch war nun allein und überließ mich ganz meiner schwärmerischen Phantasie, rennte wie ein Rasender herum, und sprach für mich ganz laut. Es klinkte jemand; es war aber zugeschlossen; ich öfnete die Thür und es war der Jnspektor; er hatte ein Paar lederne Handschuh in der Hand und schlug damit nach meiner Backe; zum Glück für ihn bog ich aus; Jhr unordentlicher Mensch, sagte er zu mir, könnt' ihr denn nicht zu Tische gehn? -- Mich hungert nicht, Herr Jnspektor. -- Es wird Euch schon schmecken! kommt doch einmal mit herüber! Jch ging und er führte mich an einen Tisch, worauf einige zinnernne Schüsseln mit Essen standen, da, sagte er, stellt Euch hin und eßt. -- Jch dachte, ich sollte vor Demuth in die Erde sinken, welch ein Ton! -- Jch aß nicht. Er sprach einiges mit mir. Aber ich merkte, daß ich ihm so wenig gefiel, als er mir. Man kam von Tische und er befahl mir auf meine Stube zu gehn und ruhig zu sein. Hier fand ich viele, die ich noch nicht gesehen hatte. Der Senior fragte mich, wo ich denn gesteckt hätte? Jch Das Gespraͤch dieses Mannes war sehr lehrreich fuͤr mich und heiterte meine Seele wieder in etwas auf. Der Große war unterdessen wieder gekommen, und sah mich ziemlich haͤmisch an; man laͤutete zu Tische, aber ich blieb zu Hause, denn ich hatte weder Lust zu essen noch zu trinken. Jch war nun allein und uͤberließ mich ganz meiner schwaͤrmerischen Phantasie, rennte wie ein Rasender herum, und sprach fuͤr mich ganz laut. Es klinkte jemand; es war aber zugeschlossen; ich oͤfnete die Thuͤr und es war der Jnspektor; er hatte ein Paar lederne Handschuh in der Hand und schlug damit nach meiner Backe; zum Gluͤck fuͤr ihn bog ich aus; Jhr unordentlicher Mensch, sagte er zu mir, koͤnnt' ihr denn nicht zu Tische gehn? ― Mich hungert nicht, Herr Jnspektor. ― Es wird Euch schon schmecken! kommt doch einmal mit heruͤber! Jch ging und er fuͤhrte mich an einen Tisch, worauf einige zinnernne Schuͤsseln mit Essen standen, da, sagte er, stellt Euch hin und eßt. ― Jch dachte, ich sollte vor Demuth in die Erde sinken, welch ein Ton! ― Jch aß nicht. Er sprach einiges mit mir. Aber ich merkte, daß ich ihm so wenig gefiel, als er mir. Man kam von Tische und er befahl mir auf meine Stube zu gehn und ruhig zu sein. Hier fand ich viele, die ich noch nicht gesehen hatte. Der Senior fragte mich, wo ich denn gesteckt haͤtte? Jch <TEI> <text> <body> <div> <div> <pb facs="#f0019" n="15"/><lb/> <p>Das Gespraͤch dieses Mannes war sehr lehrreich fuͤr mich und heiterte meine Seele wieder in etwas auf. Der Große war unterdessen wieder gekommen, und sah mich ziemlich haͤmisch an; man laͤutete zu Tische, aber ich blieb zu Hause, denn ich hatte weder Lust zu essen noch zu trinken. Jch war nun allein und uͤberließ mich ganz meiner schwaͤrmerischen Phantasie, rennte wie ein Rasender herum, und sprach fuͤr mich ganz laut. Es klinkte jemand; es war aber zugeschlossen; ich oͤfnete die Thuͤr und es war der Jnspektor; er hatte ein Paar lederne Handschuh in der Hand und schlug damit nach meiner Backe; zum Gluͤck fuͤr ihn bog ich aus; Jhr unordentlicher Mensch, sagte er zu mir, koͤnnt' ihr denn nicht zu Tische gehn? ― Mich hungert nicht, Herr Jnspektor. ― Es wird Euch schon schmecken! kommt doch einmal mit heruͤber! Jch ging und er fuͤhrte mich an einen Tisch, worauf einige zinnernne Schuͤsseln mit Essen standen, da, sagte er, stellt Euch hin und eßt. ― Jch dachte, ich sollte vor Demuth in die Erde sinken, welch ein Ton! ― Jch aß nicht. Er sprach einiges mit mir. Aber ich merkte, daß ich ihm so wenig gefiel, als er mir. Man kam von Tische und er befahl mir auf meine Stube zu gehn und ruhig zu sein. Hier fand ich viele, die ich noch nicht gesehen hatte. Der Senior fragte mich, wo ich denn gesteckt haͤtte? Jch<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0019]
Das Gespraͤch dieses Mannes war sehr lehrreich fuͤr mich und heiterte meine Seele wieder in etwas auf. Der Große war unterdessen wieder gekommen, und sah mich ziemlich haͤmisch an; man laͤutete zu Tische, aber ich blieb zu Hause, denn ich hatte weder Lust zu essen noch zu trinken. Jch war nun allein und uͤberließ mich ganz meiner schwaͤrmerischen Phantasie, rennte wie ein Rasender herum, und sprach fuͤr mich ganz laut. Es klinkte jemand; es war aber zugeschlossen; ich oͤfnete die Thuͤr und es war der Jnspektor; er hatte ein Paar lederne Handschuh in der Hand und schlug damit nach meiner Backe; zum Gluͤck fuͤr ihn bog ich aus; Jhr unordentlicher Mensch, sagte er zu mir, koͤnnt' ihr denn nicht zu Tische gehn? ― Mich hungert nicht, Herr Jnspektor. ― Es wird Euch schon schmecken! kommt doch einmal mit heruͤber! Jch ging und er fuͤhrte mich an einen Tisch, worauf einige zinnernne Schuͤsseln mit Essen standen, da, sagte er, stellt Euch hin und eßt. ― Jch dachte, ich sollte vor Demuth in die Erde sinken, welch ein Ton! ― Jch aß nicht. Er sprach einiges mit mir. Aber ich merkte, daß ich ihm so wenig gefiel, als er mir. Man kam von Tische und er befahl mir auf meine Stube zu gehn und ruhig zu sein. Hier fand ich viele, die ich noch nicht gesehen hatte. Der Senior fragte mich, wo ich denn gesteckt haͤtte? Jch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/19 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/19>, abgerufen am 16.07.2024. |