Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783."Also kennst Du jetzt Küsters Johann doch, ob Du ihn gleich nicht siehest, Du kennst ihn an dem, was er thut. Phil. Haha, nun besinne ich mich; Sie sagten einmal, man könne die Seele an dem kennen, was sie thut. "Nun daran wird auch Dein Vater die Deinige wieder kennen. Du weißt schon, daß sich alle Menschenseelen besinnen, oder denken, daß sie manche Dinge wollen, und manche nicht wollen; daran sind sie sich alle ähnlich. Deine Seele denkt und will, die Seelen Deiner Brüder denken und wollen auch; daran seyd Jhr Euch also ähnlich. Aber weil ein jeder von Euch, seine eigene Art, zu denken und zu wollen hat, so kann man Euch auch wieder von einander unterscheiden und jeden besonders kennen. Verstehst Du das? Phil. Nein! "Nun so höre mir zu, ich will Dich deutlicher unterrichten. Der Küster läutet, sein Sohn auch; daran sind sie sich --? Phil. Aehnlich! "Richtig, wenn Dir also jemand sagt, es hat geläutet, so weißt Du, daß es jemand von Küsters Leuten gethan hat; aber weißt Du nun auch schon, ob es Johann oder sein Vater war? Phil. Nein! "Warum nicht? »Also kennst Du jetzt Kuͤsters Johann doch, ob Du ihn gleich nicht siehest, Du kennst ihn an dem, was er thut. Phil. Haha, nun besinne ich mich; Sie sagten einmal, man koͤnne die Seele an dem kennen, was sie thut. »Nun daran wird auch Dein Vater die Deinige wieder kennen. Du weißt schon, daß sich alle Menschenseelen besinnen, oder denken, daß sie manche Dinge wollen, und manche nicht wollen; daran sind sie sich alle aͤhnlich. Deine Seele denkt und will, die Seelen Deiner Bruͤder denken und wollen auch; daran seyd Jhr Euch also aͤhnlich. Aber weil ein jeder von Euch, seine eigene Art, zu denken und zu wollen hat, so kann man Euch auch wieder von einander unterscheiden und jeden besonders kennen. Verstehst Du das? Phil. Nein! »Nun so hoͤre mir zu, ich will Dich deutlicher unterrichten. Der Kuͤster laͤutet, sein Sohn auch; daran sind sie sich ―? Phil. Aehnlich! »Richtig, wenn Dir also jemand sagt, es hat gelaͤutet, so weißt Du, daß es jemand von Kuͤsters Leuten gethan hat; aber weißt Du nun auch schon, ob es Johann oder sein Vater war? Phil. Nein! »Warum nicht? <TEI> <text> <body> <div> <div> <pb facs="#f0121" n="117"/><lb/> <p>»Also kennst Du jetzt Kuͤsters Johann doch, ob Du ihn gleich nicht siehest, Du kennst ihn an dem, was er thut. </p> <p><hi rendition="#b">Phil.</hi> Haha, nun besinne ich mich; Sie sagten einmal, man koͤnne die Seele an dem kennen, was sie thut. </p> <p>»Nun daran wird auch Dein Vater die Deinige wieder kennen. Du weißt schon, daß sich alle Menschenseelen besinnen, oder denken, daß sie manche Dinge wollen, und manche nicht wollen; daran sind sie sich alle aͤhnlich. Deine Seele denkt und will, die Seelen Deiner Bruͤder denken und wollen auch; daran seyd Jhr Euch also aͤhnlich. Aber weil ein jeder von Euch, seine eigene Art, zu denken und zu wollen hat, so kann man Euch auch wieder von einander unterscheiden und jeden besonders kennen. Verstehst Du das? </p> <p><hi rendition="#b">Phil.</hi> Nein! </p> <p>»Nun so hoͤre mir zu, ich will Dich deutlicher unterrichten. Der Kuͤster laͤutet, sein Sohn auch; daran sind sie sich ―? </p> <p><hi rendition="#b">Phil.</hi> Aehnlich! </p> <p>»Richtig, wenn Dir also jemand sagt, es hat gelaͤutet, so weißt Du, daß es jemand von Kuͤsters Leuten gethan hat; aber weißt Du nun auch schon, ob es Johann oder sein Vater war? </p> <p><hi rendition="#b">Phil.</hi> Nein! </p> <p>»Warum nicht? </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [117/0121]
»Also kennst Du jetzt Kuͤsters Johann doch, ob Du ihn gleich nicht siehest, Du kennst ihn an dem, was er thut.
Phil. Haha, nun besinne ich mich; Sie sagten einmal, man koͤnne die Seele an dem kennen, was sie thut.
»Nun daran wird auch Dein Vater die Deinige wieder kennen. Du weißt schon, daß sich alle Menschenseelen besinnen, oder denken, daß sie manche Dinge wollen, und manche nicht wollen; daran sind sie sich alle aͤhnlich. Deine Seele denkt und will, die Seelen Deiner Bruͤder denken und wollen auch; daran seyd Jhr Euch also aͤhnlich. Aber weil ein jeder von Euch, seine eigene Art, zu denken und zu wollen hat, so kann man Euch auch wieder von einander unterscheiden und jeden besonders kennen. Verstehst Du das?
Phil. Nein!
»Nun so hoͤre mir zu, ich will Dich deutlicher unterrichten. Der Kuͤster laͤutet, sein Sohn auch; daran sind sie sich ―?
Phil. Aehnlich!
»Richtig, wenn Dir also jemand sagt, es hat gelaͤutet, so weißt Du, daß es jemand von Kuͤsters Leuten gethan hat; aber weißt Du nun auch schon, ob es Johann oder sein Vater war?
Phil. Nein!
»Warum nicht?
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/121>, abgerufen am 17.02.2025. |