Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite


Plane führt er nun am liebsten selbst aus, ohne seine Geschwister daran Theil nehmen zu lassen; nicht aus Mangel der Geselligkeit, sondern weil ihre Projekte gewöhnlich mit den seinigen in Kollision kommen und er bei seinen Entwürfen schlechterdings nach seinem Sinne handelt. Dem Rathe erwachsener Personen folgt er dabei gern, nur müssen sie ihm das Ganze nicht zerstören wollen, sondern bloß die Miene eines Gehülfen annehmen. Uebrigens ist er bei den Spielen, mit andern, nicht eigensinnig, sondern sehr friedfertig, und verlangt nie bei einer Sache, bei welcher er nur Theilnehmer ist, seinen Willen zu haben.

Einer seiner Lieblingszeitvertreibe ist das Blumen- und Jnsektensammeln, wobei er alle andere Freuden, sogar oft das Mittagessen vergißt, und gern mit einem Butterbrot fürlieb nimmt, wenn man ihn nur nicht von seinen kleinen botanischen Excursionen zurückruft. Er hat dabei auf die kleinsten Pflanzen Acht, und erkundigt sich, wenn er ein neues, ihm noch unbekanntes Blümchen findet, sogleich nach dem Namen desselben, oft auch: "obs der Apotheker brauchen kann."

Sein Blick ist lebhaft und scharf; seine Sprache deutlich und angenehm, und seine offene, immer heitere und freundliche Miene, scheint einem jeden zu sagen, daß er es mit der ganzen Welt gut meint, und daß in seinem Herzen nicht das mindeste Falsche ist.



Plane fuͤhrt er nun am liebsten selbst aus, ohne seine Geschwister daran Theil nehmen zu lassen; nicht aus Mangel der Geselligkeit, sondern weil ihre Projekte gewoͤhnlich mit den seinigen in Kollision kommen und er bei seinen Entwuͤrfen schlechterdings nach seinem Sinne handelt. Dem Rathe erwachsener Personen folgt er dabei gern, nur muͤssen sie ihm das Ganze nicht zerstoͤren wollen, sondern bloß die Miene eines Gehuͤlfen annehmen. Uebrigens ist er bei den Spielen, mit andern, nicht eigensinnig, sondern sehr friedfertig, und verlangt nie bei einer Sache, bei welcher er nur Theilnehmer ist, seinen Willen zu haben.

Einer seiner Lieblingszeitvertreibe ist das Blumen- und Jnsektensammeln, wobei er alle andere Freuden, sogar oft das Mittagessen vergißt, und gern mit einem Butterbrot fuͤrlieb nimmt, wenn man ihn nur nicht von seinen kleinen botanischen Excursionen zuruͤckruft. Er hat dabei auf die kleinsten Pflanzen Acht, und erkundigt sich, wenn er ein neues, ihm noch unbekanntes Bluͤmchen findet, sogleich nach dem Namen desselben, oft auch: »obs der Apotheker brauchen kann.«

Sein Blick ist lebhaft und scharf; seine Sprache deutlich und angenehm, und seine offene, immer heitere und freundliche Miene, scheint einem jeden zu sagen, daß er es mit der ganzen Welt gut meint, und daß in seinem Herzen nicht das mindeste Falsche ist.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <p><pb facs="#f0116" n="112"/><lb/>
Plane fu&#x0364;hrt er nun am liebsten selbst aus, ohne seine                         Geschwister daran Theil nehmen zu lassen; nicht aus Mangel der Geselligkeit,                         sondern weil ihre Projekte gewo&#x0364;hnlich mit den seinigen in Kollision kommen                         und er bei seinen Entwu&#x0364;rfen schlechterdings nach seinem Sinne handelt. Dem                         Rathe erwachsener Personen folgt er dabei gern, nur mu&#x0364;ssen sie ihm das Ganze                         nicht zersto&#x0364;ren wollen, sondern bloß die Miene eines Gehu&#x0364;lfen annehmen.                         Uebrigens ist er bei den Spielen, mit andern, nicht eigensinnig, sondern                         sehr friedfertig, und verlangt nie bei einer Sache, bei welcher er nur                         Theilnehmer ist, seinen Willen zu haben. </p>
          <p>Einer seiner Lieblingszeitvertreibe ist das Blumen- und                         Jnsektensammeln, wobei er alle andere Freuden, sogar oft das Mittagessen                         vergißt, und gern mit einem Butterbrot fu&#x0364;rlieb nimmt, wenn man ihn nur nicht                         von seinen kleinen botanischen Excursionen zuru&#x0364;ckruft. Er hat dabei auf die                         kleinsten Pflanzen Acht, und erkundigt sich, wenn er ein neues, ihm noch                         unbekanntes Blu&#x0364;mchen findet, sogleich nach dem Namen desselben, oft auch:                         »obs der Apotheker brauchen kann.« </p>
          <p>Sein Blick ist lebhaft und scharf; seine Sprache deutlich und                         angenehm, und seine offene, immer heitere und freundliche Miene, scheint                         einem jeden zu sagen, daß er es mit der ganzen Welt gut meint, und daß in                         seinem Herzen nicht das mindeste Falsche ist. </p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0116] Plane fuͤhrt er nun am liebsten selbst aus, ohne seine Geschwister daran Theil nehmen zu lassen; nicht aus Mangel der Geselligkeit, sondern weil ihre Projekte gewoͤhnlich mit den seinigen in Kollision kommen und er bei seinen Entwuͤrfen schlechterdings nach seinem Sinne handelt. Dem Rathe erwachsener Personen folgt er dabei gern, nur muͤssen sie ihm das Ganze nicht zerstoͤren wollen, sondern bloß die Miene eines Gehuͤlfen annehmen. Uebrigens ist er bei den Spielen, mit andern, nicht eigensinnig, sondern sehr friedfertig, und verlangt nie bei einer Sache, bei welcher er nur Theilnehmer ist, seinen Willen zu haben. Einer seiner Lieblingszeitvertreibe ist das Blumen- und Jnsektensammeln, wobei er alle andere Freuden, sogar oft das Mittagessen vergißt, und gern mit einem Butterbrot fuͤrlieb nimmt, wenn man ihn nur nicht von seinen kleinen botanischen Excursionen zuruͤckruft. Er hat dabei auf die kleinsten Pflanzen Acht, und erkundigt sich, wenn er ein neues, ihm noch unbekanntes Bluͤmchen findet, sogleich nach dem Namen desselben, oft auch: »obs der Apotheker brauchen kann.« Sein Blick ist lebhaft und scharf; seine Sprache deutlich und angenehm, und seine offene, immer heitere und freundliche Miene, scheint einem jeden zu sagen, daß er es mit der ganzen Welt gut meint, und daß in seinem Herzen nicht das mindeste Falsche ist.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/116
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/116>, abgerufen am 24.11.2024.