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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783.

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zum Tanzen und Springen liefen, oder wenn sich sonst wer betrunken hatte. Wie sie nun in eben diesem Gebote den frommen und keuschen Jüngling Joseph in dem Bildercatechismus erblickte, wie ihn Potiphars Weib beim Kleide hielt, so glaubte sie, das wäre ein Fehler in dem Bildercatechismus, und gehöre ins siebente Gebot, weil sie dachte, Joseph hätte stehlen wollen, und wäre dabei erhascht. Wie ich ihr aber, so viel die Wohlanständigkeit erlaubte, verständlich machte, was die Ursache davon wäre, gerieth sie in eine rechte Verbitterung auf das Weib. Nach dem siebenten Gebote bemerkte sie, daß es schon hier bestraft würde, wenn jemand stehle, wovon sie denn viele Exempel anführte. Und so wußte sie auch leicht anzuzeigen, was in dem achten, neunten und zehnten Gebot enthalten sey.

So weit ging alles gut, aber wie wir im Gebete Christi oder Vaterunser an die fünfte Bitte kamen: und vergieb uns unsere Sündenschuld! da glaubte sie, das wären nur bloße offenbare Missethäter, die das bitten müßten; wie ich sie aber überführen wollte, daß alle Menschen Sünder und Schuldner wären vor Gott, daß kein König, kein Fürst, kein Priester, in Summa kein Mensch wäre, der nicht sündigte, so zog sie die Schultern, und bedauerte es sehr, daß sie denn manchen für so ganz fromm angesehen hätte, und thäte doch noch Sünde. Und daß


zum Tanzen und Springen liefen, oder wenn sich sonst wer betrunken hatte. Wie sie nun in eben diesem Gebote den frommen und keuschen Juͤngling Joseph in dem Bildercatechismus erblickte, wie ihn Potiphars Weib beim Kleide hielt, so glaubte sie, das waͤre ein Fehler in dem Bildercatechismus, und gehoͤre ins siebente Gebot, weil sie dachte, Joseph haͤtte stehlen wollen, und waͤre dabei erhascht. Wie ich ihr aber, so viel die Wohlanstaͤndigkeit erlaubte, verstaͤndlich machte, was die Ursache davon waͤre, gerieth sie in eine rechte Verbitterung auf das Weib. Nach dem siebenten Gebote bemerkte sie, daß es schon hier bestraft wuͤrde, wenn jemand stehle, wovon sie denn viele Exempel anfuͤhrte. Und so wußte sie auch leicht anzuzeigen, was in dem achten, neunten und zehnten Gebot enthalten sey.

So weit ging alles gut, aber wie wir im Gebete Christi oder Vaterunser an die fuͤnfte Bitte kamen: und vergieb uns unsere Suͤndenschuld! da glaubte sie, das waͤren nur bloße offenbare Missethaͤter, die das bitten muͤßten; wie ich sie aber uͤberfuͤhren wollte, daß alle Menschen Suͤnder und Schuldner waͤren vor Gott, daß kein Koͤnig, kein Fuͤrst, kein Priester, in Summa kein Mensch waͤre, der nicht suͤndigte, so zog sie die Schultern, und bedauerte es sehr, daß sie denn manchen fuͤr so ganz fromm angesehen haͤtte, und thaͤte doch noch Suͤnde. Und daß

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[98/0102] zum Tanzen und Springen liefen, oder wenn sich sonst wer betrunken hatte. Wie sie nun in eben diesem Gebote den frommen und keuschen Juͤngling Joseph in dem Bildercatechismus erblickte, wie ihn Potiphars Weib beim Kleide hielt, so glaubte sie, das waͤre ein Fehler in dem Bildercatechismus, und gehoͤre ins siebente Gebot, weil sie dachte, Joseph haͤtte stehlen wollen, und waͤre dabei erhascht. Wie ich ihr aber, so viel die Wohlanstaͤndigkeit erlaubte, verstaͤndlich machte, was die Ursache davon waͤre, gerieth sie in eine rechte Verbitterung auf das Weib. Nach dem siebenten Gebote bemerkte sie, daß es schon hier bestraft wuͤrde, wenn jemand stehle, wovon sie denn viele Exempel anfuͤhrte. Und so wußte sie auch leicht anzuzeigen, was in dem achten, neunten und zehnten Gebot enthalten sey. So weit ging alles gut, aber wie wir im Gebete Christi oder Vaterunser an die fuͤnfte Bitte kamen: und vergieb uns unsere Suͤndenschuld! da glaubte sie, das waͤren nur bloße offenbare Missethaͤter, die das bitten muͤßten; wie ich sie aber uͤberfuͤhren wollte, daß alle Menschen Suͤnder und Schuldner waͤren vor Gott, daß kein Koͤnig, kein Fuͤrst, kein Priester, in Summa kein Mensch waͤre, der nicht suͤndigte, so zog sie die Schultern, und bedauerte es sehr, daß sie denn manchen fuͤr so ganz fromm angesehen haͤtte, und thaͤte doch noch Suͤnde. Und daß

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/102>, abgerufen am 22.11.2024.