Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.
Empfänglichkeit einer so schweren Krankheit, hatte ich ohne Zweifel schon lange vorher in meinem Körper gehabt. Fast alle Menschen sagten mir lange vorher: ich sähe schlecht und mißfarbig aus, obschon ich selbst, vermuthlich wegen der übertriebnen Anstrengung meiner Seelenkräfte, nichts widernatürliches im Körper verspürte. Es ist bekannt (wiewohl deßwegen nicht minder wunderbar) daß eine lebhafte Aufmerksamkeit, oder eine überspannte Thätigkeit, auf eine kurze Zeit, die größte Unordnung im Körper oft unfühlbar zu machen fähig ist, (man wird daher auf Reisen, wo abwechselnde mannichfaltige Gegenstände unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, nur selten krank, und die
Empfaͤnglichkeit einer so schweren Krankheit, hatte ich ohne Zweifel schon lange vorher in meinem Koͤrper gehabt. Fast alle Menschen sagten mir lange vorher: ich saͤhe schlecht und mißfarbig aus, obschon ich selbst, vermuthlich wegen der uͤbertriebnen Anstrengung meiner Seelenkraͤfte, nichts widernatuͤrliches im Koͤrper verspuͤrte. Es ist bekannt (wiewohl deßwegen nicht minder wunderbar) daß eine lebhafte Aufmerksamkeit, oder eine uͤberspannte Thaͤtigkeit, auf eine kurze Zeit, die groͤßte Unordnung im Koͤrper oft unfuͤhlbar zu machen faͤhig ist, (man wird daher auf Reisen, wo abwechselnde mannichfaltige Gegenstaͤnde unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, nur selten krank, und die <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0050" n="46"/><lb/> mich schlechterdings aufgaben. S.. mein einziger ordinirender Arzt, dem ich ganz allein mein Leben zu danken habe, kuͤndigte meinen Todt den zweiten Tag meiner Krankheit allen meinen Bekannten an; ob schon ich noch in der Stube herumging. Er kennt, wie er sich ausdruͤckte, diese Krankheit vorzuͤglich, hat sie sehr oft behandelt, und noch nie ist ihm einer daran genesen. Die Uebrigen, als M.., F.., V.. sahn die Wichtigkeit der Krankheit nicht sobald ein, und wurden daher erst einige Tage nachher meine Todesverkuͤndiger. Es war die Krankheit, an der <hi rendition="#b">Hirschel</hi> und der junge <hi rendition="#b">Muzel</hi> starb; die Krankheit, von der, der vierzig Jahr prakticirende M.. sagt, daß er nur zwei Menschen daran curirt habe! </p> <p>Empfaͤnglichkeit einer so schweren Krankheit, hatte ich ohne Zweifel schon lange vorher in meinem Koͤrper gehabt. Fast alle Menschen sagten mir lange vorher: ich saͤhe schlecht und mißfarbig aus, obschon ich selbst, vermuthlich wegen der uͤbertriebnen Anstrengung meiner Seelenkraͤfte, nichts widernatuͤrliches im Koͤrper verspuͤrte. Es ist bekannt (wiewohl deßwegen nicht minder wunderbar) daß eine lebhafte Aufmerksamkeit, oder eine uͤberspannte Thaͤtigkeit, auf eine kurze Zeit, die groͤßte Unordnung im Koͤrper oft unfuͤhlbar zu machen faͤhig ist, (man wird daher auf Reisen, wo abwechselnde mannichfaltige Gegenstaͤnde unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, nur selten krank, und die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [46/0050]
mich schlechterdings aufgaben. S.. mein einziger ordinirender Arzt, dem ich ganz allein mein Leben zu danken habe, kuͤndigte meinen Todt den zweiten Tag meiner Krankheit allen meinen Bekannten an; ob schon ich noch in der Stube herumging. Er kennt, wie er sich ausdruͤckte, diese Krankheit vorzuͤglich, hat sie sehr oft behandelt, und noch nie ist ihm einer daran genesen. Die Uebrigen, als M.., F.., V.. sahn die Wichtigkeit der Krankheit nicht sobald ein, und wurden daher erst einige Tage nachher meine Todesverkuͤndiger. Es war die Krankheit, an der Hirschel und der junge Muzel starb; die Krankheit, von der, der vierzig Jahr prakticirende M.. sagt, daß er nur zwei Menschen daran curirt habe!
Empfaͤnglichkeit einer so schweren Krankheit, hatte ich ohne Zweifel schon lange vorher in meinem Koͤrper gehabt. Fast alle Menschen sagten mir lange vorher: ich saͤhe schlecht und mißfarbig aus, obschon ich selbst, vermuthlich wegen der uͤbertriebnen Anstrengung meiner Seelenkraͤfte, nichts widernatuͤrliches im Koͤrper verspuͤrte. Es ist bekannt (wiewohl deßwegen nicht minder wunderbar) daß eine lebhafte Aufmerksamkeit, oder eine uͤberspannte Thaͤtigkeit, auf eine kurze Zeit, die groͤßte Unordnung im Koͤrper oft unfuͤhlbar zu machen faͤhig ist, (man wird daher auf Reisen, wo abwechselnde mannichfaltige Gegenstaͤnde unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, nur selten krank, und die
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/50>, abgerufen am 27.07.2024. |