Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.
Sie wollen meine Krankheit, und ihren ganzen Gang wissen, mein lieber Freund, und das von mir! An meine Aerzte hätten Sie sich wenden müssen. Jch war den größten Theil der Zeit nicht ich, und den Uebrigen hielt meine Phantasie mich in einer ganz andren Welt, in einem ganz andren Zusammenhange der Dinge fest. -- Jndessen so viel ich davon weiß, empfunden oder erzählen hören, will ich Jhnen mittheilen. Jch kenne das menschliche Gemüth, es wird Jhre unverstellte Freude über meine Genesung zuverläßig erhöhen. Meine Krankheit dauerte, von dem ersten Tage an, da ich zu Hause blieb, bis zu dem, da man mich Gefahrfrey sprach gerechnet, siebenzehn Tage. Ueber ihre Benennung waren und sind meine Aerzte noch uneinig. Einige nennen sie ein Faulfieber, andre ein bösartiges Katarrhalfieber, andre ein hitziges Nervenfieber. Genug es war eine Krankheit, in welcher meine Aerzte
Sie wollen meine Krankheit, und ihren ganzen Gang wissen, mein lieber Freund, und das von mir! An meine Aerzte haͤtten Sie sich wenden muͤssen. Jch war den groͤßten Theil der Zeit nicht ich, und den Uebrigen hielt meine Phantasie mich in einer ganz andren Welt, in einem ganz andren Zusammenhange der Dinge fest. — Jndessen so viel ich davon weiß, empfunden oder erzaͤhlen hoͤren, will ich Jhnen mittheilen. Jch kenne das menschliche Gemuͤth, es wird Jhre unverstellte Freude uͤber meine Genesung zuverlaͤßig erhoͤhen. Meine Krankheit dauerte, von dem ersten Tage an, da ich zu Hause blieb, bis zu dem, da man mich Gefahrfrey sprach gerechnet, siebenzehn Tage. Ueber ihre Benennung waren und sind meine Aerzte noch uneinig. Einige nennen sie ein Faulfieber, andre ein boͤsartiges Katarrhalfieber, andre ein hitziges Nervenfieber. Genug es war eine Krankheit, in welcher meine Aerzte <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0049" n="45"/><lb/> That meine Errettung, das behaupten alle meine Freunde, alle die um mir waren, alle meine Aerzte; und haͤtt' ich nicht richtigere Begriffe von den Gesetzen der Natur, und waͤre ich nicht uͤberzeugt, daß die Blatlaus nicht minder Zweck, nicht minder Bestimmung (obschon <hi rendition="#b">mindren</hi> Zweck, <hi rendition="#b">mindre</hi> Bestimmung) in der Schoͤpfung hat, als der Cherub: so koͤnnte mich wohl Eigenliebe zu glauben verleiten, daß die Vorsehung aus und zu ganz besondern Absichten meine Erhaltung veranstaltet. </p> <p>Sie wollen meine Krankheit, und ihren ganzen Gang wissen, mein lieber Freund, und das von mir! An meine Aerzte haͤtten Sie sich wenden muͤssen. Jch war den groͤßten Theil der Zeit nicht <hi rendition="#b">ich,</hi> und den Uebrigen hielt meine Phantasie mich in einer ganz andren Welt, in einem ganz andren Zusammenhange der Dinge fest. — Jndessen so viel ich davon weiß, empfunden oder erzaͤhlen hoͤren, will ich Jhnen mittheilen. Jch kenne das menschliche Gemuͤth, es wird Jhre unverstellte Freude uͤber meine Genesung zuverlaͤßig erhoͤhen. </p> <p>Meine Krankheit dauerte, von dem ersten Tage an, da ich zu Hause blieb, bis zu dem, da man mich Gefahrfrey sprach gerechnet, siebenzehn Tage. Ueber ihre Benennung waren und sind meine Aerzte noch uneinig. Einige nennen sie ein <hi rendition="#b">Faulfieber,</hi> andre ein boͤsartiges <hi rendition="#b">Katarrhalfieber,</hi> andre ein <hi rendition="#b">hitziges Nervenfieber.</hi> Genug es war eine Krankheit, in welcher meine Aerzte<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [45/0049]
That meine Errettung, das behaupten alle meine Freunde, alle die um mir waren, alle meine Aerzte; und haͤtt' ich nicht richtigere Begriffe von den Gesetzen der Natur, und waͤre ich nicht uͤberzeugt, daß die Blatlaus nicht minder Zweck, nicht minder Bestimmung (obschon mindren Zweck, mindre Bestimmung) in der Schoͤpfung hat, als der Cherub: so koͤnnte mich wohl Eigenliebe zu glauben verleiten, daß die Vorsehung aus und zu ganz besondern Absichten meine Erhaltung veranstaltet.
Sie wollen meine Krankheit, und ihren ganzen Gang wissen, mein lieber Freund, und das von mir! An meine Aerzte haͤtten Sie sich wenden muͤssen. Jch war den groͤßten Theil der Zeit nicht ich, und den Uebrigen hielt meine Phantasie mich in einer ganz andren Welt, in einem ganz andren Zusammenhange der Dinge fest. — Jndessen so viel ich davon weiß, empfunden oder erzaͤhlen hoͤren, will ich Jhnen mittheilen. Jch kenne das menschliche Gemuͤth, es wird Jhre unverstellte Freude uͤber meine Genesung zuverlaͤßig erhoͤhen.
Meine Krankheit dauerte, von dem ersten Tage an, da ich zu Hause blieb, bis zu dem, da man mich Gefahrfrey sprach gerechnet, siebenzehn Tage. Ueber ihre Benennung waren und sind meine Aerzte noch uneinig. Einige nennen sie ein Faulfieber, andre ein boͤsartiges Katarrhalfieber, andre ein hitziges Nervenfieber. Genug es war eine Krankheit, in welcher meine Aerzte
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/49>, abgerufen am 27.07.2024. |