auf solchen Fall, für Pflichten und Geschäfte, selbst für allen eigentlichen Umgang mit ihnen, verlieren und als eine Last der Erde sehen müßten. Aber, Gottlob, diese traurige Besorgniß währete nicht mehr lange. Nach der vollen halben Stunde fing nach und nach mein Kopf an, heller und ruhiger zu werden; die fremden, mir so überlästigen Vorstellungen wurden weniger lebhaft und brausend; und ich konnte das, was ich aus meinem eigenen Grunde denken wollte, schon mit schwächerer Unterbrechung von jenen, mit etwas mehrerer Klarheit und Ordnung durchsetzen. Jch wollte nun dem Bedienten klingeln, damit er meiner Frau sagen möchte, zu mir herauf zu kommen; allein ich hatte doch noch einige Zeit nöthig, um mich zu oft wiederhohltenmalen im richtigen Aussprechen der hiezu erforderlichen wenigen Worte zu üben; und die erstern nachherigen Unterredungen mit den Meinigen geschahen noch von meiner Seite, eine andere halbe Stunde hindurch, mit einer langsamen und gewissermaßen ängstlichen Bedächtlichkeit, bis ich mich endlich wieder eben so frei und heiter, als am Anfange des Tages, fand und nur einen sehr gelinden Kopfschmerz fühlete. Hier dachte ich an meine angefangene, aber für irrig erkannte Quitung, und sahe, daß, anstatt: "funfzig Thaler halbjährige Zinsen," wie es heißen sollte, mit so reinen und geraden Zügen, als ich je in meinem Leben mochte gemacht haben, geschrieben da stand:
auf solchen Fall, fuͤr Pflichten und Geschaͤfte, selbst fuͤr allen eigentlichen Umgang mit ihnen, verlieren und als eine Last der Erde sehen muͤßten. Aber, Gottlob, diese traurige Besorgniß waͤhrete nicht mehr lange. Nach der vollen halben Stunde fing nach und nach mein Kopf an, heller und ruhiger zu werden; die fremden, mir so uͤberlaͤstigen Vorstellungen wurden weniger lebhaft und brausend; und ich konnte das, was ich aus meinem eigenen Grunde denken wollte, schon mit schwaͤcherer Unterbrechung von jenen, mit etwas mehrerer Klarheit und Ordnung durchsetzen. Jch wollte nun dem Bedienten klingeln, damit er meiner Frau sagen moͤchte, zu mir herauf zu kommen; allein ich hatte doch noch einige Zeit noͤthig, um mich zu oft wiederhohltenmalen im richtigen Aussprechen der hiezu erforderlichen wenigen Worte zu uͤben; und die erstern nachherigen Unterredungen mit den Meinigen geschahen noch von meiner Seite, eine andere halbe Stunde hindurch, mit einer langsamen und gewissermaßen aͤngstlichen Bedaͤchtlichkeit, bis ich mich endlich wieder eben so frei und heiter, als am Anfange des Tages, fand und nur einen sehr gelinden Kopfschmerz fuͤhlete. Hier dachte ich an meine angefangene, aber fuͤr irrig erkannte Quitung, und sahe, daß, anstatt: »funfzig Thaler halbjaͤhrige Zinsen,« wie es heißen sollte, mit so reinen und geraden Zuͤgen, als ich je in meinem Leben mochte gemacht haben, geschrieben da stand:
<TEI><text><body><div><div><p><pbn="41"facs="#f0045"/><lb/>
auf solchen Fall, fuͤr Pflichten und Geschaͤfte, selbst fuͤr allen eigentlichen Umgang mit ihnen, verlieren und als eine Last der Erde sehen muͤßten. Aber, Gottlob, diese traurige Besorgniß waͤhrete nicht mehr lange. Nach der vollen halben Stunde fing nach und nach mein Kopf an, heller und ruhiger zu werden; die fremden, mir so uͤberlaͤstigen Vorstellungen wurden weniger lebhaft und brausend; und ich konnte das, was ich aus meinem eigenen Grunde denken wollte, schon mit schwaͤcherer Unterbrechung von jenen, mit etwas mehrerer Klarheit und Ordnung durchsetzen. Jch wollte nun dem Bedienten klingeln, damit er meiner Frau sagen moͤchte, zu mir herauf zu kommen; allein ich hatte doch noch einige Zeit noͤthig, um mich zu oft wiederhohltenmalen im richtigen Aussprechen der hiezu erforderlichen wenigen Worte zu uͤben; und die erstern nachherigen Unterredungen mit den Meinigen geschahen noch von meiner Seite, eine andere halbe Stunde hindurch, mit einer langsamen und gewissermaßen aͤngstlichen Bedaͤchtlichkeit, bis ich mich endlich wieder eben so frei und heiter, als am Anfange des Tages, fand und nur einen sehr gelinden Kopfschmerz fuͤhlete. Hier dachte ich an meine angefangene, aber fuͤr irrig erkannte Quitung, und sahe, daß, anstatt: »funfzig Thaler halbjaͤhrige Zinsen,« wie es heißen sollte, mit so reinen und geraden Zuͤgen, als ich je in meinem Leben mochte gemacht haben, geschrieben da stand:<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[41/0045]
auf solchen Fall, fuͤr Pflichten und Geschaͤfte, selbst fuͤr allen eigentlichen Umgang mit ihnen, verlieren und als eine Last der Erde sehen muͤßten. Aber, Gottlob, diese traurige Besorgniß waͤhrete nicht mehr lange. Nach der vollen halben Stunde fing nach und nach mein Kopf an, heller und ruhiger zu werden; die fremden, mir so uͤberlaͤstigen Vorstellungen wurden weniger lebhaft und brausend; und ich konnte das, was ich aus meinem eigenen Grunde denken wollte, schon mit schwaͤcherer Unterbrechung von jenen, mit etwas mehrerer Klarheit und Ordnung durchsetzen. Jch wollte nun dem Bedienten klingeln, damit er meiner Frau sagen moͤchte, zu mir herauf zu kommen; allein ich hatte doch noch einige Zeit noͤthig, um mich zu oft wiederhohltenmalen im richtigen Aussprechen der hiezu erforderlichen wenigen Worte zu uͤben; und die erstern nachherigen Unterredungen mit den Meinigen geschahen noch von meiner Seite, eine andere halbe Stunde hindurch, mit einer langsamen und gewissermaßen aͤngstlichen Bedaͤchtlichkeit, bis ich mich endlich wieder eben so frei und heiter, als am Anfange des Tages, fand und nur einen sehr gelinden Kopfschmerz fuͤhlete. Hier dachte ich an meine angefangene, aber fuͤr irrig erkannte Quitung, und sahe, daß, anstatt: »funfzig Thaler halbjaͤhrige Zinsen,« wie es heißen sollte, mit so reinen und geraden Zuͤgen, als ich je in meinem Leben mochte gemacht haben, geschrieben da stand:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:
Anmerkungen zur Transkription:
Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.
Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/45>, abgerufen am 02.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.