Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.
Wäre dieses Schicksal nicht so wirksam durchs ganze Leben; was hätten wir denn Wahres zu reden von dem so hohen Wehrte eines philanthropisirenden, und also unsers, Jnstitutes? Ach wäre ich so frey von Vorwürfen des Spiels zu gewissen Zeiten, welches von jeher, bald mehr bald weniger meine einzige Zerstreuung war; da nur ein Zehntel der Natur in meine von Jugend auf schwache Augen fällt, da die Tonkunst mir fremd geblieben ist, und da nur wenige Arten von gesellschaftlichen Gesprächen mich unterhalten, nehmlich solche, wodurch ich merklich lernen oder merklich lehren kann. Die von der ersten Art aber sind in meinem Alter schwer zu finden; die von der andern Art werden meinen Gesellschaftern bald unangenehm. *** Jch muß, (so ist meine Natur und Verwöhnung,) wenn mir etwas gelingen soll, nicht anders arbeiten, als mit einer ausserordentlichen Anstrengung und Ausdaurung, welche zuweilen fast allen Schlaf hindert. Sonst verliere ich gar leicht den Faden in dem Labyrinthe, in welches ich, als ein Erfinder und Beurtheiler der Wahrheiten und vornehmlich der Methoden und Lehrmittel, mich hineinbegeben habe.
Waͤre dieses Schicksal nicht so wirksam durchs ganze Leben; was haͤtten wir denn Wahres zu reden von dem so hohen Wehrte eines philanthropisirenden, und also unsers, Jnstitutes? Ach waͤre ich so frey von Vorwuͤrfen des Spiels zu gewissen Zeiten, welches von jeher, bald mehr bald weniger meine einzige Zerstreuung war; da nur ein Zehntel der Natur in meine von Jugend auf schwache Augen faͤllt, da die Tonkunst mir fremd geblieben ist, und da nur wenige Arten von gesellschaftlichen Gespraͤchen mich unterhalten, nehmlich solche, wodurch ich merklich lernen oder merklich lehren kann. Die von der ersten Art aber sind in meinem Alter schwer zu finden; die von der andern Art werden meinen Gesellschaftern bald unangenehm. *** Jch muß, (so ist meine Natur und Verwoͤhnung,) wenn mir etwas gelingen soll, nicht anders arbeiten, als mit einer ausserordentlichen Anstrengung und Ausdaurung, welche zuweilen fast allen Schlaf hindert. Sonst verliere ich gar leicht den Faden in dem Labyrinthe, in welches ich, als ein Erfinder und Beurtheiler der Wahrheiten und vornehmlich der Methoden und Lehrmittel, mich hineinbegeben habe. <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0039" n="35"/><lb/> aufgewachsen, und daß mein bischen Politur ein zu spaͤtes Kunstwerk sey. </p> <p>Waͤre dieses Schicksal nicht so wirksam durchs ganze Leben; was haͤtten wir denn Wahres zu reden von dem so hohen Wehrte eines philanthropisirenden, und also unsers, Jnstitutes? </p> <p>Ach waͤre ich so frey von Vorwuͤrfen des Spiels zu gewissen Zeiten, welches von jeher, bald mehr bald weniger meine einzige Zerstreuung war; da nur ein Zehntel der Natur in meine von Jugend auf schwache Augen faͤllt, da die Tonkunst mir fremd geblieben ist, und da nur wenige Arten von gesellschaftlichen Gespraͤchen mich unterhalten, nehmlich solche, wodurch ich merklich lernen oder merklich lehren kann. Die von der ersten Art aber sind in meinem Alter schwer zu finden; die von der andern Art werden meinen Gesellschaftern bald unangenehm. </p> <p rend="center">***</p> <p>Jch muß, (so ist meine Natur und Verwoͤhnung,) wenn mir etwas gelingen soll, nicht anders arbeiten, als mit einer ausserordentlichen Anstrengung und Ausdaurung, welche zuweilen fast allen Schlaf hindert. Sonst verliere ich gar leicht den Faden in dem Labyrinthe, in welches ich, als ein Erfinder und Beurtheiler der Wahrheiten und vornehmlich der Methoden und Lehrmittel, mich hineinbegeben habe. </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [35/0039]
aufgewachsen, und daß mein bischen Politur ein zu spaͤtes Kunstwerk sey.
Waͤre dieses Schicksal nicht so wirksam durchs ganze Leben; was haͤtten wir denn Wahres zu reden von dem so hohen Wehrte eines philanthropisirenden, und also unsers, Jnstitutes?
Ach waͤre ich so frey von Vorwuͤrfen des Spiels zu gewissen Zeiten, welches von jeher, bald mehr bald weniger meine einzige Zerstreuung war; da nur ein Zehntel der Natur in meine von Jugend auf schwache Augen faͤllt, da die Tonkunst mir fremd geblieben ist, und da nur wenige Arten von gesellschaftlichen Gespraͤchen mich unterhalten, nehmlich solche, wodurch ich merklich lernen oder merklich lehren kann. Die von der ersten Art aber sind in meinem Alter schwer zu finden; die von der andern Art werden meinen Gesellschaftern bald unangenehm.
***
Jch muß, (so ist meine Natur und Verwoͤhnung,) wenn mir etwas gelingen soll, nicht anders arbeiten, als mit einer ausserordentlichen Anstrengung und Ausdaurung, welche zuweilen fast allen Schlaf hindert. Sonst verliere ich gar leicht den Faden in dem Labyrinthe, in welches ich, als ein Erfinder und Beurtheiler der Wahrheiten und vornehmlich der Methoden und Lehrmittel, mich hineinbegeben habe.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/39 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/39>, abgerufen am 27.07.2024. |