Glas Wasser, das auf dem Tische stand, weiter nicht das mindeste, was zu den Bedürfnissen oder Bequemlichkeiten des Lebens gehört. Der Kranke lag in einem sehr schmutzigen Hemde im Bette.
Mendelssohn, MosesHerr Mendelssohn gab sich erst für einen pohlnischen Arzt aus, welcher seine Kunst auszuüben hieher gereißt sey; allein der Kranke wollte nichts weder von einem Arzt, noch von irgend einiger Hülfe, die bei ihm möglich wäre, wissen. Endlich errieth er, wer der Unbekannte sey, und fragte ihn: sind Sie nicht Mendelssohn, MosesMendelssohn? Dieser bejahte es, indem er ihm zugleich die Hand gab, wobei er die Hand des Kranken heiß und brennend, und doch gewissermaßen wie erstorben in der seinigen fühlte.
Nun wollte der Kranke anfangen, über allerlei Materien mit Herrn Mendelssohn, MosesMendelssohn zu disputiren, fand sich aber zu schwach zum Reden. Herr Mendelssohn, MosesMendelssohn nutzte diese Gelegenheit, indem er ihm freundschaftlich zuredete: er möchte sich durch den Genuß von etwas Speise erst so weit wieder erhohlen, daß er anhaltend reden könnte; jetzt stiege ihm bei jedem Worte, das er sagte, eine schreckliche Röthe ins Gesicht, die seine ausserordentliche Mattigkeit anzeigte; sobald er wieder dazu fähig sey, wolle Herr Mendelssohn, MosesMendelssohn gern Stundenlang mit ihm disputiren, und wenn er ihn gleich einmal überwunden, von vorne wieder mit ihm anfangen.
Glas Wasser, das auf dem Tische stand, weiter nicht das mindeste, was zu den Beduͤrfnissen oder Bequemlichkeiten des Lebens gehoͤrt. Der Kranke lag in einem sehr schmutzigen Hemde im Bette.
Mendelssohn, MosesHerr Mendelssohn gab sich erst fuͤr einen pohlnischen Arzt aus, welcher seine Kunst auszuuͤben hieher gereißt sey; allein der Kranke wollte nichts weder von einem Arzt, noch von irgend einiger Huͤlfe, die bei ihm moͤglich waͤre, wissen. Endlich errieth er, wer der Unbekannte sey, und fragte ihn: sind Sie nicht Mendelssohn, MosesMendelssohn? Dieser bejahte es, indem er ihm zugleich die Hand gab, wobei er die Hand des Kranken heiß und brennend, und doch gewissermaßen wie erstorben in der seinigen fuͤhlte.
Nun wollte der Kranke anfangen, uͤber allerlei Materien mit Herrn Mendelssohn, MosesMendelssohn zu disputiren, fand sich aber zu schwach zum Reden. Herr Mendelssohn, MosesMendelssohn nutzte diese Gelegenheit, indem er ihm freundschaftlich zuredete: er moͤchte sich durch den Genuß von etwas Speise erst so weit wieder erhohlen, daß er anhaltend reden koͤnnte; jetzt stiege ihm bei jedem Worte, das er sagte, eine schreckliche Roͤthe ins Gesicht, die seine ausserordentliche Mattigkeit anzeigte; sobald er wieder dazu faͤhig sey, wolle Herr Mendelssohn, MosesMendelssohn gern Stundenlang mit ihm disputiren, und wenn er ihn gleich einmal uͤberwunden, von vorne wieder mit ihm anfangen.
<TEI><text><body><div><div><p><pbfacs="#f0027"n="23"/><lb/>
Glas Wasser, das auf dem Tische stand, weiter nicht das mindeste, was zu den Beduͤrfnissen oder Bequemlichkeiten des Lebens gehoͤrt. Der Kranke lag in einem sehr schmutzigen Hemde im Bette. </p><p><persNameref="#ref0119"><notetype="editorial">Mendelssohn, Moses</note>Herr Mendelssohn</persName> gab sich erst fuͤr einen pohlnischen Arzt aus, welcher seine Kunst auszuuͤben hieher gereißt sey; allein der Kranke wollte nichts weder von einem Arzt, noch von irgend einiger Huͤlfe, die bei ihm moͤglich waͤre, wissen. Endlich errieth er, wer der Unbekannte sey, und fragte ihn: sind Sie nicht <persNameref="#ref0119"><notetype="editorial">Mendelssohn, Moses</note>Mendelssohn?</persName> Dieser bejahte es, indem er ihm zugleich die Hand gab, wobei er die Hand des Kranken heiß und brennend, und doch gewissermaßen wie erstorben in der seinigen fuͤhlte. </p><p>Nun wollte der Kranke anfangen, uͤber allerlei Materien mit Herrn <persNameref="#ref0119"><notetype="editorial">Mendelssohn, Moses</note>Mendelssohn</persName> zu disputiren, fand sich aber zu schwach zum Reden. Herr <persNameref="#ref0119"><notetype="editorial">Mendelssohn, Moses</note>Mendelssohn</persName> nutzte diese Gelegenheit, indem er ihm freundschaftlich zuredete: er moͤchte sich durch den Genuß von etwas Speise erst so weit wieder erhohlen, daß er anhaltend reden koͤnnte; jetzt stiege ihm bei jedem Worte, das er sagte, eine schreckliche Roͤthe ins Gesicht, die seine ausserordentliche Mattigkeit anzeigte; sobald er wieder dazu faͤhig sey, wolle Herr <persNameref="#ref0119"><notetype="editorial">Mendelssohn, Moses</note>Mendelssohn</persName> gern Stundenlang mit ihm disputiren, und wenn er ihn gleich einmal uͤberwunden, von vorne wieder mit ihm anfangen. </p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[23/0027]
Glas Wasser, das auf dem Tische stand, weiter nicht das mindeste, was zu den Beduͤrfnissen oder Bequemlichkeiten des Lebens gehoͤrt. Der Kranke lag in einem sehr schmutzigen Hemde im Bette.
Herr Mendelssohn gab sich erst fuͤr einen pohlnischen Arzt aus, welcher seine Kunst auszuuͤben hieher gereißt sey; allein der Kranke wollte nichts weder von einem Arzt, noch von irgend einiger Huͤlfe, die bei ihm moͤglich waͤre, wissen. Endlich errieth er, wer der Unbekannte sey, und fragte ihn: sind Sie nicht Mendelssohn? Dieser bejahte es, indem er ihm zugleich die Hand gab, wobei er die Hand des Kranken heiß und brennend, und doch gewissermaßen wie erstorben in der seinigen fuͤhlte.
Nun wollte der Kranke anfangen, uͤber allerlei Materien mit Herrn Mendelssohn zu disputiren, fand sich aber zu schwach zum Reden. Herr Mendelssohn nutzte diese Gelegenheit, indem er ihm freundschaftlich zuredete: er moͤchte sich durch den Genuß von etwas Speise erst so weit wieder erhohlen, daß er anhaltend reden koͤnnte; jetzt stiege ihm bei jedem Worte, das er sagte, eine schreckliche Roͤthe ins Gesicht, die seine ausserordentliche Mattigkeit anzeigte; sobald er wieder dazu faͤhig sey, wolle Herr Mendelssohn gern Stundenlang mit ihm disputiren, und wenn er ihn gleich einmal uͤberwunden, von vorne wieder mit ihm anfangen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:
Anmerkungen zur Transkription:
Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.
Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/27>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.