Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.
Daß er durch den Vorschlag, das öffentliche Gebet abzuschaffen, sich üble Nachrede zugezogen hat, scheinet aus folgender Stelle in seinem Aufsatze zu erhellen: "Es würde mich zum Lachen bewegen, schreibt er, wenn man sagen wollte, daß die Ruhe des Staats in Gefahr sey, sobald man das öffentliche Gebet abschaffen wollte. Wenn man in einigen Privatgesellschaften in Berlin deswegen in Alarm geräth, und diejenigen, welche diesen Vorschlag thun, als Ungeheuer betrachtet, so ist deswegen die Ruhe des Staats noch nicht in Gefahr." Aus folgender Stelle in dem Aufsatze kann man einigermassen auf seine Art zu denken und auf seine philosophische Kenntniß schließen: "Es ist ein Grund übrig, welcher noch schärfer als die vorhergehenden auf die Abschaffung des öffentlichen Gebets dringt. Jch habe oben schon gesagt, daß, wenn man sich einmal ohne alle Vorurtheile in eine unpartheiische Untersuchung der Religion eingelassen, es nicht mehr von uns abhängt, dieses oder jenes Religionssystem willkührlich zu wählen. Dieses gilt auch von den philosophischen Systemen. Wenn man nun in dieser Untersuchung auf ein System fällt, in welchem das Gebet keinen Platz finden kann, wie kann man alsdann im Ernst beten?
Daß er durch den Vorschlag, das oͤffentliche Gebet abzuschaffen, sich uͤble Nachrede zugezogen hat, scheinet aus folgender Stelle in seinem Aufsatze zu erhellen: »Es wuͤrde mich zum Lachen bewegen, schreibt er, wenn man sagen wollte, daß die Ruhe des Staats in Gefahr sey, sobald man das oͤffentliche Gebet abschaffen wollte. Wenn man in einigen Privatgesellschaften in Berlin deswegen in Alarm geraͤth, und diejenigen, welche diesen Vorschlag thun, als Ungeheuer betrachtet, so ist deswegen die Ruhe des Staats noch nicht in Gefahr.« Aus folgender Stelle in dem Aufsatze kann man einigermassen auf seine Art zu denken und auf seine philosophische Kenntniß schließen: »Es ist ein Grund uͤbrig, welcher noch schaͤrfer als die vorhergehenden auf die Abschaffung des oͤffentlichen Gebets dringt. Jch habe oben schon gesagt, daß, wenn man sich einmal ohne alle Vorurtheile in eine unpartheiische Untersuchung der Religion eingelassen, es nicht mehr von uns abhaͤngt, dieses oder jenes Religionssystem willkuͤhrlich zu waͤhlen. Dieses gilt auch von den philosophischen Systemen. Wenn man nun in dieser Untersuchung auf ein System faͤllt, in welchem das Gebet keinen Platz finden kann, wie kann man alsdann im Ernst beten? <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0023" n="19"/><lb/> lischen Gymnasiums sagt, welches er aus mehrern Gruͤnden abgeschaft wissen will. </p> <p>Daß er durch den Vorschlag, das oͤffentliche Gebet abzuschaffen, sich uͤble Nachrede zugezogen hat, scheinet aus folgender Stelle in seinem Aufsatze zu erhellen: »Es wuͤrde mich zum Lachen bewegen, schreibt er, wenn man sagen wollte, daß die Ruhe des Staats in Gefahr sey, sobald man das oͤffentliche Gebet abschaffen wollte. Wenn man in einigen Privatgesellschaften in Berlin deswegen in Alarm geraͤth, und diejenigen, welche diesen Vorschlag thun, als Ungeheuer betrachtet, so ist deswegen die Ruhe des Staats noch nicht in Gefahr.« </p> <p>Aus folgender Stelle in dem Aufsatze kann man einigermassen auf seine Art zu denken und auf seine philosophische Kenntniß schließen: »Es ist ein Grund uͤbrig, welcher noch schaͤrfer als die vorhergehenden auf die Abschaffung des oͤffentlichen Gebets dringt. Jch habe oben schon gesagt, daß, wenn man sich einmal ohne alle Vorurtheile in eine unpartheiische Untersuchung der Religion eingelassen, es nicht mehr von uns abhaͤngt, dieses oder jenes Religionssystem willkuͤhrlich zu waͤhlen. Dieses gilt auch von den philosophischen Systemen. Wenn man nun in dieser Untersuchung auf ein System faͤllt, in welchem das Gebet keinen Platz finden kann, wie kann man alsdann im Ernst beten? </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [19/0023]
lischen Gymnasiums sagt, welches er aus mehrern Gruͤnden abgeschaft wissen will.
Daß er durch den Vorschlag, das oͤffentliche Gebet abzuschaffen, sich uͤble Nachrede zugezogen hat, scheinet aus folgender Stelle in seinem Aufsatze zu erhellen: »Es wuͤrde mich zum Lachen bewegen, schreibt er, wenn man sagen wollte, daß die Ruhe des Staats in Gefahr sey, sobald man das oͤffentliche Gebet abschaffen wollte. Wenn man in einigen Privatgesellschaften in Berlin deswegen in Alarm geraͤth, und diejenigen, welche diesen Vorschlag thun, als Ungeheuer betrachtet, so ist deswegen die Ruhe des Staats noch nicht in Gefahr.«
Aus folgender Stelle in dem Aufsatze kann man einigermassen auf seine Art zu denken und auf seine philosophische Kenntniß schließen: »Es ist ein Grund uͤbrig, welcher noch schaͤrfer als die vorhergehenden auf die Abschaffung des oͤffentlichen Gebets dringt. Jch habe oben schon gesagt, daß, wenn man sich einmal ohne alle Vorurtheile in eine unpartheiische Untersuchung der Religion eingelassen, es nicht mehr von uns abhaͤngt, dieses oder jenes Religionssystem willkuͤhrlich zu waͤhlen. Dieses gilt auch von den philosophischen Systemen. Wenn man nun in dieser Untersuchung auf ein System faͤllt, in welchem das Gebet keinen Platz finden kann, wie kann man alsdann im Ernst beten?
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/23>, abgerufen am 27.07.2024. |