Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.Er habe anfänglich Vertrauen auf Gott gehabt, allein dieses sey nachher, da sich die bösen Gedanken erst seiner bemächtiget, geschwächt, und er dadurch verleitet worden von Kirchen und Abendmahl, welches er sonst fleißig genossen, zurückzubleiben. Jetzt wolle er lieber sterben, jedoch seelig sterben, als leben. Jonas habe solches auch gewollt. Zwar wäre dieser nicht auf solche Art gestorben, dieses habe er aber vorher so genau nicht überdacht. Er glaube noch immer, es habe zu seinem Besten gereicht, daß er damals, als ihm in Danzig sein Felleisen gestohlen, zu den Dänen geführt worden sey. Hier sey er rechtschaffen bekehrt worden, habe einen guten Wandel geführt, und bloß auf seiner Reise nach Burg habe sein Christenthum gelitten (vermuthlich, da er sich mit den Reutern einließ). Jetzt sey er nun zwar gänzlich von Gott abgefallen, indeß wisse er doch, wie er es anzufangen habe, wenn er sich wieder bekehren wolle. Niemals ward er in größere Verlegenheit gesetzt, als wenn man ihm die Frage vorlegte, warum er diese abscheuliche That gerade an einem unschuldigen Kinde, welches ihn nie beleidigt, verübt hätte. Alsdann rieb er sich die Stirne, blieb lange ängstlich stehn, als sinne er auf einen Grund, und wisse ihn selber nicht zu finden, bis er sich endlich bloß auf ein dunkles Gefühl berief, daß ihn dazu getrieben. Er habe anfaͤnglich Vertrauen auf Gott gehabt, allein dieses sey nachher, da sich die boͤsen Gedanken erst seiner bemaͤchtiget, geschwaͤcht, und er dadurch verleitet worden von Kirchen und Abendmahl, welches er sonst fleißig genossen, zuruͤckzubleiben. Jetzt wolle er lieber sterben, jedoch seelig sterben, als leben. Jonas habe solches auch gewollt. Zwar waͤre dieser nicht auf solche Art gestorben, dieses habe er aber vorher so genau nicht uͤberdacht. Er glaube noch immer, es habe zu seinem Besten gereicht, daß er damals, als ihm in Danzig sein Felleisen gestohlen, zu den Daͤnen gefuͤhrt worden sey. Hier sey er rechtschaffen bekehrt worden, habe einen guten Wandel gefuͤhrt, und bloß auf seiner Reise nach Burg habe sein Christenthum gelitten (vermuthlich, da er sich mit den Reutern einließ). Jetzt sey er nun zwar gaͤnzlich von Gott abgefallen, indeß wisse er doch, wie er es anzufangen habe, wenn er sich wieder bekehren wolle. Niemals ward er in groͤßere Verlegenheit gesetzt, als wenn man ihm die Frage vorlegte, warum er diese abscheuliche That gerade an einem unschuldigen Kinde, welches ihn nie beleidigt, veruͤbt haͤtte. Alsdann rieb er sich die Stirne, blieb lange aͤngstlich stehn, als sinne er auf einen Grund, und wisse ihn selber nicht zu finden, bis er sich endlich bloß auf ein dunkles Gefuͤhl berief, daß ihn dazu getrieben. <TEI> <text> <body> <div> <div> <pb facs="#f0021" n="17"/><lb/> <p>Er habe anfaͤnglich Vertrauen auf Gott gehabt, allein dieses sey nachher, da sich die boͤsen Gedanken erst seiner bemaͤchtiget, geschwaͤcht, und er dadurch verleitet worden von Kirchen und Abendmahl, welches er sonst fleißig genossen, zuruͤckzubleiben. Jetzt wolle er <hi rendition="#b">lieber sterben,</hi> jedoch <hi rendition="#b">seelig sterben,</hi> als leben. <hi rendition="#b">Jonas habe solches auch gewollt.</hi> Zwar waͤre dieser nicht auf solche Art gestorben, dieses habe er aber vorher so genau nicht uͤberdacht. Er glaube noch immer, es habe zu seinem Besten gereicht, daß er damals, als ihm in Danzig sein Felleisen gestohlen, zu den Daͤnen gefuͤhrt worden sey. Hier sey er rechtschaffen bekehrt worden, habe einen guten Wandel gefuͤhrt, und bloß auf seiner Reise nach Burg habe sein Christenthum gelitten (vermuthlich, da er sich mit den Reutern einließ). <hi rendition="#b">Jetzt sey er nun zwar gaͤnzlich von Gott abgefallen, indeß wisse er doch, wie er es anzufangen habe, wenn er sich wieder bekehren wolle.</hi></p> <p>Niemals ward er in groͤßere Verlegenheit gesetzt, als wenn man ihm die Frage vorlegte, warum er diese abscheuliche That gerade an einem unschuldigen Kinde, welches ihn nie beleidigt, veruͤbt haͤtte. Alsdann rieb er sich die Stirne, blieb lange aͤngstlich stehn, als sinne er auf einen Grund, und wisse ihn selber nicht zu finden, bis er sich endlich bloß auf ein dunkles Gefuͤhl berief, daß ihn dazu getrieben. </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [17/0021]
Er habe anfaͤnglich Vertrauen auf Gott gehabt, allein dieses sey nachher, da sich die boͤsen Gedanken erst seiner bemaͤchtiget, geschwaͤcht, und er dadurch verleitet worden von Kirchen und Abendmahl, welches er sonst fleißig genossen, zuruͤckzubleiben. Jetzt wolle er lieber sterben, jedoch seelig sterben, als leben. Jonas habe solches auch gewollt. Zwar waͤre dieser nicht auf solche Art gestorben, dieses habe er aber vorher so genau nicht uͤberdacht. Er glaube noch immer, es habe zu seinem Besten gereicht, daß er damals, als ihm in Danzig sein Felleisen gestohlen, zu den Daͤnen gefuͤhrt worden sey. Hier sey er rechtschaffen bekehrt worden, habe einen guten Wandel gefuͤhrt, und bloß auf seiner Reise nach Burg habe sein Christenthum gelitten (vermuthlich, da er sich mit den Reutern einließ). Jetzt sey er nun zwar gaͤnzlich von Gott abgefallen, indeß wisse er doch, wie er es anzufangen habe, wenn er sich wieder bekehren wolle.
Niemals ward er in groͤßere Verlegenheit gesetzt, als wenn man ihm die Frage vorlegte, warum er diese abscheuliche That gerade an einem unschuldigen Kinde, welches ihn nie beleidigt, veruͤbt haͤtte. Alsdann rieb er sich die Stirne, blieb lange aͤngstlich stehn, als sinne er auf einen Grund, und wisse ihn selber nicht zu finden, bis er sich endlich bloß auf ein dunkles Gefuͤhl berief, daß ihn dazu getrieben.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/21>, abgerufen am 27.07.2024. |